aufgestellt von Josef Koch, Bürgermeister i.R., erschienen 1969 als Ortsbuch von Weilen, herausgegeben im Auftrag der Gemeinde von Heinz Erich Walter (WALTER-VERLAG GmbH- Ludwigsburg).
Auf Grund des Erscheinungsdatums ist diese Chronik heute nicht mehr unbedingt aktuell, haben sich doch seit 1969 etliche Veränderungen in der Gemeinde ergeben. Dennoch ist die Geschichte und Entwicklung unserer Gemeinde immer wieder von neuem interessant, und da diese Chronik im Buchformat mittlerweile vergriffen ist, soll auf diese Weise interessierten Mitmenschen diese Chronik zugänglich gemacht werden.
Mit diesem alten christlichen Gruß will ich dich begrüßen. Der Gruß kommt von Herzen, und ich wüsste keinen besseren für dich. Du willst wissen, warum und zu welchem Zweck dieses Buch, das so viel Arbeit und Mühe gekostet hat, überhaupt geschrieben wurde.
Eigentlich ist diese Frage schon beantwortet in den Verszeilen “Zum Geleit“: Dieses Buch will Dir Kunde bringen aus Weilens alten Tagen und viele Fragen beantworten, die dir im Leben oft begegnen. Als zweite Frage dürfte sich der Gedanke einstellen, was die eigentliche Triebfeder gewesen sei, die den Verfasser angetrieben hat, sich der großen Mühe und jahrzehntelangen Arbeit für die Chronik zu unterziehen. Die Liebe zur Heimat hat ihn bewogen. Das schreiben selbst ist eine Kleinigkeit gewesen gegenüber der Beschaffung des Materials. Mit den Vorarbeiten und der Beschaffung von Urkundenmaterial habe ich schon in den Jahren 1927 und 1928 begonnen. In den Wintermona-ten 1928 und 1929 habe ich die Württembergischen Urkundenbücher durch-gesehen. Im darauffolgenden Jahr habe ich das Buch “Geschichte der Grafen von Zollern und Hohenberg“ von Schmid sowie die Monumenta Hohenbergica durchgearbeitet. Im Staatsarchiv Stuttgart arbeitete ich unter Führung von Oberlehrer Konrad Seifriz die Akten durch. Er hat übrigens die Geschichte von Markelsheim und Biberach geforscht; seine Mutter stammte aus Weilen und sein Vater, Konstantin Seifriz, von Schörzingen
Im Ludwigsburger Staatsarchiv ging mir besonders Archivrat Dr. Aich zur Hand; dieser war früher Pfarrer in Deilingen gewesen. Er übersetzte die lateinischen Urkunden ins Deutsche.
In Rottweil war mir Oberstudiendirektor Dr. Steinhauser eine große Hilfe; er erteilte mir viele Anregungen und Auskünfte.
Von 1932 bis zum Zweiten Weltkrieg habe ich meine Ortschronik mit Hand niedergeschrieben; als ich 1942 den Bürgermeisterposten übernahm, fand ich fast keine Zeit mehr, die Arbeit zu vollenden. Durch die Anlegung der neuen Kreisbeschreibung und die Vervollständigung der Urkunden sowie Auffindung neuer Geschichtsquellen haben sich teilweise neue Ergebnisse ergeben. So steht u.a. in der Oberamtsbeschreibung von Spaichingen, dass Weilen erst-mals am 8. Februar 838 genannt werde; diese Urkunde ist auch im Württem-bergischen Urkundenbuch abgedruckt.
Neuere Forschungen haben aber ergeben, dass dieses Weilen nicht unser Ort, sondern Weilheim unter der Lochen (Weilstetten) war.
Eines Herrn muß ich ganz besonders gedenken; Landrat Roemer in Balingen, jetzt Regierungspräsident in Stuttgart. Er ist ein hervor-ragender Kenner der Frühgeschichte.
Rektor Scherer in Balingen sah das Manuskript durch und verfasste den geologischen Teil (Seiten 14-18). Heinz Erich Walter – der schon über ein Dutzend Ortsbücher herausgegeben hat – ergänzte das Manuskript in einigen Punkten und brachte es in eine gefällige Buchform. Allen genannten Herren spreche ich meinen herzlichen Dank aus.
Zu danken habe ich auch den Mitbürgern, die für dieses Buch Bild-material zur Verfügung stellten, insbesondere auch meinem Nachfolger im Amt, Erwin Weinmann, der sich manche Mühe machte. Leo Seifriz fertigte eigens für dieses Buch Photographien an.
Das Originalmanuskript hinterlege ich im Gemeindearchiv, ebenso meine ausführliche Geschichte der einzelnen Familien von Weilen; wer sich speziell für Familiengeschichte interessiert, findet darin Aufschluss. Die hiesigen Taufbücher beginnen 1609; sie werden im Pfarrhaus aufbewahrt.
Möge dieses Ortsbuch in dir, lieber Leser, die Liebe zur Heimat vertiefen. Möge unser Ort noch vielen Generationen zur Heimat werden, auf dass sie gerne in Weilen weilen.
1.1 Die Entstehung der Landschaft unserer Gegend 1.2 Mindestens sechs Grabhügel der Frühzeit 1.3 Von der Römerstraße kommt der Zusatz Rinnen 1.4 Einstige Besitzungen des Kloster Sankt Gallen 1.5 Die Wüstungen Hoffstett, Holzheim und Lachen 1.6 Welche Bedeutung hatte das Heidenschlößle?
2. Mittelalter
2.1 Die Stadt und die Grafschaft Oberhohenberg 2.2 Die Geschichte der Grafen von Oberhohenberg 2.3 Weilen – der Weiler der Burg Oberhohenberg? 2.4 Die Herrschaft Oberhohenberg wird österreichisch 2.5 Zerstörung und Schicksal der Burg Oberhohenberg 2.6 Die österreichischen Lehensbauern und Lehen 2.7 Die Fronen der Leibeigenen für die Herrschaft 2.8 Einwohnerzahlen aus den Musterungslisten 2.9 Die erdrückenden Zehntabgaben und Steuern
3. Neuzeit
3.1 Der Bauernaufstand und der Dreißigjährige Krieg 3.2 Ein Jahrhundert voller Kriege mit Frankreich 3.3 Der Siebziger Krieg und der Erste Weltkrieg 3.4 Die achtzehn Opfer des Zweiten Weltkrieges 3.5 Die letzten Tage des Tausendjährigen Reiches 3.6 Von Tschechen, Polen und Franzosen besetzt
4. Gemeinde
4.1 Das Wappen und Siegel der Gemeinde Weilen 4.2 Die Vögte, Schultheißen und Bürgermeister 4.3 Die Gemeindepfleger und Gemeindebediensteten 4.4 Das Rathaus und die gemeindeeigenen Gebäude 4.5 Was die Gemeindebürger an Bürgernutzen bezogen 4.6 Lehrer an der Volksschule von Weilen 4.7 Unterricht in der Volksschule früher und heute 4.8 Nur kurze Zeit ab es eine Kinderschule
5. Pfarrei
5.1 Die Geistlichen der Kaplanei und Pfarrei 5.2 Das einstige Kaplanei- und Pfarrhaus von Weilen 5.3 Die Erbauung und Renovierung der Kirche 5.4 Die Figuren des Hochaltars und der Nebenaltäre 5.5 Die beiden alten und die beiden neuen Glocken 5.6 Gefallenenkapelle und Kreuz af dem Friedhof 5.7 Ottilienkapelle – Kirche eines ehemaligen Ortes
6. Bevölkerung
6.1 Geschichte der alten Familien von Weilen 6.2 Weilener Auswanderer in Ungarn und Amerika 6.3 Zehn katholische Geistliche aus einem Dorf 6.4 Bildhauer und Kunstmaler in und aus Weilen 6.5 Die Übernamen von Weilen und Schörzingen
7. Vereine
7.1 Die Hummelfasnacht und die Narrenzunft 7.2 Der ehemalige Veteranen- und Militärverein 7.3 Geschichte des einstigen Männergesangvereins 7.4 Der einzige Verein heute : unser Musikverein 7.5 Gesang des Kirchenchores zum Lobe des Herrn 7.6 Der Spar- und Darlehenskassenverein in Weilen
8. Markung und Struktur
8.1 Markung, Bodennutzung und Niederschläge 8.2 Die Bedeutung unserer Flurnamen 8.3 Wer kennt die Pflanzen, nennt die Namen 8.4 Landwirtschaft, Viehzucht und Waldbesitz 8.5 Wasserleitungsbau mit vielen Hindernissen 8.6 Die Installation des elektrischen Lichtes 8.7 Die Unterhaltung des Straßen- und Wegenetzes 8.8 Vom Bauerndorf zur Arbeiterwohngemeinde Nachtrag: Flugzeugabsturz
Im Süden der trichterförmigen Bucht, die die Schlichem bei ihrem Austritt aus dem Gebirge geschaffen hat, liegt eingerahmt von bewaldeten Höhen das Dörfchen Weilen unter den Rinnen (707 m). Die umrahmenden Gestalten von Plettenberg und Ortenberg, von Wochenberg und Oberhohenberg machen dieses Fleckchen Erde zu einem landschaftlichen Glanzpunkt. Der Plettenberg bietet einen reizenden Blick auf das amphitheatralisch gelegene Dörflein, in mitten dem frischen Grün der Wiesen und den heimelig zwischen Obstwäldern versteckten Häusern. Am herrlichsten ist der Blick in das lachende, reich bewässerte Tal, wenn im Mai die Kernobstgewächse im Blütenschnee prangen. Wie ist nun dieser eigenartige Sufenrandtrichter, die weitgeöffnete Pforte der Schlichem entstanden? Die malerische Bucht von Weilen gehört dem unteren und mittleren Braunjura an, den Mittelbach, Weilenbach, Brandbächle und ihre Verästelungen stark zerfurcht und zerlappt haben. In den schweren schiefrigen Tonen zeugen Wund-stellen der Pflanzendecke und Rutschungen (Gansloch usw.) von frischer Arbeit des rinnenden Wassers.
Die Quellen des Mittelbachs treten unter den harten Kalken (Blaukalk) über den undurchlässigen Tonen aus. Die Blaukalke schützen zwar die weichen Tone vor rascher Zerstörung; doch der Unterwühlung durch austretende Quellen und durch Verwitterung fallen sie selbst zum Opfer. Hier sind daher tiefe Kerben unterhalb Dei-lingen in die Kalksteintafel eingeschnitten, die dazwischen in mehreren Spornen vorspringt (Eck, Burgstall Heidenschlößle und Rennen).100 m Gefälle auf 1 km im Oberlauf verursachen die Zerstörung. Steigen wir aber durch das unübersichtliche Waldgebiet nach Deilingen (826 m) empor, so sind wir in einem ganz anderen Reich: Ein über 1 km breites Hochtal mit flacher Sohle senkt sich fast unmerklich nach Süden gegen Wehingen (717 m). Von junger Zerstörungsarbeit keine Spur mehr! Ein winziges Bächlein mit geringem Gefälle(18 m auf 1 km) schleicht müde zur unteren Bära. Annähernd 3 km sind Oberhohenberg und Deilinger Berg voneinander entfernt, und rund 200 m tief ist die breite, teils versumpfte Talsohle eingesenkt. Wie kann ein so kümmerliches Rinnsal diese große Lücke geschaffen haben?Dazu gehört eigentlich ein großer Bach von mehreren Stunden Länge. Wo aber sein Oberlauf zu suchen wäre guckt der blaue Himmel herein. Von Deilingen, von dessen Rathaus die eine Dachtrauf zur Bära (Donau) und die andere zur Schlichem (Rhein) entwässert, hat man einen prächtigen Blick hinaus in das fruchtbare Albvorland.
Kehren wir wieder zurück in das tief eingeschnittene Schlichemtal. Bei jedem Hochwasser (1895 besonders gefährlich) wälzen die Schlichem und ihre Nebenbäche mit ihren trüben Fluten beträchtliche Erdmassen zu Tal. Von Plettenberg und Ortenberg ziehen mächtige Schuttströme in die Talpforte bis in das Tal hinunter. Hier sind, bedingt durch die jugendliche Unterschneidung der Hänge in jüngererZeit größere Bergrutsche erfolgt, so am Ortenberg zwei kleinere 1744 und 1787; ein sehr starker Erdmassenrutsch staute 1789 das Flüßchen oberhalb von Ratshausen zu einem gefährlichen See, und 1851 übertraf ein Rutsch an der Südkante des Plettenbergs alle vorausgegangenen an Ausdehnung und Schaden so weit, “dass man in Ratshausen an den Untergang der Welt dachte“; beinahe 300 Morgen Wald und Feld wurden dabei gänzlich zerstört. Heute noch sind an den Bergen die Stellen offen, an denen einst die Kalkfelsen an- und nachbrachen, als unter ihrem Druck die durchfeuchteten Mergel und Tone nachgaben. Alle diese Bergrutsche sind an-schauliche Beispiele für das Rückschreiten des Albtraufs, das auch in der Gegenwart unentwegt weiter geht. Als Weilen vor der Jahrtausendwende besiedelt wurde, reichte die Sohle der Deilinger Pforte, von Plettenberg und Ortenberg etwas weiter gegen die Schlichem. Gehen wir noch weiter zurück in die graue Vorzeit, müssen wir jeweils vorn weitere Stücke anfügen, am meisten dort, wo heute die Zerstörung am stärksten ist: an den Endender Schluchten. Diese füllen sich, die Sporne verbreitern sich und wachsen zusammen zu einer einheitlichen Platte. Die breite, flache Talsohle des Deilinger Mühlbachs schiebt sich 130-140 m über dem heutigen Weilen vor. Sie rückt langsam dorthin wo der blaue Himmel hereinschaut.
Panorama vom Fuß des Wochenberges aus
Auch Plettenberg und Ortenberg nähern sich, und der Albrand liegt weiter im Westen. Je länger das Tal wird, desto größer wird auch der Bach in seinem Grund. Und schließlich st das Missverhältnis zwischen Bach und Tal ausgeglichen; denn wir haben den Bach über dem heutigen Grund vor uns, der das Mühlbachtal erzeugte. Was heute noch erhalten ist, sind nur die letzten Kilometer eines Tals, nur ein Talstumpf, ein „geköpftes Tal“.
Vor rund 140 Millionen Jahren, als sich das Jurameer nach Südosten zurückzog, weil sich sein Meeresboden langsam von Norden immer mehr aufwölbte, setzte die Arbeit der Donau ein. Unsere Flüsse flossen, wie heute noch die Bära, zunächst mit geringem Gefälle nach Südosten. Als aber im Tertiär, vor rund 40 Millionen Jahren, erneut das Meer infolge Senkung der Landschaft ins Voralpenland vorstieß, und bis auf die Alb bei Stetten am kalten Markt, Winterlingen usw. reichte (Meeresküste 0 m), verstärkte sich das Gefälle dieser Flüsse, und sie konnten daher stark abtragen. Doch am Ende des Tertiärs und in der folgenden Zeit wurden das Alpenvorland und unsere Alb wieder gehoben (zum Beispiel bei Winterlingen bis auf 800 m). Das Alpenvorlandmeer zog sich langsam nach Osten zurück. Die Donau bekam dadurch einen weiten Weg zum Meer. Das Gefälle ihrer Albzuflüsse, wie Bära, verringerte sich. Sie konnten die anfallenden Schuttmassen nicht mehr verfrachten und mussten sie liegenlassen (Weißjuraschuttdecke bei Deilingen bis in das Tal und Versumpfung des Tales). Dazu kam aber noch etwas anderes. Der Neckar und seine Nebenflüsse konnten nach den Einbrüchen des Rheintalgrabens infolge ihres starken Gefälles Stück um Stück erobern. Auf der Wende vom warmen Tertiär zum Diluvium (Eiszeit) war der Neckar schon bis Rottweil vorgedrungen. Die Schlichem nagte sich nun von Westen her rückwärts ein und griff unser „Urtal“ über Weilen, das Deilinger Mühlbachtal, das sich schon bis in den mittleren Braunjura eingetieft hatte, in der Flanke an und „köpfte“ es. In den darunter liegenden weicheren Schichten konnte die Schlichem jetzt gewaltig ausräumen und die tiefe trichterförmige Bucht bei Weilen formen, indem sie und ihre Nebenbäche (Mittel- und Weilenbach) im Verlauf von Jahrmillionen die über 100 m mächtigen, schiefrigen Tone talab verfrachteten. Nur der schön geformte Wochenberg, der aus dem etwa 30 m starken Schichtenstoß der harten „Wasserfallschichten“ mit überlagernden Kalksteinen besteht, konnte sich etwas abseits als schmaler, steilabfallender, vorspringender Bergrücken im unteren Braunjura erhalten. So haben wir heute zwei ganz verschiedene Landschaften einander gegenüber: die alte (danubische) Donau-Landschaft bei Deilingen mit ihrem breiten, gefällschwachen Tal, mit geringem Relief und mächtigen Verwitterungsböden sowie die junge rheinische Ausräumungslandschaft bei Weilen mit ihren engen Tälern, ihren gefällstarken Wasserläufen und mit ihren steilen Hängen. Die Grenze lässt sich fast bis auf den Meter feststellen. Sie folgt dem Stirnrand von Lemberg, Hochberg, und Oberhohenberg, steigt herab in die Deilinger Pforte und zieht weiter über den Ortenberg zum Tanneck.
1.2 Mindestens sechs Grabhügel der Früheisenzeit
Schon vor mindestens 4000 Jahren gab es Menschen in unserer Gegend. Man fand auf dem Plettenberg Siedlungsreste und Feuersteinwerkzeuge aus den unruhigen Zeiten zu Ende der Jungsteinzeit (4000 bis 1800 vor Christus), bei Delkhofen ein Steinbeil und bei Schömberg 2 Pfeilspitzen aus Feuerstein, das Bruchstück eines stark verwitterten Steinbeils aus grauem Gneis und das Schneidenbruchstück eines feingeschliffenen Steinbeils. Diese Menschen stellten Geräte und Waffen aus Stein und Bein her, trieben Ackerbau züchteten Rind, Schaf, Ziege und Schwein. Die Gefäße formten sie von Hand, Schnüre und Gewebe stellten sie aus Pflanzenfasern her.
Nach einer kurzen Übergangszeit entdeckten die Menschen 1 800 vor Christus durch Mischung von Kupfer und Zinn in der goldglänzenden Bronze einen gebrauchsfähigen Werkstoff für Geräte, Waffen und Schmuck. Man nennt daher diesen Zeitabschnitt die Bronzezeit (1 800-800 vor Christus). Das Klima war trockenwarm mit einem Jahresmittel, das über dem heutigen lag. Anfänglich überwog der Weidebetrieb den Ackerbau. Aus der Bronzezeit, in der die Hochfläche der Alb schon stärker besiedelt war, finden sich auch in der Schömberger Gegend und auf dem Plettenberg zahlreiche Spuren. Die Toten wurden mit all dem, was sie im Leben getragen haben (Schmuck, Waffen usw.), bestattet.
Um 800 vor Christus trat neben die Bronze als weiterer Werkstoff das Eisen. Deshalb bezeichnet man den neu beginnenden Zeitabschnitt (800-500 vor Christus) als Früheisenzeit. Nach der Stadt Hallstadt im Salzkammergut, wo die ersten Funde gemacht wurden, ist auch die Bezeichnung Hallstattzeit gebräuchlich. Das Klima war kühler und regenreicher. In unserer Gegend wohnten damals die Kelten. Sie betrieben hauptsächlich Ackerbau, Viehzucht und Jagd. Aber allmählich bildetet sich eine weitgehende handwerkliche und soziale Gliederung heraus. Mächtige und reiche Fürsten geboten im Land, und unter ihrem Machtgebot entstanden um 500 vor Christus die großen Wallanlagen auf dem Plettenberg und Schafberg sowie Fliehburgen (Gräbelesberg) für Zeiten der Bedrohung durch Feinde.
Aus der Eisenzeit wüssten wir nicht viel, hätten nicht die Kelten in ihren Grabstätten, den großen und kleinen Grabhügeln, Waffen, Geräte, Gefäße und Schmuck aus ihrem Alltag hinterlassen. In einer flachen Grube, die man mit Lehm ausstrich, legte man den Toten in die Erde, angetan mit all seinen Gewändern, bewehrt mit den Waffen und im Schmuck der Kostbarkeiten, die er im Leben besessen. An sein Haupt stellte man große, prächtig verzierte
Die zweieinhalbtausend Jahre alten Grabhügel der Markung Weilen
Urnen, Schalen und Teller mit Lebensmittel für die weite Reise ins Reich der Toten. Als letzten Liebesdienst trug dann jedes Mitglied der Sippe Erde herbei, die zum weithin sichtbaren Mal, oft unter Einbau einer Holzkammer über dem Toten, aufgeschichtet wurde.
Aus dem Ende der Früheisenzeit dürften die vielen Grabhügel im Schömberger Gebiet stammen. Im Withau, der der Sage nach einst zu Weilen gehörte, liegen 2 Hügel, und zwar im Winkel des ersten Waldweges, wenn man von der Einmündung der Straßen von Schörzingen und Weilen in Richtung Schömberg geht. Im Scheubühl liegen zwei weitere, wie auf der ganzen Markung Schömberg noch über 3 Dutzend zu finden sind. Auf Weilener Gebiet sind mindestens 6 Grabhügel vorhanden. Am interessantesten ist der Buckel, auf dem die Ottilienkapelle 1 km östlich des Ortes steht (siehe Seite 136). Er ist 19 m breit und etwa 1 m hoch. Als sanktgallische Mönche um 800 nach Christus hier die Kapelle für die später abgegangene Siedlung Lachen errichteten (siehe Seite 26), ahnten sie wohl nicht, dass unter dem Hügel ein adeliger Kelte in der Zeit um 600 vor Christus beigesetzt worden ist. Von der Ottilienkapelle kann man östlich am Waldrand 2 weiter Hügel im Rennenwasen erkennen. Sie haben einen Durchmesser von etwa 10 m. Auf der Topographischen Karte sind im an schließenden Lachenwald ebenfalls 2 Grabhügel eingezeichnet. Eine Grabung vor Jahrzehnten soll keine Fund geliefert haben. Nach Oscar Parets Werk über Württembergs vor- und frühgeschichtliche Zeit sollen sich insgesamt 7 Hügel einschließlich Ottilienkapelle in Feld und Wald Rennenwasen befinden. Ein Laie bemerkt sie nicht.
Auch im Wald Honau liegt ein einzelner eisenzeitlicher Grabhügel.
Den Forschern ist bisher der große Grabhügel im Wald Honau entgangen. Er liegt in der Schlinge des neuen Holzabfuhrweges. Sein Durchmesser beträgt rund 15 m und seine Höhe 1,5 m. Ursprünglich waren die Grabhügel wesentlich höher. Im Laufe der Jahrhunderte fielen die Grabkammern ein, und auch durch Witterungseinflüsse verflachten sie. Wissenschaftlich ausgegraben ist noch keiner der Weilener Hügel. Es ist anzunehmen, das sie wie tausend andere schon von Grabräubern geplündert sind. Die Wissenschaftler aber könnten anhand von unscheinbaren Resten Aufschluss über Alter der Gegenstände und die Kultur der Kelten geben. Von den Häusern dieses Volkes ist nichts erhalten geblieben, da sie aus Holz errichtet waren. Die Siedlungen müssen in der Nähe der Grabhügel gelegen haben. Der Ort Weilen bestand damals aber sicher noch nicht. Die Zeit um 500 vor Christus brachte einen Wechsel der Verhältnisse. Man nenn die folgenden Jahrhunderte nach dem berühmten Fundort in der Schweiz, Latène am Neuenburger See, Latènezeit oder Späteisenzeit (etwa 500 vor Christus bis 1. Jahrhundert nach Christus). In der Hauptmulde des Plettenbergs konnten Siedlungsspuren aus dieser Zeit festgestellt werden. Die Grundrisse von 3 ovalen Hütten wurden 1923 auf der Nordterasse der Lochen, die seit der Jungsteinzeit immer wieder besiedelt war, nachgewiesen. Die Kelten lernten durch ihren regen Handel mit den südeuropäischen Völkern den Gebrauch der Töpferscheibe und des Geldes kennen und ahmten die Herstellung griechischer Münzen in primitiver Weise nach. Der Volksmund bezeichnet diese als Regenbogenschüsselchen; in unserer Nähe sind je eine keltische Münze bei Hossingen und Balingen und 2 Stück bei Schömberg gefunden worden. Die Befestigungsanlage auf dem Gräbelesberg, die mehrere Umbauten aufweist, dürfte wohl teilweisen noch in der Späteisenzeit weiter aufgebaut worden sein. Nach dem Jahre 75 nach Christus eroberten die Römer unsere Heimat und unterwarfen sich die keltische Bevölkerung.
1.3 Von der Römerstraße kommt der Zusatz Rinnen
Die Römer errichteten Wachtürme und Gutshöfe in den eroberten Gebieten. Vielleicht lag auch auf der späteren Markung Weilen eine römische Villa. Dr. Albrecht Aich will am Fuß des Wochenbergs römische Scherben gefunden haben. In den Jahren 1880 bis fast 1900 stieß man beim Graben und Ausbessern der alten Wasserleitung, die unter dem Gewand Holz in forchenen Deicheln oder auch aus Eichenholz gefasst und ins Dorf in die Brunnen, besonders in den Blotzbrunnen, geleitet wurden, auf ganz alte Holzdeicheln, welche ihrem Zerfall nach schon viele hundert Jahre in der Erde lagen. Eigenartigerweise verlief diese alte Wasserleitung nicht gegen das jetzige Dorf hinab, sondern in Richtung Nonnenwiesen. Es könnte aber auch der Fall sein, dass sie zu einem ehemaligen Hof (Hochstetts und Hinterwiesen, siehe Seite 24) hingeführt haben. Nach dem Zeugnis alter Leute soll man beim Bearbeiten der Felder hie und da Ziegelreste gefunden haben. Mit großer Wahrscheinlichkeit verlief über unsere Markung die große Römerstraße, die Straßburg und Rottweil (lateinisch Arae Flaviae) mit der römischen Provinz Rätien verband. Sie führet über Eppendorf an Irslingen vorbei zur Wegkreuzung bei Mariä Hochheim; ein Stück bildete die nachmalige Römerstraße nach Rottenburg. Östlich von Gößlingen führte unsere Straße durch das Schwarzenbachtal nach Zimmern und – wie der Forscher Friederich Hertlein schreibt – „irgendwie an Schömberg und Weilen vorbei zu Höhe bei Deilingen. In der Tat führt von der Ottilienkapelle ein uralter Weg auf die Höhe bei Deilingen. Beim Kartenpunkt 808,1 in der Flur Rennen hater eine kurze, alte Steige. Dieses Wegstück führt durch weiche Keuper- und Juraschichten, so dass begreiflich ist, warum der Weg verschwunden ist Aber die Flurnamen Rennen und Rennenwiesen beweisen, dass bis ins Mittealter hinein diese Renne benützt wurde. Der ganze Verkehr aus dem Schömberger Gebiet zum Oberhohenberg ging über diesen Weg. Er hieß immer Renne; erst in späterer Zeit machte man daraus inne (siehe Seite 36), und deshalb hat Weilen den Ortsnamenzusatz „unter den Rinnen“. Die römische Rennenstraße führte über Delkhofen bis Bäratal und mündete bei Tuttlingen in die römische Hauptstraße. Dr. Albert Aich hat sie bei Delkhofen, westlich der jetzigen Straße nach Wehingen, tief verschüttet angetroffen; sie hatte eine Brite von 3,2 m. Als die Alamannen die Römer aus dem Land hinauswarfen, benützten sie den Rennenweg weiter. Sie gründeten die auf –ingen endenden Orte wie Deilingen und Schörzingen.
1.4 Einstige Besitzungen des Klosters Sankt Gallen
Bei ihrem Ausdehnungsdrang stießen die Alemannen mit den Fanken zusammen, von denen sie schließlich unterjocht wurden. Die Gaue verwalteten dann Gaugrafen, die der Frankenkönig einsetzte. Unsere Gegend gehörte zur Bertholdsbaar; noch heute heißt die Gegend um Trossingen und Donaueschingen Baar. Unter der fränkischen Besetzung wurde hier das Christentum eingeführt. Irische Glaubensboten hatten die Klöster Sankt Gallen und Reichenau gegründet. Der letzte alemannische Herzog Lantfried, gestorben ums Jahr 730, erließ ein Gesetz, aus dem zu ersehen ist, dass ein Großteil des Volkes noch Heiden waren. Aber nachdem Karlmann Anno 746 den geladenen alemannischen Adel auf dem Cannstatter Wasen hinterlistig gefangen nehmen und hinrichten ließ, leistete das Alamannenvolk kaum noch politischen und religiösen Widerstand. Kurze Zeit später finden wir das Kloster Sankt Gallen in der Schweiz als Grundstücksbesitzer in unserer Gegend und auf unserer Markung. Es war vom heiligen Gallus gegründet worden, der schon 646 gestorben ist. Durch Schenkungen erlangte das Kloster Sankt Gallen in den meisten Orten der näheren und weiteren Umgebung Besitzrechte. So schenkte ihm 785 ein Bürger namens Anshelm aus dem jetzt verschwundenen Ort Holzheim seine Güter in Lachen und Hermannshefte (beide auf Markung Weilen). Auf diese Schenkung komme ich im nächsten Kapitel noch zu sprechen. Ein Bürger aus Egesheim mit Namen Gundacher schenkte im Jahre 770 alles, was er in Egesheim besaß, an das Kloster Sankt Gallen, ausgenommen 2 Leibeigene. Im Jahre 785 vermachen Anshelm Richpert und seine Gemahlin Kabasinde aus Schörzingen ebenfalls Schenkungen an das Kloster in der Schweiz. Graf Gerold, der Schwager Karls des Großen, stiftete ihm 786 Güter in Deilingen. In Reichenbach erfolgte eine Schenkung im Jahr 793, ebenso in Wehingen. Der Grund für diese und viele andere Schenkungen dürfte darin zu suchen sein, dass die Pastorisierung und Christianisierung von diesem Kloster aus erfolgte. An dieser Stelle muss noch ausdrücklich vermerkt werden, dass sich eine Sankt-Galler Urkunde von 838 nicht auf Weilen – wie es bisher hieß -, sondern auf Weilheim unter der Lochen (heute Weilstetten) bezieht. Damals schenkte ein Herr namens Pabo seinen Besitz in Wilon an das Schweizer Kloster; da Weilheim noch 1318 Wilon genannt wird, kommt Weilen für die Nennung von 838 nicht in Frage. Unsere urkundliche Ersterwähnung, ja auch die Gründung unseres Dorfes, ist wesentlich jünger.
1.5 Die Wüstungen Hofstett, Holzheim und Lachen
Infolge der geschützten Lage, von Bergen ringsumgeben, welche die Stürme und rauen Winde abhalten, ist anzunehmen, dass unser Heimattal schon früh besiedelt wurde. Wenn auch vor dem Jahre 1275 Weilen nicht urkundlich nachgewiesen werden kann, so darf mit Sicherheit angenommen werden, dass schon vor dem Jahre 900 eine kleinere Siedlung von einigen Häusern auf der hinteren Wiese und der angrenzenden Flur Hofstett bestanden hat. Der Flurname Hofstett oder Hochstetts beweist, dass dort früher einmal Häuser standen. Außerdem wurden auf der Hinteren Wiese, besonders hinter dem Gebäude Nr. 73 (Alfred Seifriz), bei Drainagearbeiten nach dem Ersten Weltkrieg beim Graben Brandschutt, Ziegelreste und Steine zutage gefördert, weshalb angenommen werden kann, dass dort früher einige Gebäude standen, die durch Brand vernichtet wurden. Wann, wie und durch wen diese Siedlung zerstört wurde, konnte noch nicht festgestellt werden. Im Jahre 785 hat ein Bürger Anshelm aus dem jetzt verschwun-denen Ort Holzheim eine Anzahl Wiesen und Äcker in Altheim (Ur-Schömberg) und Holzheim, sowie seinen Wald in Lachen („Lahha“) dem Kloster Sankt Gallen in der <Schweiz geschenkt. Das Dorf Holzheim („Holzaim“) lag in der Nähe des Sägewerkes Besenfelder und nördlich davon bei der Schlichem. Westlich vom Schömberger Stausee gibt es noch einen Wald Holzinger Berg. Die Schenkungsurkunde wurde übrigens in Schörzingen ausgestellt. Eine weitere Siedlung auf dem Manngut (Hermannshefte) hat Dr. Hans Jänichen festgestellt. Dazu gehört der Schömberger Brand und aller Wahrscheinlichkeit nach auch die Tannwiese, die im Withau lag und heute mit Wald aufgeforstet ist. Der Schömberger Brand wird in früheren Jahren auch als „Hermannshefte“ aufgeführt. Der Withau gehörte damals wohl auch ganz zu Holzheim. Nach der Stadtgründung von Schömberg (1250) sind wohl die meisten Bürger von Holzheim nach Schömberg übergesiedelt und nur wenige von Hermannshefte nach Weilen. Verschiedene alte Leute von hier, die in den Jahren 1840 bis 1870 geboren waren, haben oft erzählt, dass der Withau früher zum größten Teil zu Weilen gehört habe und dass die Schömberger den Withau den Weilenern weggenommen hätten. Wegen dieses Raubes sei es dann zu einem Prozess vor dem Landgrafen gekommen. Dieser habe eine Ver-handlung an Ort und Stelle angeordnet, zu der die Ältesten von Weilen und Schömberg im Withau ihre Angaben machen mussten. Jede Partei erklärte, dass das betreffende Stück Wald im Withau ihr Eigentum wäre.
Ottilienkapelle Radierung von August Blepp
Zuletzt brachte der Schultheiß von Schömberg 2 Zeugen die folgendes beschworen: „Wir sind zwei alte Männer und beschwören, der Boden, auf dem wir stehen, hat immer der Stadt Schömberg gehört, so wahr der Schöpfer über uns ist.“ Nun hatten aber die beiden Schlauberger in ihre Schuhe aus ihren Schömberger Gärten Boden getan und in ihre Hüte einen Schöpflöffel genäht, um nicht falsch zu schwören. Der strittige Waldteil wurde nun den Schömbergern ganz zugesprochen. Aber von den beiden Falschschwörern wurde der eine später vom Blitz getötet und der andere im Withau von einer Tanne erschlagen. Wenn auch solche alten Überlieferungen nicht immer ganz genau stimmen, so ist in ihrem Kern meistens etwas Wahrheit. Die Siedlung im Lachen (Lah = Grenze) dürfte nach der Urkunde von 785 in den darauf folgenden Jahren entstanden sein. Zur Lachensiedlung gehörte außer dem heutigen Teil der Markung Weilen auch ein Teil in Ratshausen. Die Siedlung im Lachen dürfte im Hochmittelalter wieder eingegangen sein. Dass unsere Flur Lachen schon vor bald 1200 Jahren in einer Sankt-Galler Urkunde vorkommt, beweist – worauf Heinz Erich Walter hinweist – der Flurname Gallenwiesle unterhalb des Heidenschlößles. Hier wird das Kloster Sankt Gallen in der Schweiz jahrhundertelang Besitz gehabt haben. Zum Lachen gehörte wohl die Siedlung Armweiler, und dieser Name dürfte für all diese verschwundenen Höfe gegolten haben. Noch heute gibt es die Gewandnamen Armweileresch und Armweiler. Der arme Weiler dürfte in Folge Armut eingegangen sein, und sei Gebiet wurde zwischen Ratshausen und Weilen aufgeteilt. Am Mittelbachgraben soll eine kleine Mühle gestanden haben. Eine Stelle dort heißt heute noch Wiehrle (Wuhr = Wasserdamm). Das Wasser wurde bei niederem Wasserstand gestaut, weil zum Mahlen des Getreides die laufende Wassermenge nicht ausreichte. Ein Gebäude, das zu Lachen-Armweile zählte, steht heute noch; die Ottilienkapelle, früher Marienkapelle oder „Kapelle zu unserer Lieben Frau“ genannt. Siedlung und Kirchlein lagen günstig an der alten Straße, welche von Dotternhausen über den Palmbühl durch den Wald Honau an Kapelle und Siedlung vorbeiführte und über Eck und Heidenschlößle nach Deilingen ging. Die Kapelle selbst steht auf einem kel-tischen Grabhügel (siehe Seite 20). Nicht weit davon im Wald Honau liegt gleichfalls ein solcher Grabhügel, welcher einwandfrei zu erkennen ist. Über die Kapelle selbst werde ich in einem besonderen Abschnitt (siehe Seite 136) berichten.
1.6 Welche Bedeutung hatte das Heidenschlößle ?
Wer den Weg am Wolfbühl benützt, um in die einsame Schlucht im Gallenwiesle und ins Tal zu gelangen, der gewahrt, ehe er in den Wald eingetreten ist, ein heute nicht mehr viel benütztes Fußweglein, welches bergauf der ehemaligen Ziegelhütte zu führt. Folgt man diesem Fußweg, der in seinem letzten Drittel ziemlich steil bergauf geht, so gelangt man oben auf einen vorgeschobenen Bergkegel. Auf diesem Hügel verläuft die Markungs-grenze zwischen Deilingen und Weilen. Es fällt einem sofort auf, dass hier der Bergkegel oder die Bergnase, die auf 3 Seiten steil abfällt, gegen die südlich gelegene Hochebene durch 2 breite Gräben getrennt ist. Bei diesen Vertiefungen handelt es sich um Halsgräben – um Überreste einer früheren Befestigung. Im Laufe der Jahrhunderte sind vielleicht größere Teile der Befestigungsanlagen abgerutscht. Diesen Platz nennt der Volksmund das Heidenschlößle, und die Wälder und Grundstücke in dieser Gegend heißen Im Burgstall, das bedeutet abgegangene Burg. Das Heidenschlößle war seiner Anlage nach keine wichtige Festung. Der größte Durchmesser des hinteren Hofes betrug 18 m, des vorderen Hofes
Grundriss der kleinen mittelalterlichen Feste im heidenschlößle-Wald: Die eigentliche Burg erhob sich im Hinterhof und war mit der Vorder- burg durch eine Zugbrücke verbunden. Ein zweiter Graben trente den vorderen Hof vom Bergrücken.
7 m. Beide Höfe sind durch zwei künstliche Gräben abgeteilt, die heute zwischen 2 und 3 m breit sind. Von Mauern ist jetzt nichts mehr zu sehen. Von wem mag diese Burg erbaut worden sein ? Es ist schon vermutet worden, das Heidenschlößle sei von den Römern errichtet worden, weil an dieser Feste vorbei der alte Römerweg von Deilingen zur Ottilienkapelle und durch den Honauwald über den Palmbühl nach Dotternhausen führt (vgl. Seite 22). In den 70er Jahren des letzten Jahrhunderts hat der damalige Waldschütz Anton Weinmann ein altes Schwert gefunden, das schon ganz verrostet war. Ein Lehrer der hiesigen Volksschule hat es ihm abgekauft. Zwischen 1895 und 1898 hat der Jäger Josef Weinmann (Balzenbub) unterhalb des Heidenschlößles ein Schloss mit Arm-zwingen und dem Stück einer Kette gefunden. Solche Armzwingen wurden früher benützt, um die Gefangenen in Eisen zu legen. Dieses Fundstück nebst einigen angeblich römischen Münzen hat der damalige Lehrer Andreas Hutt in seinen Besitz gebracht. Leider sind alle diese Funde verschollen und von Wissenschaftlern nicht untersucht worden. Deshalb ist höchst ungewiss, dass sich auf dem Heidenschlößle eine römische Befestigung befand. Für ein Kastell ist der 9 x 18 m große Platz zu klein, und Wachtürme waren anders angelegt. Das Heidenschlößle ist eher im Frühmittelalter errichtet worden. Dr. Hans Jänichen meint, dass es sich um eine unbedeutende Ministerialenburg des Hochmittelalters handle. Die Urkunden jener Zeit nennen unsere Burg nicht. Das Heidenschlößle gehört sicher zu der Siedlung Lachen-Armweiler, von der als letzter Zeuge die Ottilienkapelle noch steht. Der Lachenwald wird – wie bereits erwähnt – urkundlich schon 785 genannt, und eine Flur unterhalb der Burg heiß heute noch Gallenwiesle. Deshalb ist anzunehmen, dass auf dem Heidenschlößle der Adel saß, der im Auftrag des Klosters Sankt Gallen dessen Besitz verwaltete. So war in Oberdigisheim der Ortsadel sanktgallischer Lehensträger. Welches Rittergeschlecht aber auf dem Heidenschlößle saß, wissen wir nicht. Als nach 1200 der Ort Weilen gegründet wurde – wir kommen noch darauf zu sprechen - und die alte Rennenstrasse ihre Bedeutung verlor, wurde die kleine Burg aufgegeben. Ein Grund war wohl auch die Erbauung der Burg Oberhohenberg nach dem Jahre 1100. Der Abbruch des Heidenschlößles erfolgte so gründlich, daß man auf der Oberfläche keinen einzigen Mauerstein mehr findet. Eine wissenschaftliche Grabung könnte mehr Klarheit bringen.
Die beiden ersten Grafen von Hohenberg – Burkhard I. von Hohenberg und sein Bruder Friedrich – nannten sich Grafen von Zollern und Hohenberg, später nur noch Grafen von Hohenberg. Rottenburg war im 12. Jahrhundert, Haigerloch anfangs des 13. Jahrhunderts in den Händen der Grafen von Hohenberg. Hier erbauten sie feste Schlösser, die heute noch bestehen. Ebingen war Ende des 13. Jahrhunderts, Binsdorf anfangs des 14. Jahrhunderts im Besitz der Hohenberger. Die größte Blüte erreichte die Grafschaft Hohenberg in den Jahren 1240 bis 1350. An der Spitze standen Männer, die durch Kriegstaten und Tapferkeit berühmt waren, aber auch beliebt durch Tugend und Rechtschaffenheit. Der bekannteste Hohenberger Graf war Albert II., schon zu Lebzeiten „der Große“ genannt. Seine Schwester Anna war die Gemahlin Königs Rudolf von Habsburg, des Gründers des Habsburger (österreichischen) Kaiserreichs. Graf Albert II. und sei Bruder Burkhard IV. teilten die Grafschaft Hohenberg unter sich auf. Der Neckar bildete ungefähr die Scheidelinie. Albert, dem älteren, fiel vorzugsweise die vom Reich zu Lehen gegebene Grafschaft Hohenberg rechts vom Neckar mit den Stammsitzen Hohenberg, Haigerloch, Rottenburg und den dazugehörigen Gebieten, Burgen, Städten und Dörfern zu. Burkhard erhielt nichtreichs-lehenbare, teils erheiratete Herrschaften, meist links des Neckars; unter anderen die Herrschaften Wildberg, Altensteig und Bulach mit den dazugehörenden Gebieten. Zur Burg Oberhohenberg im engeren Kreis gehörte auch das Städtlein Hohenberg am westlichen Fuß der Burg. Es war eine Siedlung von Soldaten, Handwerkern, Handelsleuten und Bauern, welche die herrschaftlichen Felder bebauten, soweit dies nicht von den Bauern der umliegenden Dörfer in Fronarbeit geschah. Die Ausdehnung des ehemaligen Städtchens Hohenberg ließ sich bei Ausgrabungen, die 1913 unter Aufsicht von Fachgelehrten durchgeführt wurden, ermitteln. Der Grundriss ist heute noch zu erkennen. Die Stadtmauer war 175 m lang, etwa 90 m breit und 1,80 m stark. Mitten durch das Städtlein ging eine Straße, die durch 2 Tore abgeschlossen werden konnte. Ein Meierhof stand etwa 170 m nordwestlich des Städtchens.Er ist am 8. September 1899 abgebrannt. Die Nikolauskapelle wurde 1815 wegen Baufälligkeit abgebrochen. Das Schafhaus, das ganz in der Nähe des Städtchens lag, dürfte erst nach der Zerstörung der Burg entstanden sein; es wurde 1921 von der Gemeinde Schörzingen abgebrochen. Vom Meierhof kann man heute noch Überreste sehen. Außer dem Städtlein Hohenberg gehörten zur oberen Grafschaft Hohenberg die Dörfer Deilingen, Delkhofen, Schörzingen, Weilen unter den Rinnen, Ratshausen und Bubsheim. Im weiteren Sinne gehörten noch dazu: Friedingen, Spaichingen, Schömberg, Binsdorf, Strassberg, Ebingen und Stetten am kalten Markt sowie die Burgsitze Wehingen mit den Dörfern Wehingen, Gosheim, Egesheim, Reichenbach, die Neckarburg bei Rottweil mit einigen Dörfern, darunter Dietingen. Weiter wurden zu Hohenberg gezählt: die Burg Kallenberg mit den Orten Obernheim, Dormettingen, Erlaheim und Bronnhaupten sowie die ehemalige Stadt Nusplingen und Igelswies, Buchheim bei Kallenberg, Irrendorf, Hausen im Tal, Nendingen, Truchtelfingen, Kaiseringen, Winterlingen, Meßstetten, Hossingen, Tieringen, Winzeln (abgegangenes Dorf oberhalb Hausen am Tann unterhalb der ehemaligen Burg Wenzelstein), Hausen am Tann, die hälfte von Dürrwangen, Dotternhausen, Täbingen, Dautmergen, Bösingen, Villingendorf, Vaihingen Hof, Suntheim (Sonthof), Zepfenhan, Feckenhausen, Wellendingen, Neufra, Denkingen, Aixheim, Balgheim, Schura, Dürbheim, Anhausen (abgegangenes Dorf). Verwaltet wurden diese Dörfer jeweils von einem Ritter oder Ortsadeligen. Zur Grafschaft Hohenberg zählten auch die Burgen Berne, Wildeck, Tierberg, Lichtenstein im Fehlatal, Wildenstein und Falkenstein im Donautal. Auch die Burg Neuhewen bei Engen gehörte dazu samt dem Städtchen Engen sowie ungefähr 10 Dörfer in der dortigen Gegend. Nördlich lag das Gebiet der Städte Binsdorf und Haigerlochmit etwa 20 Dörfern teils ganz, teils mit Rechten und Nutzungen von Hohenberg. Zur unteren Grafschaft zählten Horb mit etwa 15 Dörfern, Rottenburg, Schramberg und Oberndorf mit vielen Dörfern und Burgen. Auf den Fildern gehörte ein Teil der Grafschaft Körtsch dazu. Rottenburg war später der Hauptsitz der Hohenberger Grafen schon wegen des milderen Klimas und der Bequemlichkeit, die auf der Burg Oberhohenberg nicht vorhanden war. Der geneigte Leser wird denken, warum in dieser Chronik so viel über die Grafen und Grafschaft Hohenberg geschrieben wird. Der Grund ist folgender: Unser Dorf Weilen stand im Verlauf seiner Geschichte in einem ganz engen Verhältnis zur Grafschaft Hohenberg. Sehr wahrscheinlich ist es von den Grafen von Hohenberg gegründet worden wie auch das Dorf Ratshausen. Wir werden später noch hören, welche Verpflichtungen und Fronlasten gegenüber der Herrschaft die Weilener hatten. Die Schicksalsschläge, welche die Hohenberger trafen, bekam auch Weilen zu spüren.
2.2 Die Geschichte der Grafen von Oberhohenberg
Die ganze Gegend hat heute noch von der ehemaligen Grafschaft Hohenberg ihren Namen. Mundartlich heißt sie „Hoiberg“, daraus wurde in falscher Deutung „Heuberg“. Im folgenden soll einiges aus der Ge-schichte der Grafen von Hohenberg wiedergegeben werden. Wie bereits berichtet, waren die Zollern und Hohenberger eng miteinander verwandt. Burkhard III. von Zollern erscheint auch als Burkhard I. von Hohenberg. Er kommt in Urkunden vor in den Jahren: 1170, 1179, 1192, 1193, 1190, 1185 und 1188. An den Kreuzzügen ins Heilige Land nahm auch er teil und zeichnete sich in verschiedenen Gefechten und Schlachten aus, besonders in der mörderischen Schlacht bei Iconium am 18.Mai 1190, wo er die Reichsfahne vorantrug. Das Gedicht eines Zeitgenossen, Johannes von Würzburg, berichtete über diese Begebenheit in Altdeutsch:
Der den vanen fürt, kein Laster in berürt, von rottenburg grav Czoller, noch ist er unbenennet, sein Geschlecht man nennet von Hohenberg – von Heygerloch.
Über die folgenden Grafen ist nichts besonderes zu berichten, bis auf Burkhard III. In Urkunden ist er 1237 und 1253 genannt. Auf einem Ritt über Land bei Deckenpfronn im Kreis Calw wurde er von einem Gewitter überrascht und vom Blitz erschlagen. Er ruht im ehemaligen Kloster Kirchberg. Von seinen 3 Söhnen ragte besonders einer hervor: Graf Albert II. Schon zu seiner Lebenszeit wurde er „der Große“ genannt; er war auch Minnesänger, Staatsmann und Diplomat. Sein persönlicher Mut und seine Tapferkeit sowie seine Kriegserfahrung waren bekannt im ganzen Reich. Er wurde von seinem Schwager, König Rudolf von Habsburg, zum Landvogt von ganz Schwaben bestellt und verwaltete dieses Amt in hervorragender Weise. Rudolf von Habsburg hatte 1249 auf dem Oberhohenberg um die Hand der Gräfin Gertrud angehalten, und über Weihnachten/Neujahr 1286 weilte er ebenfalls auf der Burg. Nach dem Tod von König Rudolf von Habsburg wollten einige deutsche Fürsten Otto von Bayern als Gegenkönig gegen Herzog Albrecht von Österreich aufstellen. Herzog Albrecht war der Sohn und Thronfolger des verstorbenen deutschen Königs, also ein Neffe unseres Grafen Albert II. von Hohenberg. Wegen der Aufstellung eines Gegenkönigs kam es zum Krieg. Albert II. wollte seinem Neffen zu Hilfe eilen und berief seine Ritter und Lehensleute zu diesem Kampf. Nur ein kleiner Teil leistete dem Aufgebot Folge. In der Not kamen dem Grafen Albert II. seine Bauern zu Hilfe und stellten sich als Kampf-gefährten zur Verfügung. Doch das kleine Heer geriet durch Verrat in einen Hinterhalt. Der Herzog von Bayern hatte durch einen Spion erfahren, welchen Weg Albert II. nehmen würde. Otto von Bayern überfiel den Grafen Albert am 17. April 1298 in seiner eigenen Grafschaft bei Leinstetten im Glatt-Tal. Die meisten Ritter ließen den Grafen im Stich und flohen. Die Bauern waren im Kampf ungeübt, daher vermochten sie nichts auszurichten und wurden besiegt. Graf Albert II. kämpfte wie ein Löwe. Doch von vielen Wunden geschwächt, wurde er schließlich tödlich getroffen und stürzte vom Pferd. Seine Leiche war bedeckt mit Bauern seiner Grafschaft; sie wollte ihren Herrn mit ihren Leibern schützen. Es sollen 300 Bauern in diesem Kampf gefallen sein. Der Wohnsitz des Grafen Albert II. war meist Rottenburg. Dagegen hatte sein Bruder Ulrich seinen Sitz auf der Burg Oberhohenberg. Er war 1281 bereits tot und hinterließ nur eine Tochter mit Namen Agnes; diese vermählte sich mit dem Markgrafen von Hachberg (siehe Seite 37). Albert II. hatte 3 Söhne und 7 Töchter. Der Sohn Albert IV. war Pfarrektor in Bondorf und ist 1317 gestorben. Sein Bruder, Rudolf I. von Hohenberg, war gewalttätig, besonders bei der Wahl seines Sohnes Albrecht V. zum Bischof von Konstanz. Dieser hatte in Paris Theologie studiert und zeichnete sich durch Wissen und Könne aus. Er hatte an der Hochschule in Paris selbst Vorlesungen gehalten. Als er Domherr in Konstanz war und Bischof Rudolf von Konstanz starb, wählte ein Teil der Domherren den Grafen und Domherren Albert V. zum Bischof. Ein großer Teil der Stimmen fiel auf den Stiftsdekan Nikolaus von Kenzingen; somit setzte Papst Johann XXII. Diesen als Bischof von Konstanz ein. Albrecht V. widersetzte sich der Wahl. Er wurde von seinem Vater Rudolf bestärkt. Diese sagte dem neuen Bischof samt dem Domkapitel Krieg an und belagerte den Bischof Nikolaus in Meersburg. Allein der Wasserweg brachte den Belagerten immer wieder neue Truppen und Lebensmittel. Albrecht V. wurde später noch Bischof von Freising in Bayern und starb dort 1359. Ein weiterer Sohn Rudolfs I., Graf Heinrich IV., wurde am 12. Mai 1352 bei Ilanz im Kanton Graubünden mit mehr als 30 Rittern seiner Grafschaft erschlagen. Er focht gerade eine Fehde mit dem Ritter Ulrich von Belamont aus. Bei dieser Schlacht kämpfte auch ein Ritter von Nusplingen mit.
2.3 Weilen – der Weiler der Burg Oberhohenberg ?
In der Pfarrchronik von Weilen, die im Jahr 1683 angelegt wurde, steht folgende Sage verzeichnet: Einige fromme Frauen hatten sich zusammen-gefunden und wollten ein Kloster errichten, um zurückgezogen von der Welt sich dem Dienste Gottes widmen zu können. Auf der Suche nach einem geeigneten Platz für Ihr Klösterlein kamen sie auch in die hiesige Gegend. Es soll den Nonnen hier so gut gefallen haben, daß sie ausriefen: „Hier wollen wir weilen!“ Seit damals heiße der Ort Weilen. Diese Sage ist allgemein verbreitet. Noch heute heißt ein Eschteil oberhalb des Lauhgrabens „Nonnenwiesen“. Dieses Gelände mit etwa 4-6 Morgen besteht aus mehreren Parzellen. Man hat hier Ende des letzten Jahrhunderts Ziegel gefunden (siehe Seite 22). Sehr wahrscheinlich stand hier eine römische Villa, aber sicher kein Kloster. Diese Wiesen haben sehr wahrscheinlich dem Kloster Rottenmünster gehört. Die jetzige Dorfanlage von Weilen dürfte um 1270 entstanden sein und ist wie Ratshausen eine Gründung der Grafen von Hohenberg. Die Stadt Schömberg ist um 1255 gegründet worden, vermutlich von den Grafen von Zollern. In der Zeit von 1200 bis 1300 wurde das obere Schlichemtal besiedelt. Damit soll nicht besagt sein, daß vorher keine Kleinsiedlungen und Höfe hier standen. Eine ältere Siedlung lag auf den Fluren Hochstetts und Hintere Wiesen (siehe Seite 24). Dies beweisen der frühere Weiher auf der Hinteren Wiese sowie die Tatsache, daß bei Grabarbeiten (Drainage und Baumsetzen) auf der Hinteren Wiese alter Brandschutt und Ziegelreste zum Vorschein kamen. Wie aber kam es zur Gründung des Dorfes Weilen? Darüber schreiben Prof. Dr. Karl-Heinz Schröder und Dr. Hans Jänichen: „Auf Grund der urkundlichen und sonstigen schriftlichen Überlieferung kann geschlossen werden, daß der Kern des Dorfes Weilen erst im Hochmittelalter, etwa um 1270, entstanden ist.“ Unter den 4 strahlenförmig vom Ortskern ausgehenden Straßen zeigt die nach Südwesten führende, das Oberdorf, am stärksten bäuerliches Gepräge, wie denn auch nach der Überlieferung hier die größten Bauern – die stattlichen Einhäuser bestätigen es – ihren Sitz hatten. Dieser Befund, der Name Hofstett des anschliessenden Gewands, die Nachbarschaft der Kirche und südlich von ihr die etwas unregelmäßige, vielleicht durch frühere Gehöftanlagen bedingte Gebäudestellung, besonders bei Nr. 54, 55 und 56, führen zu dem Schluss, daß es sich hier um den ältesten Siedlungsteil handelt. Allem Anschein nach gehörten dazu auch noch die ebenfalls recht ansehlichen und etwas willkürlich gestellten Höfe östlich der Kirche bis zum Gebäude Nr. 44 und 38. Auch in der Stellestraße dürften etwa 5 bis 6 der älteren Häuser gestanden haben; sie sind zum Teil in den letzten Jahren abgebrochen worden. Auch die Gebäude Nr. 19, 21 und 22 zählen zu den ältesten Häusern Weilens. Wie in der Straßen- und Häuserordnung tritt auch in der Form der Grundstücke um diesen alten Siedlungskern eine gewisse Regel-mäßigkeit hervor. Die nähere Betrachtung des Parzellenverlaufs lässt nämlich erkennen, dass die Nutzfläche hinter den Häuserreihen früher in eine Anzahl von parallelen Rechtecken zerlegt war, die mit der einen Schmalseite und der dazugehörenden Hofstatt an der Straße ansetzten und mit der anderen in den Gewanden der freien Feldflur endeten. Die Länge dieser Parzellen beträgt zum Teil 130 bis 150 m und die Breite meistens 40 bis 55 m. Auf der Flurkarte lassen sich unter Einschluss der Kirchenparzellen wenigstens 6 solcher Streifen feststellen, hinter dem Pfarrhaus, hinter Gebäude Nr. 4, 5, 45 und 46. Dr. Hans Jänichen nimmt nun an, dass Weilen systematisch von dem Adel in Oberhohenberg angelegt wurde. Am Osthang der Burg lag nämlich eine Bauernsiedlung namens Weiler, die vor 1300 aufgelöst wurde, vermutlich weil die Grafen von Hohenberg um 1270 das Städtlein Hohenberg gründeten. Im Städtlein wollten sie nur Handwerker und Handelsleute haben. Wo haben sie die Bauern von Weiler angesiedelt? Dr. Hans Jänichen schließt aus guten Gründen: im heutigen Weilen unter den Rinnen. Denn unser Ort wurde während des Mittelalters „Wiler under Hohenberg“ genannt. Dabei paßt diese Bezeichnung eher für den abgegangenen Burgweiler. Die für Weilen beschwer-iche Fronpflicht (siehe Seite 47) lässt sich leicht erklären, wenn man an- nimmt, dass sie zuerst auf den Einwohnern der früheren Siedlung lag. Auch die lästige Einbannung der Weilener in die Delkhofer Mühle hat nach Ansicht Dr. Hans Jänichens ursprünglich für den Burgweiler gegolten. Weilen hieß bis um 1600 beinahe immer Wiler oder Weiler.
2.4 Die Herrschaft Oberhohenberg wird österreichisch
Weilen ist als größere Siedlung geplant gewesen. Mit der Gründung des Ortes wurden die früheren Höfe auf den Fluren Hofstett, Hintere Wiesen und Amweileresch aufgegeben. Vielleicht zogen auch Einwohner von Holzheim nach Weilen. Die Bedeutung des neu gegründeten Ortes wurde auch dadurch herausgestellt, dass er eine eigene Pfarrkirche erhielt. Wie Heinz Erich Walter entdeckte, wird der Ort Weilen urkundlich zum ersten mal 1275 als Wiler erwähnt, und zwar in einem Kirchensteuerverzeichnis des Bistum Konstanz. Im Jahre 1975 wird Weilen also sein 700jähriges Bestehen feiern können. Aus der Ersterwähnung geht her-vor, dass die Pfründe des Leutpriesters kärglich war. Auch 1353 wird die Pfarrei erwähnt. 1437 ist nur noch von einer Kaplanei Sankt Nikolaus in Wiler unter Hohenberg die Rede, und 1491 wird eine Sankt-Peters-Pfründe in Wyler bei Schömberg genant. Erst Ende des Mittelalters kam der Name Weilen auf. Die alte Zusatzbezeichnung „unter der Renne“ war bis 1890/1900 gebräuchlich. Dann wurde sie in Weilen unter den Rinnen verunstaltet. Viele Forscher meinen, dass die Bezeichnung Renne oder Rinne keltischen Ursprungs sei. In dem Büchlein „Frühgeschichtliche Studien und Namen am oberen Neckar“ heißt es aber: „In der jüngeren Steinzeit und Bronzezeit, also um 3000 bis etwa 800 vor Christus, als die Täler unserer Heimat noch nicht oder ganz schwach besiedelt waren, gab es in den mit Wald und beinahe undurchdringlichem Unterholz bestandenen Täler wenige gangbare Wege. Dagegen waren die Höhenzüge der Alb und deren viele Höhlen zum Teil schon bewohnt. Die Höhenzüge der Ab wurden, weil sie meist baum- und strauchlos waren, schon damals als Wege benützt. Es entstanden die Reitwege oder nach altdeutschem Sprachgebrauch Rennen genannt.“ Ein solcher Reitweg oder Renne führte am Burgstall vorbei (siehe Seite 28). Besitz in Weilen hatte das Kloster Rottenmünster: Anno 1290 schenkte ihm Konrad von Konzenberg eine Gült in Wiler. Die Schenkungs-urkunde wurde früher auf Weilheim bei Tuttlingen bezogen. Erst die neueren Forschungen haben ergeben, dass Weilheim nicht damit gemeint sein konnte, weil das Kloster Rottenmünster dort keinen Besitz hatte, wohl aber in Weilen unter den Rinnen. Im Zinsrodel von Rotten-münster wird im Jahr 1327 „Wiler bei Schömberg“ genannt. 1353 verkaufte der Rottweiler Bürger Dietrich Kundeler seinen hiesigen Besitz an Konrad von Bubsheim und Benz Hansten (Henstein). Der letzte Graf von Hohenberg in unserem Gebiet, Graf Rudolf III., hatte keinen Sohn und nur eine Tochter Margarethe, die mit dem Mark-grafen Bernhard von Baden verlobt war. Er hatte der Tochter die Grafschaft als Erbe versprochen. Allein Rudolf soll von seiner Gemahlin Ida von Toggenburg und seine Tochter Margarethe schlecht behandelt worden sein. Als er seine Grafschaft am 26. Oktober 1381 an den Erzherzog Leopold von Österreich für 66 000 Gulden verkaufte, entstand Streit zwischen der Gemahlin und der Tochter Margarethe und auch mit dem Verlobten seiner Tochter, dem Markgrafen Bernhard von Baden. Dieser sagte Fehde an und unternahm mit seinen Kriegsleuten einen Raubzug in das hohenbergische Gebiet. Er hat unter Androhung der Niederbrennung der ganzen Ortschaften eine Abgabe als Brandschatzung von den einzelnen Gemeinden gefordert. Der Zeitgenosse Burkhard von Mannsberg hat hierüber folgendes aufgezeichnet: „Hier ist vermerkt von den Dörfern, die geschädigt wurden von dem Marktgrafen Bernhard von Baden in Hohenberger Gebiet: Item die von Wiler (Weilen) hand geben ze Brandschatzung L Gulden (50 Gulden Bargeld), XL = 40 Malter Haber (40 Maltersäcke), IIII lib. (4 Pfund Heller) und I barchatni tuch ze botten lon (1 Barchantuch als Botenlohn. Item die von husen (Hausen am Tann) hand geben ze Brandschatzung YV guldin IIII sch. (schilling) heler un XV malter habern. Die von Ralshausen (Ratshausen) Item Hermann Egen LXXX lib. (80 Pfund Heller) an hus an hof an Rindern und anderem fich und hö = und mengerlay andere ding. (Außer diesem Hermann Egen werden noch 9 andere Bewohner von Ratshausen aufgezählt, die gebrandschatzt wurden.) Item die von schertzingen (Schörzingen) gebent ze Brandschatzung LXIII (63) guldin und VIII (8) Pfund heller und 2 barchatni Tuch und 60 Maltern habern.“ Dann werden noch viele andere Orte mit ihren Brandschatzungsanteilen aufgeführt. Trotz dem Eingreifen des badischen Markgrafen kam Oberhohenberg an Österreich. Schon 1351 hatten die Herzöge von Österreich das Schloß in Wehingen und Güter bei Gosheim gekauft. Herzog Leopold selbst hatte 1375 die Herrschaft Haigerloch durch Pfandschaft erworben und damals sein Augenmerk auf die Erwerbung der ganzen Grafschaft Hohenberg gerichtet. In den letzten 30 Jahren, etwa von 1350 bis 1380, wurde Stück für Stück der einst so stolzen und mächtigen Grafschaft Hohenberg verpfändet und verkauft. 1381 ging dann die Grafschaft Hohenberg – wie bereits berichtet – an den Herzog Leopold von Österreich über. Damit kam auch Weilen unter den Rinnen zu Österreich, bei dem es bis zum 6. Januar 1806 blieb.
2.5 Zerstörung und Schicksal der Burg Oberhohenberg
In der Umgebung von Hohenberg existiert noch eine Sage über die Zerstörung der Feste Hohenberg, der ich schon im Ausgang der zwanziger Jahre nachgegangen bin, und zwar in Schörzingen, Deilingen Delkhofen und nicht zuletzt auch in Weilen. Ich habe wiederholt mit älteren Männern der aufgeführten Orte gesprochen, und alle haben so ziemlich die gleiche Geschichte erzählt. Nach dieser Überlieferung soll sich folgendes zugetragen haben: Die Rottweiler und ihre Verbündeten hätten die Feste Hohenberg nicht so schnell erobern können, wenn sie nicht durch Verrat in ihre Hände gefallen wäre. Die Feste Hohenberg war mit Waffen und Munition wohl und gut versehen. Auch besaß sie eine der damals vorhandenen besten Kanonen, die Hohenberger Liesel genannt; diese fiel den Rottweilern bei der Eroberung in die Hände. Der letzte Ritter von Hohenberg, Jost von Hornstein, sei ein Tyrann gewesen, er hätte die Leute geplagt, wo er nur konnte. Auch soll er den Mädchen und jungen Frauen nachgestellt haben. Als das Heer schon längere Zeit vor der Burg gelegen sei, ohne viel auszurichten, habe eine Magd, die in früheren Jahren mit einem Reisigen Ritter im Rottweiler Heer ein Liebesverhältnis gehabt habe, in einem Brief mitgeteilt, sie werde ihn nach Mitternacht an einem Seil über die Mauer hereinlassen. Der Ritter verständigte sofort seinen Hauptmann; dieser gab ihm einige waghalsige Kämpfer mit. An dem Seil, das die treulose Magd über die Mauern hinunterließ, kletterten die Rottweiler Krieger in die schlafende Burg, fielen über die Wachen am Tor her und schlugen sie nieder. Nachdem sie die Wache
Das Wappen der Grafen von Hohenberg Zeichnung von K. A. Koch
unschädlich gemacht hatten, öffneten sie das Tor und ließen die Fallbrücke hinab, so dass das in Bereitschaft stehende Städteheer in die Burg eindringen konnte. Auf das Geschrei der Überfallenen eilten Jost von Hornstein und sein Schwager Graf Hans von Rechberg sowie die wenigen Ritter herbei und versuchten den eingedrungenen Feind abzuwehren. Allein die Übermacht war zu groß, und die meisten fielen. Jost selbst wurde schwer verwundet und rettete sich mit Hilfe seines Schwagers, Schwager Graf Hans von Rechberg, und seiner Frau Anna von Rechberg mit ihren Kindern durch einen geheimen Gang vom Schlafgemach ins Freie, soll aber tags darauf seinen Wunden erlegen sein. In ihrer blinden Wut zerstörten die Städter die Burg vollständig. Was vom Mobiliar von Wert war, nahmen sie als Kriegsbeute mit, unter anderem das große Christusbild aus der Schlosskapelle. Dieses wurde dann in der Taufkapelle in Rottweil aufgestellt. Ferner nahmen sie die große Kanone, die Hohenberger Liesel, mit; sie ist jetzt im Zeughaus in Rottweil aufgestellt. Die meisten Überlebenden der Besatzung wurden die Steilhänge hinabge-worfen. Die am meisten gehassten wurden in leere Weinfässer gesperrt, in die große Nägel geschlagen wurden, und den Berg hinuntergerollt, so dass die Nägel die Körper der Unglücklichen zerfleischten. Was sagt nun die Geschichte zu der Volkssage? Im vorhergehenden Kapitel haben wir gehört, wie die einst so große und mächtige Grafschaft Oberhohenberg 1381 verkauft wurde. Graf Rudolf III. hatte sich aber als Leibgeding noch einige Schlösser als Wohnungen auf Lebenszeit vorbehalten. Sie waren nicht mehr sein Eigentum, sondern gehörten dem Käufer Herzog Leopold von Österreich. Da dieser nicht die ganze Kaufsumme aufbringen konnte, verpfändete er wieder Teile der Grafschaft an andere Fürsten, um dadurch Geld zu erhalten. So kam auch die Burg Oberhohenberg mit ihrem Gebiet im Verlaufe der nächsten Jahrzehnte in verschiedene Hände. Von der Gräfin Henriette von Württemberg-Mömpelgard, welche die Festen Hohenberg und Wehingen samt den dazugehörigen Teilen im Besitz hatte, löste Hans von Hornstein zu Schatzburg die Herrschaft Hohenberg ein. Er gelobte 1434 ge-genüber Herzog Friedrich von Österreich, die Herrschaft Hohenberg stets offen zu halten und ihnen eine Auslösung jederzeit zu gestatten. Sein Sohn Jost von Hornstein wurde im Jahr 1448 gebeten, die Einlösung der Pfandschaft von der Feste Hohenberg durch Herzog Albert von Österreich zu gestatten. Doch Jost von Hornstein weigerte sich hartnäckig, die Burg auszulösen und behauptete, er hätte diese von seinem Vater als ein ganzes Lehen erhalten. Da er zugleich Bürger von Rottweil war, wandte er sich an diese Stadt mit der Bitte um Unterstützung gegen den Herzog Albrecht von Österreich. Doch die Rottweiler schlugen Jost seine Bitte ab, schon aus dem einen Grunde, weil er Verbündeter des Grafen Ulrich von Württemberg war, der 2449 mit dem Städtebund in Fehde lag. Über die Abweisung seitens der Rottweiler ergrimmte Jost und sagte den Rottweilern Fehde an. Er fiel plündernd in das Gebiet der Stadt ein. Da die aufstrebende und mächtige Stadt Rottweil die nahe gelegene Feste Hohenberg mit ihrem näheren Gebiet sowieso für ihre weitere Entwicklung als hemmend ansehen musste, so nahm die Stadt die günstige Gelegenheit wahr. Mit zahlreicher Mannschaft und Belagerungswerkzeug wohl versehen, zogen die Rottweiler vor die Feste Hohenberg, die nur eine kleine Besatzung von 19 oder 25 Mann hatte. Es befand sich außerdem Josts Gemahlin, Gräfin Anna von Rechberg, mit ihren Jungfrauen im Schloß Oberhohenberg. Das Heer der Belagerer errichtete an geeigneter Stelle einen hölzernen Turm. Mit dessen Hilfe eroberten sie die Burg am 21. September 1449 nach 16stündiger Beschießung. Sie zerstörten sie am folgenden Tag von Grund auf. Bis auf einen Mann, der entkam, wurde die ganze Besatzung getötet. Meist wurden sie die Steilhänge hinunter-gestürzt, wo ihre Leiber zerschmettert wurden. Dabei wurde aber auch ein Rottweiler Krieger hinuntergerissen und kam dabei ums Leben. Bei der Belagerung und Erstürmung der Burg fielen noch 3 andere Rottweiler. 10 Jahre nach der Zerstörung der Feste Hohenberg erhielt Graf Hans von Rechberg nach längerer Verhandlung von den Rottweilern an Waffen und Munition zurück: 4,5 Zentner Pulver, 13 Handbüchsen, einige Hakenbüchsen und etwa 100 Eisenpfeile. Dieses hatte alles dem Grafen Hans von Rechberg gehört und war beim Sturm auf Hohenberg in Rottweiler Hände gefallen. Wegen der Zerstörung der Burg Oberhohenberg war eine verheeren-de, längere Zeit dauernde Fehde ausgebrochen, und zwar zwischen der Stadt Rottweil und dem eigentlichen Besitzer der Burg, dem Herzog Albrecht von Österreich. Dieser Krieg wurde 1450 in Bamberg vorläufig beigelegt. Der Herzog verlangte eine Entschädigung zum Wiederaufbau der Burg von 40 000 Gulden. Nach einem Schiedsspruch des kaiserlichen Kommissärs zu Heidelberg hätte die Stadt Rottweil das Schloß innerhalb 2 Jahren wieder aufbauen sollen. Aber die Verhandlungen zogen sich immer mehr in die Länge, bis endlich Markgraf Albrecht von Brandenburg-Ansbach 1453 den Streit schlichtete. Die Rottweiler mussten an Herzog Albrecht von Österreich 8 200 Gulden bezahlen, weil sie die Burg zerstört hatten. Die Burg wurde aber nicht mehr aufgebaut. Erzherzog Albrecht erhielt auch die Pfandschaft zurück. Die Gemahlin von Albrecht, Erzherzogin Mechthilde, vermachte 1458 im Falle ihres Todes der Kartause Güterstein, wo sie neben ihrem ersten Gemahl begraben sein wollte, das Einlösungsrecht mit 2 000 Gulden, was ihr Sohn aus erster Ehe, Graf Eberhard im Bart, 1468 bestätigte. Im Jahre 1475 übergab Mechthilde die obere Grafschaft Hohenberg ihrem Sohn. Dazu gehörten: die Burgställe (Ruinen) Hohenberg und Wehingen, der Forst Delkhofen, Deilingen, Schörzingen, Dautmergen, Weilen, Reichenbach, Bubsheim, Egesheim, Denkingen, Hausen am Tann, Ratshausen, Gosheim, Wehingen, Dürbheim, die Städtchen Hohenberg, Friedingen, Schömberg und Spaichingen, der Burgstall Urnburg und die Dörfer Weitingen und Rohrdorf. Erzherzog Albrecht war aber mit dieser Übergabe nicht einverstanden; er hatte die obere Grafschaft schon 1458 seinem Vetter Sigmund von Tirol übergeben. Mechthilde und Eberhard im Bart verweigerten diese Auslösung, wie einst Jost von Hornstein. Erst nach dem Tod von Mechthilde verzichtete Graf Eberhard im Bart 1482 auf die ganze Grafschaft Oberhohenberg. Der Kaiser selbst hatte sich ins Mittel gelegt und den Einwohnern Hohenbergs wiederholt geboten, vom Jahre 1470 ab nur noch dem Herzog Sigmund zu huldigen. Noch 1578 war, nach dem Lehensbrief der Delkhofer Mühle von Erzherzog Ferdinand zu schließen, der Gedanke des Wiederaufbaus nicht ganz erloschen. Doch die Bedeutung des mit dem Burgstall verbundenen Meierhofes überwog diesen Gedanken. In dieser Urkunde im Staatsarchiv Stuttgart heißt es: „ Die Müllin zu Telkhofen an dem Weyer, so in unserer Herrschaft Hohenberg, darin sollen, wie das von alter herkommen ist, alle zu Hohenberg im Stättlein, die von Deilingen, Telkhofen und sonst alle die dasselb Kirchspiel gehören, die von Schertzingen, Weyller, Ratshausen malen und das Zimmerholz von den armen Leuten dahin geführt werden, und ob Sach were, daß wür das Schloß Hohenberg wieder gebawen lassen, demselben unserem Schloß vorbehalten seyn alle seine Herrlichkeit und Rechte, also daß der Müller zu Telkhofen denen so auf dem Schloß ohne Lohn malen soll, wie das von altersherkommen; die von Ratshausen sollen die zwo Wysen auf Hohenberg gehörig dörren und aufschochen; wan an der Herr- schaft Weyer zu Telkhofen (voran die Mühle) zu bawen, dazu frohnen.“ Von 1563 an hatten die Brüder Huntpis von Waltrams, denen auch das Dorf Wellendingen gehörte, Hohenberg 20 Jahre lang im Pfand gegen eine Summe von 3 000 Gulden. Allein alle Gefälle, Gerichte, Strafen samt der forstlichen Obrigkeit und Herrlichkeit standen der Herrschaft Hohenberg allein zu. Nach Ablauf der 20 Jahre folgte nach Ablösung der 3 000 Gulden Graf Eitel Friedrich von Zollern als Inhaber, doch nur für kurze Zeit. 1599 übernahm Hans Walter Scheer von Schwarzenburg auf Oberhausen das Gut Hohenberg gegen eine Verschreibung von 3 000 Gulden und 150 Gulden Zinsen. Im Jahre 1622 wurde diese auf 5 000 Gulden und 350 Gulden Zinsen erhöht. Im Jahre 1747 gingen Hof und Weidgang auf dem Burgstall Hohen-berg nebst 221 Juchert Waldung an das Jesuitenkollegium in Rottweil pfandweise auf 20 Jahre über. Die Pfandsumme betrug 12 000 Gulden. Allein, da die aufgewandten Baukosten und Meliorationen von Grund und Boden 375 Gulden betrugen, wurde das Gut im Jahre 1772 mit 15 641 Gulden von Österreich ausgelöst und zunächst dem Denkinger Bürger Lorenz Streicher zu Lehen gegeben. 1786 übertrug der hohenbergische Landvogt von Planck das Gut als bäuerliches Erblehen an Jakob und Christoph Hauschel von Schörzingen. 1806 erkaufte Freiherr Marquart von Stein zu Rechenstein das Lehen um 6 800 Gulden. Er verkaufte es wieder 1812 an den Juden Moses Katz von Rottweil für 7 500 Gulden. Katz veräußerte es 1816 für 8 165 Gulden an Karl Friedrich Gauß und Johann Morlock von Metzingen bei Herrenberg. Diese beiden konnten aber ihre Güterschuld nicht bezahlen; deshalb wurde das Gut 1818 zum Verkauf ausgesetzt. Aber erst nach längeren Verhandlungen verkaufte die Oberfinanzkammer 1825 das württembergische Staatsgut, ein 2stöckiges Wohnhaus mit Scheuern und Stallungen, Back- und Waschhaus, Feldern und Wäldern, insgesamt 420 Morgen, an den Freiherrn Maximilian von Ow in Wachendorf um die Summe von 12 400 Gulden. Im Sommer kam die Familie des Freiherrn immer wieder für kürzere oder längere Zeit auf das Gut. Am 8.September 1899 brannte der ganze Maierhof ab. Übrig blieb nur das Schafhaus, das dann 1921 abgebrochen wurde. Die Freiherren von Ow hatten das Gut Hohenberg verpachtet, zuerst an Jakob Dieterle von Täbingen und zuletzt an J. Rebstock von Dotternhausen; er war der letzte Pächter des Hofgutes; sein Sohn, der spätere Bürgermeister, wurde übrigens in dem berüchtigten KZ-Lager zwischen Dormettingen und Dotternhausen 1945 von Tschechen ermordet. Nach dem Brand des Hofguts wurden die Felder an Bauern der umliegenden Orte Delkhofen, Deilingen und Schörzingen verpachtet. Im Frühjahr 1908 kaufte die Gemeinde Schörzingen das ganze Gut um den Preis von 149 300 Mark. Von der Brandversicherung erhielt die Gemeinde Schörzingen für die abgebrannten Gebäude 20 000 Mark Bargeld. Von den 420 Morgen waren 27 ha Äcker und Wiesen sowie 46 ha Wald; das übrige Gelände war Weide. Bei der Eingemeindung des Hofgutes kamen 3/5 zur Markung Schörzingen und je 1/5 zu Deilingen und Delkhofen. So verging die Herrlichkeit der einst so mächtigen Grafschaft Hohenberg.
2.6 Die österreichischen Lehenbauern und Lehen
Kaum war die Grafschaft Hohenberg zu Österreich gekommen, da wurden die Steuerlisten aufgestellt. Eine „Schatzung für Notfälle“ veran-schlagte den Ort Weilen im Jahre 1385 auf 50 Pfund Heller. In den Steuerlisten der Grafschaft Hohenberg werden 1394 namentlich 17 selb-ständige Bürger aufgeführt; sie hatten zusammen ein Vermögen von 1 711 Pfund Heller. Vo diesem Vermögen mussten sie nur 1/20 Steuern an die Herrschaft Hohenberg entrichten. Das Städtlein Hohenberg hatte zur gleichen Zeit 14 Steuerpflichtige mit einem Vermögen von 750 Pfund, Deilingen 14 mit 205 Pfund, Delkhofen 14 mit 815 Pfund, Ratshausen 12 mit 650 Pfund, Hausen am Tann 9 mit 306 Pfund, Schör-zingen 24 mit 1 119 Pfund, Dautmergen 17 mit 1 000 Pfund, Wehingen 39 mit 1 790 Pfund, Reichenbach 13 mit 906 Pfund, Egesheim 16 mit 996 Pfund, Nusplingen 59 mit 1 575 Pfund, Unterdigisheim 19 mit 872 Pfund sowie Schömberg und Holzheim 82 mit 12 168 Pfund. Aus dieser Aufzählung geht hervor, daß Weilen bereits 150 Jahre nach seiner Gründung zu den mittelgroßen Dörfern zählte. In der Höhe der Steuerveranlagung wurde der Ort nur von Wehingen und Schömberg-Holzheim übertroffen. Die Einwohnerzahl von Weilen betrug 1394 etwa 100 bis 150. Sie hat sich bis 1700 auf gleicher Höhe gehalten. Im Jahre 1394 sind in den Steuerlisten von Weilen (Wiler under Hohenberg) folgende Bürger mit dem Wert ihres Vermögens angegeben:
Ulrich Salinger 100 Pfund Bürgli Fry 80 Pfund Haintz der Fry 65 Pfund Metz von Bubsheim 135 Pfund Das Kätherli von Bubsheim 41 Pfund Contz der Fry 45 Pfund Älli Hansten 35 Pfund Heinrich Kolbing 150 Pfund Hans von Wiler 150 Pfund Bentz Kolbings Tochtermann 150 Pfund Sifrit (Seifriz) 190 Pfund Walter von Wiler 90 Pfund Das Klärli 40 Pfund Der Berer 40 Pfund Der Taler 120 Pfund Älli Fryli 30 Pfund Bentz Kolbing 250 Pfund
Das Oberhohenberger Lehensbuch von 1380 bis 1445 weist fol- gende österreichischen Lehensträger von Weilen auf: „Syfrid von Wiler (Seifriz von Weilen) und Könzlin Kolbing von Wiler dem torf gelegen under Hohenberg ze Lehen hand von miner herschaft von Österreich ain hoff, darein etwas wisan und äcker gehörend und daselb vorgenant gütlin ist gelegen ze Wiler under Hohenberg.“ Seifriz trug außerdem 4,5 Juchert Acker, eine Wiese in der Hermannshefte und eine Wiese in der Weiten Reute. Hans Seifriz war Träger eines Lehens von 1,5 Juchert Acker im Tal. Walter von Wyler (er hatte noch keinen festen Familiennamen) empfing für sich und seine Geschwister 2 Juchert Acker in der Hermannshefte; er verpachtete sie an Metz von Bubsheim weiter. Ein weiteres Lehen in Weilen hatten zwischen 1380 und 1430 die Brüder Jakob und Hans Albert aus Rottweil inne; es bestand aus einem Hof. Dafür mussten sie eine Gült von einem Scheffel Roggen entrichten. Die Brüder hatten auch österreichische Lehen in Schömberg, Deilingen, Schörzingen usw. Die Lehen waren Güter, also Grund und Boden, oder Zehnt-gerechtigkeiten, die vom Adel an seine Untertanen oder sonstige Personen verliehen oder verlehnt wurden. Die Größe der Lehensgüter war verschieden; meistens bestanden sie aus mehreren Grundstücken. Die Größe der Lehensgüter war in der Regel 10 bis 90 Morgen. Die Lehen konnten nur an eine Person, aber auch erblich verliehen werden. In der Regel war aber mit der Verleihung eines Lehens eine Verpflichtung des Belehnten gegenüber dem Lehensherr verbunden. Neben dem Erblehen gab es die Mannslehen; diese vererbten sich nur auf die männlichen Nachkommen des Belehnten. Mannslehen waren von besonderer Bedeutung für die Weilener Geschichte. Es gab hier 3 Mannslehen der Herzöge von Österreich, den Nachfolgen der Hohenberger Grafen. Wie schon berichtet, hatte Hans Seifriz ein kleines Gütlein zu Leben sowie 4,5 Juchert Acker und eine Wiese in der Hermannshefte und in der Weiten Reute. Der heutige Flurname Mannsgut für die frühere Bezeichnung Hermannshefte kennzeichnet dieses Mannslehen. Das eine Lehen, das 1353 von dem Rottweiler Bürger Dietrich Kundeler auf Konrad von Bubsheim und Benz Hansten übergegangen war (vergleiche Seite 36), hatte 1460 Heinrich Henstein inne; das Geschlecht der Hansten oder Henstein erscheint später in Weilen nicht mehr. Dagegen sind die Lehen der Seifriz (oben erwähnt) und der Weinmann (1516 und 1533 wurde ein Hans Weinmann mit Wiesen in der Hermannshefte belehnt) in den Musterungsregistern 1615 und noch später in den Teilungsakten aufgeführt. Die Mannslehen durften an die Nachkommen bis zu 16 Teilen aufgeteilt werden – ein Grund für die kleinbäuerliche Zersplitterung der Grundstücke. In einem Ehevertrag eines männlichen Nachkommen von Josef Weinmann (Brosi Josef) heißt es noch 1740: Ohne dies Recht, nicht weniger auch hat die Mutter 1 Jauchert Ackers an Hans Weinmann gelegen aus dem Mannlehen vorbehalten, so lang sie in dem Witwenstand verbleiben tut.“ Die Kirchenpflege Dormettingen besaß hier ein dauerndes Lehen, das in den Kirchenrechnungen der Kaplanei Weilen von 1682 an viele Jahrzehnte als Einnahmeposten verbucht ist. Als Gegenstück zu den Mannslehen gab es Lehen für die weiblichen Nachkommendes Belehnten. Die hießen Kunkellehen. Das Spinnrad oder Kunkel war früher Sinnbild und Handwerkszeug des Weibes. Noch heute hört man die beleidigende Bezeichnung für weibliche Personen „Du alte Kunkel“. Ein weiteres Lehen waren die Fallehen. Diese Lehen fielen nach dem Tode des Belehnten wieder an den Grundherrn zurück.
Die Burg Oberhohenberg um 1450 nach einem Gemälde von K. A. Koch
2.7 Die Fronen der Leibeigenen für die Herrschaft
Im allgemeinen wird unter dem Wort und Begriff Leibeigenschaft verstanden, daß die Grafen und Ritter in der vergangenen Zeit das Recht gehabt hätten, über das Leben und Eigentum ihrer leibeigenen Untertanen zu verfügen, ganz nach ihrem Gutdünken in ihren Launen. Also daß sie diese hätten töten, misshandeln, vor den Pflug spannen und mit der Peitsche traktieren oder gar wie das Vieh verkaufen konnten. Nein, so war es nicht. Die Leibeigenschaft war zwar ein hartes Joch auf den Schultern unserer Ahnen, jedoch nicht in dem Maße, wie viele Leute heute meinen. Die Leibeigenschaft war ein Zustand geminderter persönlicher Freiheit der sich zwischen den Freien und Unfreien im Frühmittelalter herausbildete. Der Leibeigene durfte ohne Erlaubnis seines Herrn den Wohnsitz nicht wechseln und war ihm zu verschiedenen Diensten und Abgaben verpflichtet. Der Leibeigene hatte seinem Herrn eine jährliche kleine Abgabe zu entrichten, der Mann den Mannschilling oder Leibzins, die Frau die Leibhenne. Beim Tod eines Leibeigenen war eine bestimmte Abgabe an den Vogt zu leisten, das sogenannte Besthaupt, beim Tod eines Mannes das beste Stück Vieh und beim Tod einer Frau das beste Gewand; die Herrschaft erhielt laut Lagerbuch von 1584 bei männlichem Todesfall auf einen Vermögenswert von 100 Gulden je 1 Gulden, bei weiblichen 15 Heller. In Weilen mussten 1584 jedes Haus an Fasnacht eine „Fasnachtshenne“ abliefern, an Walpurgis eine „Meierhenne“ und an Bartholomäi ein „Herbsthuhn“. Die Brautleute mussten je nach Vermögen eine Heiratssteuer bezahlen. Im Volk wird noch heute viel gemunkelt über das Recht der ersten Nach. Die Braut hätte sich dem Herrn vorstellen und ihm, wenn er es wollte, zu Willen sein müssen. Zum verbrieften Recht des Herrn gehörte solches Fordern sicher nicht. Die Leibeigenschaft war erblich, und zwar ging sie nicht vom Vater, sondern von der Mutter auf ihre sämtlichen Kinder über. Wie erdrückend und erniedrigend die Last der Leibeigenschaft auf dem Volk lag, geht aus verschiedenen Versuchen hervor, sie abzuschütteln, besonders zur Zeit der Bauernkriege im Jahr 1525. Abgeschafft wurde die Leibeigenschaft erst 1817 unter König Wilhelm von Württemberg. Eine weitere Last, welche aus der Leibeigenschaft hervorging, waren die Frondienste. Das Wort Fron ist sehr alt; es kommt von fro = Herr. Herrendienste waren also die Frondienste. Noch heute gibt es in der Gemeinde Fronarbeiten, sie werden vom Fronmeister geleitet. 1582 hatten die Weilener folgende Fronen zu leisten: Das Öhmd, das in Delkhofen zu Schochen aufgesetzt wurde, mussten sie auf den Hohen-berg fahren. Das Gras, das auf dem Hohenberg gemäht wurde, mussten sie zusammen mit den Ratshausern dörren und aufschochen; eingebracht wurde es von den Schörzingern. Die gedroschenen Zehntfrüchte in Deilingen mussten Weilener zusammen mit Leuten aus anderen Orten auf den Hohenberg fahren. Besonders gefürchtet waren die Bau- und Jagdfronen. 1582 heißt es: Wenn die Herrschaft in Delkhofen baut, muß Weilen fronen. Wollte die Herrschaft oder ein Hauptmann im Hohenbergischen jagen, mussten Weilener Treiberdienste verrichten. Der Vogt teilte diesen Jagddienst ein. Bei Schweinejagden mussten die Weilener ihre Hunde mitführen. Zwar war auch diese Fron unentgeltlich, aber bei jeder Mahlzeit hatten die Fronpflichtigen das Recht auf ein halbes Maß Wein. Nachdem die Grafschaft Hohenberg verkauft und später nach der Zerstörung der Burg teilweise noch verpachtet war, dürfte der größteTeil der Fronlasten weggefallen und durch Geld von den Gemeinden abgelöst worden sein. In der Gemeinderechnng von 1808 und 1832 bis 1849 steht, daß die Gemeinde Weilen an das Kameralamt Rottenmünster jährlich 4 Gulden und 38 Kreuzer Hohenberger Frongeld bezahlen musste. 1849 wurden die Fron- und Zehntlasten abgelöst. Für die Weilener war die Bannpflicht in der Delkhofer Mühle eine große Last. Obwohl in Ratshausen eine Mühle und an der Schlichem oberhalb von Schömberg 3 weitere Mühlen standen, zu denen die Zufuhr nur 2-3 km betrug, mussten sie den 6-7 km langen Weg in die Delkhofer Mühle machen und zudem noch sine große Steigung von 120 m bei ganz schlechten Wegverhältnissen überwinden. Erst 1513 wird erwähnt, daß die Weilener in der Ratshausener Mühle mahlen lassen durften. Hinsichtlich der Gemeindefronen im letzten Jahrhundert ist ein Gemeinderatsbeschluß vom 8. April 1832 zu erwähnen. Hier steht u. a.: „Jeder, der ohne dringenden Grund und ohne Entschuldigung vom Fronen wegbleibt, hat für jede versäumte Fron eine Strafe von 12 Kreuzer an die Gemeindekasse zu bezahlen.“ Diese Strafe hatte etwa den Wert von 6 Stunden Arbeitsverdienst eines Handwerkers. Erst am 25 Oktober 1840 wurde unter Anregung des damaligen Schultheißen Anton Stengele beschlossen, daß die Fronen in Geld ersetzt werden sollte, weil viele der Fronpflichtigen den Sommer über in der Fremde als Bauhandwerker oder in sonstigen Berufen arbeiteten. Dafür wurde nun eine Fronsteuer in Hohe von 45 Kreuzer pro Jahr eingeführt. Diese Steuer hatte den Wert von etwa 1,5 bis 2 Tagen des Verdienstes eines Handwerkers.
2.8 Einwohnerzahlen aus den Musterungslisten
Die hohenbergisch-österreichische Herrschaft erließ 1551 eine Strafordnung, in der es heißt, daß die Frevelstrafen an die Herschaft zu bezahlen sei. Ledig-lich das so genannte Botgeld gehörte bis zu 3 Schilling dem Dorfvogt, bis zu 5 Schilling dem Obervogt und Kellner auf dem Oberhohenberg, und was darüber hinaus an Strafen verhängt wurde, floss wieder in die Amtskasse. Die meisten Bürger waren wehrpflichtig. So werden 1381 von Weilen 14 Wehrpflichtige aufgeführt, leider nicht mit Namen und Vermögen. 6 Mann trugen eine Rüstung, 4 Mann dienten als Schützen, und 4 Mann waren halb- oder kaum gerüstet. Die Musterungsliste von 1615 nennt wieder 14 Wehrpflichtige, so daß angenommen werden darf, daß die Einwohnerzahl in dem Zeitraum von fast 250 Jahre konstant geblieben ist (100-150). Im einzelnen wurde 1615 folgende 14 Wehrpflichtige in Weilen aufgeführt:
Hans Seifriz, Vogt, 80 Jahre alt, 2 000 Gulden = Barvermögen, 4starke Pferde zum Feldbau, on der Herrschaft ein Manns- lehen, unbewehrt. Peter Krachenfels, 50 Jahre alt, 700 Gulden Barvermögen, 4 Pferde zum Feldbau, Musketier, hat schlechtes Ackerfeld. Hans Riedlinger, 50 Jahre,1 000 Gulden Barvermögen, 5 Pferde, keines zu reiten tauglich, Musketier. Hans Witz, 40 Jahre alt, 400 Gulden Barvermögen, 3 Pferde, Musketier. Konrad Witz,35 Jahre alt, 100 Gulden Barvermögen, kein Pferd, Musketier. Hans Weinmann, 73 Jahre alt 200 Gulden Barvermögen, 3 Pferde, Musketier. Georgius Knell, 70 Jahre alt, kein Barvermögen, 4 Pferde, Doppelsöldner. Brosi Weinmann, 80 Jahre alt, 1 000 Gulden Barvermögen, 5 Pferde, keines zum Reiten tauglich, Doppelsöldner, starker Feldbau. Hat von der Herrschaft ein Mannslehen. Hans Koch, 40 Jahre alt, 1 000 Gulden Barvermögen, vier geringe Pferde, starker Feldbau, Doppelsöldner. Junghans Seifriz, 35 Jahre alt, 600 Gulden Barvermögen, 2 Pferde, bewehrt mit einem Hackengewehr, begehrt nicht in den Krieg zu gehen. Hans Witz, 35 Jahre alt, Mesner, 100 Gulden Barvermögen, kein Pferd, einfache Wehr mit Hellebarde. Jörg Witz,35 Jahre alt, 200 Gulden Barvermögen, 4 Pferde, einfache Wehr mit Hellebarde. Peter Fry, 40 Jahre alt, armer Taglöhner, kein Vermögen, Hellebarde. Hans Riedlingers Sohn, noch keine Wehr.
Von Steuerpflichtigen Familien der Jahre 1394 waren im Jahre 1615 nur noch die Geschlechter der Seifriz und der Fry (Frey) hier wohnhaft. Im Jahre 1700 werden 20 Wehrpflichtige in Weilen aufgeführt. Es ist also von 1600 bis 1700 nur eine kleine Zunahme der Bevölkerung zu verzeich-nen. Im Jahre 1750 hat die Einwohnerzahl etwas über 200 betragen. Anno 1768 hatte Weilen 29 Häuser, etwa 30 Familien; Anno 1784 zählte der Ort 204 Seelen. Die größte Steigerung der Einwohnerzahl fand von 1800 bis 1850 statt. 1803 waren es 237 und 1848 419. Nach der Aufzeichnung in den Pfarrbüchern betrug 1857 die Einwohnerzahl 422. Von da abnahm die Zahl der Einwohner ständig ab und erreichte 1928 den niedrigsten Stand von 246 Seelen. Die Geburten wiesen ebenfalls die Steigerung der Einwohnerzahl auf. 1609 sind nach dem Taufregister der Pfarrei 8 Kinder geboren worden. Anno 1690 und 1680 sind keine Geburten verzeichnet, im Jahre 1727 = 16, 1792 = 16, 1827 = 17, 1838 = 18 Kinder. Die größte Geburtenzahl ist im Jahre 1844 aufgeführt mit 23 Geburten. Von da ab sinkt die Zahl der Geburten wieder.
Die Bevölkerungsentwicklung in der Gemeinde Weilen
2.9 Die erdrückenden Zehntabgaben und Steuern
Gleich der Leibeigenschaften waren die Zehntlasten eine schwere Bürde für unsere Vorfahren. Die Zehnten waren bestimmte Abgaben, die fast auf jedem anbaufähigen Grundstück ruhten und auch beim Besitzwechsel auf dem Grundstück haften blieben. Daß der Bauer das Zehntwesen hasste, ist verständlich. Es wurde im Verlauf der Jahrhunderte mehrmals versucht, wenigstens Erleichterungen auf diese Grundlasten zu erlangen. Besonders der Noval- oder Neubruchzehnte wurde als Unrecht empfunden, und er wirkte sich bestimmt nicht fördernd auf die Landwirtschaft aus. Auch wurden die Zehnten im Laufe der Zeiten mehrmals von den Zehntherrn (Landes- oder Grundherren) verkauft oder durch Stiftungen verschenkt oder verliehen. Es war dem Zehntpflichtigen streng verboten, die Früchte vom Felde heimzu-führen, ehe der Zehnte erhoben war. Wenn die Garben gebunden waren, so wurden sie aufgestellt, und man musste sich gedulden, bis der herrschaftliche Zehnter kam und mit einer Stange jeweils die 10. Garbe umstieß. Dabei konnte er zu zählen anfangen, wo er wollte, aber er musste die angefangene Reihe einhalten. Die Zeit des Fruchtschneidens und des Bindens musste der Bauer dem Zehntherrn rechtzeitig anzeigen, und erst wenn die üblich angesetzte Frist verstrichen war und kein Zehntknecht oder sonst ein Beauftragter zum Auszählen kam, durften Knecht oder Magd oder ein unparteiischer Schnitter auszählen; das übrige durfte dann heimgeführt werden. Kam aber ein Gewitter oder Regen, so hatte der Ackerbesitzer oder einer seiner Leute 3mal laut zu rufen: „Zähl aus.“ Kam nach dem dritten Ruf kein Zehntknecht zum Auszählen, so durfte ebenfalls durch einen vertrauten Mann oder eine Frau ausgezählt werden. Noch heute gibt es in vielen Orten Zehntscheuern. In diese Zehnscheuern wurde die Zehntfrucht eingeführt. Die Garben wurden durch Zehntknechte vom Acker geholt und in die Zehnt- scheuern eingefahren. Am Großzehnten hatten nicht einmal die 12 Artikel der Bauern im Bauernkrieg zu rütteln gewagt. Erhoben wurde der Großzehnte von den Früchten des Brotgetreides, also von Weizen, Dinkel, Roggen, Hafer, Gerste und Einkorn. Im Jahre 1489 trat Herzog Sigmund von Österreich den zehnten an die Pfarrei Schömberg und an deren Patronat das Chorherrenstift in Waldkirch, ab. Am 27. April 1729 wurde er diesem Stift einverleibt. Durch die Auflösung des Stiftes 1805 kam er an Baden. Durch gegenseitige Abtretungen zwischen Baden und Württemberg kam das Patronat am 17. Juli 1807 an Württemberg. Im Jahre 1822 kaufte die Stadt Schömberg alle zur Pfarrei Schömberg gehörenden Gefälle von Schömberg, Ratshausen, Weilen und Dautmergen von Baden. Im Esch Armweiler mit 73 Morgen und am Wolfbühl mit 75 Morgen bezog die Kaplanei Weilen den Großzehnten ganz. Die restlichen 4/9 des Großzehnten der Markung bezog das Kameralamt Spaichingen. Im Jahre 1848 ergab der ganze Großzehnte, ohne den Teil der Kaplanei Weilen (Armweileresch und Wolfbühlesch mit insgesamt 150 Morgen): 71 Scheffel und 2 Simri Frucht oder nach dem Sprachgebrauch der damaligen Generation 71 Viertel und 2 Immi Großzehnten-früchte. (1 Scheffel hatte 20 Liter und 1 Immi war ¼ des Scheffels.) Der Pfarrer von Schömberg bezog in Weilen 5/9 des Großen Zehnten und den kleinen Zehnten ganz. Der Kleine Zehnte wurde erhoben von den übrigen Feldfrüchten wie Kraut, Erbsen, Linsen, Rüben, Kartoffeln sowie allen Früchten, die im Topf gekocht wurden. Es zählte auch Hanf und Flachs dazu. Der Kleine Zehnte gehörte dem Chorherrenstift Waldkirch bzw. dem Schömberger Pfarrer; die Stadt Schömberg brachte im Jahre 182 durch Kauf diesen Zehnten an sich. Auch der Kleine Zehnte wurde 1852 abgelöst. Als eine weitere Zehntlast ist der Heuzehnte zu nennen. Er war an das Kameralamt Spaichingen in Geld zu entrichten. Es ist aber zu berichten, daß es mit dem Heuzehnten nicht so genau herging. Auch dieser Zehnte wurde 1852 abgeschafft. Beim Blutzehnten hatte der Zehntherr folgendes zu fordern: Von einem neugeborenen Fohlen = 4 Heller, von einem neugeborenen Kalb = 3 Heller, von einem neugeborenen Lämmlein = 7 Heller, von einem Kitzlein = 4 Heller, von einer Zucht Enten, Gänsen, Hühnern oder Schweinen je 1 Heller, von einem jungen Immen (Bienenschwarm) was daraus erlöst wurde. Wurde aber der junge Immen eingestellt und erlebte er den Frühling, so mussten für diesen Immen 10 Kreuzer Zehntgeld entrichtet werden. An das Forstamt mussten für Frischlingsgeld von jedem neuerbauten Haus 23 Kreuzer sowie Hofstattgeld bezahlt werden. Es bestand keine Pflicht, den Acker anzubauen. Es durfte aus einem Acker keine Wiese gemacht werden, wohl aber aus einer Wiese ein Acker, aber nur mit Genehmigung, wobei dann der Noval- oder Neubruchzehnte zu entrichten war. Diese Zehntart hatte 1822 die Stadt Schömberg von Baden erworben. Aber sie wurde bereits durch Vertrag am 20. Juni 1839 von der Gemeinde Weilen mit einer jährlichen Zahlung von 34 Gulden, die 21 Jahre dauerte, abgelöst. Von dieser jährlichen Zahlung von 34 Gulden an Schömberg gingen 7 Gulden ab, weil vom Chorherrenstift Waldkirch jedes Jahr zu Ostern der sogenannte Osterfladen an die Weilener Zehntpflichtigen gereicht wurde. Dieser bestand aus einer Gabe in Fleisch und Brot. Später wurde dafür Geld an die Zehntpflichtigen der Gemeinde Weilenbezahlt, und zwar jährlich 7 Gulden. Als zu Anfang des 19. Jahrhunderts die Gemeinde zuerst auf dem unteren Wasen und 3 Jahre später auf dem oberen Wasen die Allmandteile an die Bürger ausgab, musste die Gemeinde laut Gemeindeberechnung von 1819/1820 Neubruchzehnten bezahlen (vom Unteren Wasen 5 Gulden 42 Kreuzer und vom Oberen Wasen 9 Gulden 48 Kreuzer). Auch von den 1825 bis 1827 von der Gemeinde ausgegebenen Allmanden auf dem Rennenwasen mussten 12 Jahre lang Novalzehnten bezahlt werden, allerdings nur für die Allmandteile, welche zu Ackerland umgebrochen wurden. Abgelöst wurde 1852 der Vertrag mit jährlich 1 Gulden 16 Kreuzer 12 Jahre lang. Wie kompliziert die Zehntlasten verteilt waren, zeigen die Ablieferungen der Gemeinde Weilen 1817 an das Kameralamt Rottenmünster (Vorgänger des Kameralamts Spaichingen): Maiensteuer 4 Gulden 29 Kreuzer, Martinisteuer 4 Gulden 29 Kreuzer, für 36 Maien-hühner 3 Gulden, für 36 Herbsthühner je 5 Kreuzer = 3 Gulden, für 41 Hubenteile je 1 Kreuzer = 41 Kreuzer, Neubruchzehnten = 3 Gulden 32 Kreuzer, Hohenberger Frongeld 1 neuer Gulden 15 Kreuzer oder 3 alte Gulden 23 Kreuzer. Die Bauern und Zehntpflichtigen versuchten im Verlaufe der Zeit, besonders im Bauernkrieg, die Zehntlasten abzuschütteln, und immer fanden darüber Verhandlungen statt. Aber erst das Jahr 1848 mit seinen Freiheitsrufen brachte die ganze Angelegenheit ins Rollen und führte in Württemberg zu dem Gesetz vom 17. Juni 1849, das die endgültige Ablösung der Zehntlasten brachte. In der Ablösungsurkunde vom 25. August 1852 wurde der Großzehnte, welchen die Pfarrei Schömberg bezog (5/9 des Ganzen), auf jährlich 208 Gulden geschätzt. Das Zehntkapital wurde mit 3 040 Gulden 42 Kreuzer bewertet. Nach der Ablösungsurkunde musste die Gemeinde Weilen an die Stadt Schömberg vom 1. Januar 1852 bis 1 Januar 1873, also 21 Jahre lang, jährlich 199 Gulden 30 Kreuzer bezahlen. Der Rohertrag, welcher 4/9 = 190 Gulden betrug, wurde an das Kameralamt Spaichingen entrichtet. Der Gesamtwert des Großzehntenteils wurde mit 3 028 Gulden 27 Kreuzer bewertet. Als Ablösesumme musste die Gemeinde an das Kameralamt Spaichingen 21 Jahre lang den Betrag von 196 Gulden 30 Kreuzer bezahlen. Nachdem diese drückenden asten abgetragen waren, konnte die Landwirtschaft einen Aufschwung nehmen.
3.1 Der Bauernaufstand und der Dreißigjährige Krieg
Da die Zehntlasten, die Frondienste und auch die anderen Lasten, welche die Bauern für ihre Herren zu leisten hatten, die Bauern erbitterten, kam es da und dort zu Auseinandersetzungen zwischen Herren und Untertanen. Die Fronvögte misshandelten die Bauern oft mit der Peitsche. Der allgemeine Bauernaufstand begann im Frühjahr 1525 unter dem Zeichen des Bundschuhs. Die Bauern rotteten sich in einzelnen Gruppen zusammen und zerstörten verschiedene Burgen, Grafenschlösser und Klöster, denen sie tributpflichtig waren. Die Bauern aber hatten keine einheitliche Führung, und die einzelnen Gruppen waren sich nicht einig. Auch die Bewaffnung war meist ungenügend. Es gab allerdings einige waffengeübte Ritter, welche zu den Bauern hielten wie Florian Geyer, Götz von Berlichingen und andere. Wenn die Bauern ein Schloß oder Kloster eingenommen hatten, plünderten sie es vollständig aus und taten sich an den alkoholischen Getränken gütlich, wobei sie oft viele Tage lang dort verweilten. Einige gingen heim und brachten ihre Beute in Sicherheit. Die Ritter und Grafen aber mit ihren Reisigen strömten zusammen, und ihre Hauptführer, der Truchseß von Waldburg, genannt Bauernjörg, schlug die Bauern in einzelnen Schlachten und Gefechten nacheinander. Auch in unserer Gegend hielten die Bauern zu den aufständischen Gruppen. Im Sommer 1525 belagerten sie Balingen, damals eine mit Mauern befestigte Stadt. Jedoch der Truchseß Georg von Waldburg kam in Eilmärschen mit seinem Heer über Dotternhausen; die Bauern zogen ab. In der Schlacht von Sindelfingen wurden sie vernichtend geschlagen und furchtbar bestraft. Der Bauernstand wurde nach den Aufstand noch mehr geknechtet als zuvor. Erst Anfang des 19.Jahrhunderts, besonders unter König Wilhelm I. und nach den Napoleonischen Kriegen, wurde den Bauern mehr Freiheit und Erleichterung ihrer Lasten gewährt. Es wurde auch die Leibeigenschaft aufgehoben. Erst im Jahre 1848 bis 1852 konnten die Zehntlasten durch Geld abgelöst werden. Im Lagerbuch der Grafschaft Oberhohenberg aus dem Jahr 1582 steht bei der Erneuerung der Dienste, Fronen und Gefälle für Weilen Folgendes als Einleitung: „Uff den zwölften Tag des Monats May im Fünfzehnhundertzweiundachtzigsten Jahr haben wir vorgenannte Kommission diese Erneuerung zu Weyler im Flecken und was zu demselben gehört, verrichtet, vollendet und zu publiciert und erfunden, wie unterschiedlich hernach folgt in Beysein und persönlicher Gegenwart: Hansen Seyfrids, Vogt Ambrosi Weinmann, Jung Hansen Seyfrids, Konrad Witzen, Mattheis Treer (Dreher), Michael Suntheimer, all Richter zu Weyler, als Gezeugen hierzu erforderlich und berufen und einer ganzen Gemeinde daselbsten. Gez. Lorenz Schweyn, Oberherrschaft Hohenberg, Obervogt von Spaichingen.“ Der Vogt war Ortsvorsteher, die 4 Richter waren die Gemeinderäte, und der Obervogt in Spaichingen war Oberamtmann oder nach dem heutigen Begriff Landrat des Kreises. Zu allen Zeiten hatten besonders sie Bauern nicht nur unter den Kriegen, sondern auch unter den Streitigkeiten der Grafen und Ritter zu leiden. So wurde oft den Bauern das Vieh und die Pferde vom Sieger weggenommen, von Geld und anderen Gütern ganz zu schweigen. Der Krieg, welcher in ganz Deutschland die größten Schäden an Gut und Blut forderte, war der Dreißigjährige Krieg. Er begann im Herbst 1618 und endete erst im Jahre 1648. Innerhalb von 30 Jahren wurden mehr als 2 Drittel des ganzen deutschen Volkes durch Krieg und Pest vernichtet. Wie viele Opfer an Menschenleben der Dreißigjährige Krieg kostete, geht aus den Aufschrieben der Stadt Rottweil hervor. Vor dem Krieg hatte sie 4 000 steuerbare Einwohner und nachher nur noch 625, also nicht einmal mehr 1/6. Viele Städte und Dörfer wurden damals zerstört; sie wurden später nicht mehr aufgebaut, da die gesamte Einwohnerschaft zugrunde gegangen war. Heute zeugen nur noch Flurnamen von den ehemaligen Orten. Ein ganz nahen Beispiel hierfür ist der Sonthof. Früher stand hier ei Dorf Sontheim, das schon 1222 eine eigene Pfarrei war. Es wurde im Dreißigjährigen Krieg so schwer durch Raub, Totschlag, Plünderung und Feuersbrunst heimgesucht, daß niemand mehr dort wohnen konnte und alles verödete. Lediglich die Michaels- kirche blieb stehen; sie fiel 1841 der Spitzhacke zum Opfer. Wildschweine und Wölfe wurden eine Landplage. Als ein öster-reichischer Soldat, der eine schriftliche Meldung von Balingen nach Villingen zu einem dort liegenden Stab bringen musste, gegen Abend in die Nähe des zerstörten Ortes Sontheim ritt, wurde er von einem großen Rudel Wölfen verfolgt. Obwohl er einige Wölfe mit seiner Pistole erschoss, blieb ihm nicht anderes übrig, als sich auf ein halbzerfallenes Gebäude zu retten. Das Pferd wurde von den hungrigen Bestien zerrissen und aufgefressen. Da dem Reiter die Munition ausgegangen war, wehrte er sich gegen die Wölfe durch werfen mit Ziegeln und Steinen. Doch die hungrigen Wölfe belagerten den Soldaten regelrecht. Die ganze Nacht musste er auf dem Dach verbringen. Erst als am anderen Morgen eine größere Patrouille vorbeigeritten kam und die Hilferufe des bedrängten Soldaten hörte und einige Wölfe erschoss, flüchteten die anderen. Diese Begebenheit zeigt die Zustände und Unsicherheit der damaligen Zeit. Unser Dorf Weilen scheint nicht direkt in den Kriegsstrudel gekommen zu sein., wenigstens nicht in die Kampfzone. Die ersten 10 Jahre blieb Weilen vom Kriegsgeschehen so ziemlich verschont. Erst im Jahre 1628 nahm das Crozische Regiment hier Quartier nebst anderen Truppen. Die Soldaten mussten nach folgenden Grundätzen verpflegt werden: Einem Rittmeister hatte man wöchentlich 75 Gulden, einem Leutnant 30 Gulden, und einem Wachtmeister 10 Gulden 30 Kreuzer, und einem gewöhnlichen Soldaten 2 Gulden Geld zu geben. Weiter erhielten sie an Naturalien 1,5 Pfund Fleisch und 3 Pfund Brot pro Tag. Für jedes Pferd mussten pro Tag 3 Vierling Hafer und 12 Pfund Heu sowie pro Woche 3 Bund Stroh geliefert werden. Die Gemeinde hatte darauf zu achten, daß die Verpflegung und auch das Geld für die ganze Truppe richtig abgeliefert wurden. Nach den Kaiserlichen kamen die Franzosen. Am 11. Oktober 1632 rückten württembergische Truppen, von Balingen und Rosenfeld herkommend, in unsere Gegend vor; sie standen am 13 Oktober vor der festen Stadt Rottweil. Die Schweden hausten zwischen 1634 und 1645 mehrere Male hier. Von ihren Gräueltaten erzählten alte Leute die schrecklichsten Dinge. Im Hause Nr. 42 an der Bohlgasse war noch bis 1840ein Fußboden zu sehen, welcher große Brandlöcher hatte. Die im Jahre 1826 geborene Elisabeth Dieringer und deren Mutter Agatha Seifriz, geboren 1781, erzählten, daß die Schweden in der Stube auf dem Boden ein Feuer angezündet hätten; als ihr Urgroßvater Konrad Seifriz, geboren 1608, dazugekommen sei und versucht habe das Feuer auszulöschen, hätten die Schweden Konrad Seifriz gebunden und furchtbar geschlagen. Auch hätten sie ihm den sogenannten Schwedentrunk verabreicht, der aus Gülle bestand und in den Mund gegossen wurde. Von seinen Angehörigen sei Konrad Seifriz dann in der Nacht befreit und versteckt worden bis zum Abzug der Schweden. Als Andenken an dieses schreckliche Ereignis habe er dann angeordnet, daß der Fußboden mit den Brandlöchern erhalten bleiben solle. Im Herbst 1643 waren wieder Franzosen in unserer Gegend; sie belagerten die feste Reichsstadt Rottweil und erstürmten sie am 17. November 1643. Dabei wurde der Marschall Guébriant schwer verwundet; ein Geschoss hatte seinen rechten Ellbogen zerschmettert, so daß der Arm abgenommen werden musste. Infolge falscher Behandlung starb dieser Marschall Guébriant. Seine Eingeweide wurden im Chor der Dominikanerkirche beigesetzt und die Leiche nach Frankreich überführt. 1648 endlich wurde der Westfälische Frieden geschlossen, der dem unglücklichen Krieg ein Ende machte. Die deutschen Fürsten hatten gegen den deutschen Kaiser in Wien fremde Heere zu Hilfe gerufen. Außer den Franzosen, Schweden waren noch Spanier und Polen sowie Kroaten als Krieger in Deutschland erschienen, viele kämpften für den Kaiser, andere gegen ihn. Da der Kaiser und auch die Fürsten ihre Krieger und Landsknechte nicht besolden konnten, holten sich die Heerführer und Soldaten selbst ihren Lohn, indem sie plünderten, raubten und sogar mordeten.
3.2 Ein Jahrhundert voller Kriege mit Frankreich
Da Deutschland durch den Dreißigjährigen Krieg geschwächt war und Frankreich weite Gebiete sich aneignen konnte, wuchs der Appetit der Franzosen. So unternahm König Ludwig XIV. von 1681 bis 1694 verschiedene Kriegszüge nach Deutschland. Bereits in den Jahren 1674 bis 1676 waren kriegerische Verwicklungen in Süddeutschland. So lagen damals bayrische und französische Soldaten in Weilen in Quartier. Im Winter 1676 bezog der französische Baron Merce mit seien Reitern in Schörzingen und Weilen das Winterquartier. Schörzingen musste 6 000 Gulden Weilen 4 000 Gulden Kontribution bezahlen. Im Jahre 1743 entstand infolge der kriegerischen Durchmärsche und Einquartierungen eine Viehseuche, die große Opfer forderte. Im Jahre 1744 erpresste der französische General Budian aus der Grafschaft Hohenberg 72 000 Gulden Kontribution. Anno 1771 herrschte ebenfalls eine große Teuerung und Hungersnot. Wie arm die Gemeinde Weilen war, zeigen die alten Gemeinde-rechnungen. Durch die Entrümpelung auf dem Rathaus im Jahre 1937 ist sehr viel von altem Schrifttum vernichtet worden. Doch haben der alte Schultheiß Johann Weinmann und auch der Verfasser das Wertvollste aus dem Haufen vor dem Rathaus herausgesucht und im Pfarrhaus sichergestellt. Kirchenrechnungen von 1683 bis 1800 sind dort heute in einem großen Karton aufbewahrt. Die älteste Gemeinderechnung, die noch vorhanden ist, stammt vom Jahre 1803, also aus der Zeit, da wir och zur Grafschaft Oberhohenberg und Österreich zählten. Die Gemeindeeinnahmen betrugen damals 821 Gulden 48 Kreuzer; die Ausgaben beliefen sich auf 855 Gulden 19 Kreuzer. Kriegsschäden weist die Gemeinderechnung von 1809-1810 aus:
Gulden Kreuzer
Jahressteuer zu allergnädigsten Herrschaft 459 35 Kapitalsteuer 10 38 Militärsteuer für das württembergische Heer 94 28 Militärsteuer für das französische Heer 39 11 Brandschadenbeitrag 47 34 Amtsschaden (Kreisumlage) nach Spaichingen 107 25 Amtsschaden für Oberhohenberg 95 52 Oberhohenberger Frongeld 4 38 Zins für eine Kapitalschuld 60 - Kameralamt Rottenmünster für Maien und Martinisteuer, Hofstattzins, Maienhühner und Hubenteile 16 27 Großherzogliche Schaffnerei in Schömberg für Blutzehnten und anderes 19 - Schullehrer Fidel Weinmann Fixgehalt 28 Schullehrer Fidel Weinmann für jeden Werk- tagsschüler im Sommer je 24 Kreuzer Demselben Lehrer für jeden Werktagsschüler im Winter je 40 Kreuzer; von 39 Schülern erhielt er zusammen 44 24 Miete für die Schulstube im Jahr 12 Für Abhaltung der Sonntagsschule 12 Einquartierungskosten 70 Gehalt des Schultheißen 6 Gesamthöhe der Gemeindeausgaben von Georgi (23.April) 1809 bis Georgi 1810 1137 Gulden und 20 Kreuzer.
Es dürfte vielen nicht bekannt sein, daß in früheren Jahren viele Soldaten ihre Frauen im Krieg bei sich hatten. Sie teilten Lager und Quartierleben mit ihren Männern. Aber nicht nur Frauen waren bei den Heeren, sondern auch Kinder. Nachweisbar sind in Weilen 11Soldatenkinder geboren. Zum Beispiel wurde 1708 dem Soldaten Philipp Matthias vom Regiment des Barons Reischach ein Kind geboren, das Maria Magdalena getauft wurde. 1727 wurden dem belgischen Soldaten Willhelm Ammann von seiner Frau Marie Antonie Wils Zwillinge geboren, welche Dionis und Franz Borgia getauft wurden. 1746 gebar Barbara Horvat ein Mädchen; diese wurde Anna Juliana getauft; ihr Mann war der Soldat Michael Nemet aus dem Regiment des ungarischen Obersten Moschendorf. Ein Mädchen Maria des französischen Soldaten Josef Perre und der Ursula Haarer wurde 1746 getauft. Welcher Wirrwarr diese Soldatenfrauen hervorgerufen haben und was für Ansprüche sie an ihre Quartiergeber gestellt haben, kann man sich gar nicht vorstellen. Diese Frauen waren brutal und streitsüchtig, konnten fluchen und raufen wie ihre Männer und standen ihnen im trinken nicht nach. Von 1805 bis 1815 gab es hier öfters Einquartierungen von Freund und Fein, was dauernd Belästigungen und Opfer für die Einwohner und die Gemeinde mit sich brachte. Die Gemeinderechnungen von 1813 bis 1816 weisen an Einquartierungskosten und Kriegssteuern allein den Betrag von 5 061 Gulden auf. Es waren österreichische, württembergische und französische Truppen hier im Quartier. Nach der Völkerschlacht bei Leipzig, als Napoleon geschlagen wurde, kamen auch russische Soldaten nach Weilen als Verbündete. Vom 16. Dezember bis 25. Dezember 1813 waren 700 russische Soldaten hier im Quartier, darunter auch ein Major. Da in Weilen damals kein Wein vorhanden war, mussten für die Herren Offiziere Wein, Kerzen, Rettiche, Sellerie und sonstige Lebens und Genussmittel, darunter auch Kaffee und Zucker beschafft werden. Das alles wurde in Schömberg auf Rechnung der Gemeinde Weilen geholt. Vom 7. bis 9. Januar 1814 war russische Artillerie in Weilen im Quartier; wieder mussten Lebensmittel und außergewöhnliche Zutaten gegeben werden. Diese Abteilung erpresste von der Gemeinde den Betrag von 102 Gulden 48 Kreuzer, da sie angeblich nicht gut verpflegt worden sei. Von diesem Betrag erhielt die Gemeinde 50 Gulden von der Amts-pflege Spaichingen erstattet. Weiter musste der Schmiedemeister Sebastian Koch und der Schmied von Ratshausen russische Pferde beschlagen, und zwar je 3 Tage lang, sie erhielten dafür von der Gemeinde je 14 Gulden. Während die russischen Soldaten hier waren, ereignete sich ein Zwischenfall, der in der Folgezeit immer wieder von alten Leuten mit Genugtuung erzählt wurde. Bei dem Schmiedemeister Sebastian Koch, dessen Schmiede heute noch steht und als Garage von Friedrich Seifriz umgebaut ist (Gebäude Nr.55), war ein Schmiedegeselle beschäftigt mit Namen Simon Koch. Er war 1789 in Weilen als Sohn des Josef Koch und seiner Frau Ursula geborene Weinmann geboren und wohnte bei seinen Eltern im Haus Nr. 38 in der Hauptstraße. Als dieser Schmiedegeselle nach Feierabend nach hause wollte und das Kirchgäßchen herabkam, sah er einen russischen Offizier mit seinem Burschen hoch zu Pferd. Der Offizier schlug gerade auf 2 Weilener Bürger mit seiner Reitpeitsche ein, da sie ihn nicht vorschriftsmäßig und ehrerbietig gegrüßt hätten. Auch der Gruß des Schmieds Simon Koch gefiel dem Offizier nicht, da er seine Mütze nicht ordnungsmäßig abgenommen hätte, und er schlug auch mit seiner Peitsche auf den Schmiedegesellen ein. Aber da kam er an den Unrechten; der war ein außergewöhnlich starker Mann von 25 Jahren und zudem unerschrocken und mutig. Er warf den Offizier samt dem Pferd in den Graben neben dem Haus Nr. 33 (Heute Eigentum des Viktor Blepp). Der Wassergraben war bis vor 8 Jahren noch offen. Der Bursche des Offiziers entging dem gleichen Schicksal, indem er mit seinem Pferd die Flucht ergriff und um Hilfe rief. Simon Koch musste schnell verschwinden, weil sofort russische Soldaten, die in der Nähe im Quartier lagen, ihren Landsleuten zu Hilfe kamen. Nur dem Umstand, daß es bereits stark dunkelte, hatte es der Verfolgte zu verdanken, daß er nicht erschossen wurde. Seine Flucht gelang. Er musste sich während des Aufenthaltes der russischen Soldaten versteckt halten; trotz mehrmaliger Kontrolle fanden sie ihn nicht. Es ist weiter bekannt, daß sich verschiedene Einwohner, besonders junge Frauen und Mädchen, während der Anwesenheit der Russen versteckt hielten. Doch auch bei den anderen Truppen, Österreichern und Württember-gern, ging es nicht immer reibungslos ab, wenn sie hier im Quartier lagen. So musste die Gemeinde zum Beispiel für eine österreichische Abteilung 256 Laibe Brot beschaffen, und zwar von der Bäckerei Heinrich Schuler in Balingen, da die Bäckerei hier und die in der Umgegend nicht so viel liefern konnten. Als sich der Abzug der österreichischen Truppen um einige Tage verzögerte, musste neues Brot beschafft werden. Das alte Brot wurde, der Laib um 6 Kreuzer an die Einwohner abgegeben. Die Gemeinde erlitt einen Verlust dadurch, denn bei der Bäckerei Schuler in Balingen hatte ein Laib 7,5 Kreuzer gekostet. Die Gesamtkriegskosten der Gemeinde Weilen von 1813 und 1814 betrugen 788 Gulden 24 Kreuzer. Auch wurden die Bauern zu Vorspann- diensten für die einquartierten Truppen herangezogen, und zwar nicht nur die Pferdebesitzer, sondern auch die mit Ochsenfuhrwerken. So finden sich in den Gemeinderechnungen Vorspanndienste nach Rottweil, Villingen, Donaueschin-gen, Dürbheim, Werenwag u. A. Auch Vieh und Schweine mussten geliefert und von einem Weilener Metzger geschlachtet werden. Die Müllerin Marianne Schäfer von Ratshausen erhielt öfters Geld von der Gemeinde Weilen für Mehl, das von dort zum Brotbacken und Kochen für die Soldaten bezogen wurde. Auch einige Rechnungen liegen für Lieferungen von Heu, Öhmd und Stroh für die Pferde der Soldaten. Einige Male mussten auch kranke Soldaten in die Lazarette Spaichingen und Rottweil gebracht werden. Aus dem Jahr 1811 ist u.a. eine Rechnung vorhanden für 3 Tage mit Essen, Bier, Brot usw. mit 1,5 Gulden. Die Gemeinderechnung von Georgi 1813 bis Georg1 1814 betrug nach der Aufstellung des damaligen Rechners (Gemeindepflegers) Konrad Blepp:
Einnahmen Gulden Kreuzer
Einnahmen ohne Rest vom Vorjahr 542 21 Ausstände vom Vorjahr 1 50 Passive Ausstände 66 31 Passive Kapitalaufnahmen 150 - Steuern und Umlagen 621 11 Blutzehnten - 11 Schulbesoldungsersätze von den Bürgern 41 - Umgehende Geldumlage 3 13 Feldgüterertrag (Verpachtungen) 30 - Biergefälle 7 - Pferchgeld (Verpachtung des Schafpferches) 63 - Schafweideerlös 200 19 Gesamteinnahmen 1 741 57
Ausgaben Gulden Kreuzer
Staatssteuer 713 39 Besoldungen 50 57 Militär-Einquartierungskosten 220 - Oberhohenbergsteuer 490 - An das Kameralamt Rottenmünster, Steuern 8 57 Für 36 Maien und 36 Herbsthühner je 5 Kreuzer 6 - Für 35 Rauchhennen je 10 Kreuzer 5 50 Von 41 Hubenteilen je 1 Kreuzer - 41 Hellerzinsen - 48 Novalzehnten 3 32 Hohenberger Frongeld 4 38 Taubenschlaggeld - 12 Zusammen nach Rottenmünster wurde bezahlt 30 38
Hier noch einige Begebenheiten, die in den Gemeinderechnungen vermerkt sind und bezahlt werden mussten: Der Taufstein in der Kirche ist im Jahre 1812 von dem Stenbildhauer Fidelius Koch von Ratshausen gemacht worden; er kostete 10 Gulden und 32 Kreuzer. In den Jahren von 1812 bis 1815 hatten die württembergischen Gemeinden viel unter Truppendurchzügen und Aushebungen zu leiden. Zuerst waren es die württemberg-badischen und französischen Truppen, die mit Napoleon 1812 gegen Rußland in den Krieg zogen. Als der strenge Winter von 1812 die Franzosen stark dezimierte, verbündeten sich Rußland mit Deutschland gegen Napoleon; die Völkerschlacht bei Leipzig im Oktober 1813 vertrieb das französische Heer vom deutschen Boden; aber es standen noch viele Kämpfe auf französischem Gebiet bevor, bis 1815 Napoleon endgültig besiegt war. Diese vielen Kriege brachten für das gesamte deutsche Gebiet mehr oder weniger viele Einquartierungen und Kriegslasten. Außer den württembergischen Truppen waren im Jahre 1812 bis 1815 auch Franzosen und Russen hier im Quartier. Die französischen und russischen Offiziere sowie auch gewöhnliche Truppenführer verlangten von ihren Quartierleuten Kerzen als Beleuchtung. Für die Offiziere mußten Wein, Bier, Mehl, Brot, Branntwein und Gebrauchsgegenstände in Schömberg ge-holt werden. Besonders lästig waren die vielen Vorspanndienste und Fahrten für das fremde Heer; es sind viele solcher Fahrten aufgezeichnet, nach Rott-weil, Balingen, Ebingen, Donaueschingen, Villingen, Dauchingen und sogar bis nach Meßkirch. Zweimal musste Johann Georg Seifriz nach Werenwag mit Pferden und Wagen fahren, um dort etwas abzuholen. Die Fuhrleute waren oft mehrere Tage unterwegs, und bei den unsicheren Zeiten war das kein Vergnügen. Die Gefallenen und Vermissten der Napoleonischen Kriege sind in Weilen: Matthäus Blepp, geboren 1764 als Sohn des Johann Blepp und seiner Frau Theresia geborene Linse, gestorben als Soldat in Bunzlau in Böhmen 1800. Johann Koch, geboren 1788 als Sohn des Fidelius Koch und seiner Frau Maria-Ursula Koch; nach Berichten eines überlebenden Kame-raden wurde er beim Übergang über die Beresina von Kosaken erschossen. Matthäus Weinmann, geboren 1784 als Sohn des Pantaleon Weinmann und seiner Frau Viktoria geborene Riede, ist anscheinend zwischen Moskau und Beresina gefallen oder erfroren. Franz-Xaver Witz, geboren 1788 als Sohn des Bernhard Witz und seiner Frau Martha geborene Keine, ist verschollen.
Der in den Napoleonischen Kriegen aufgestellte Taufstein im katholischen Gotteshaus
Es waren noch mehrere Weilener Einwohner als Soldaten in Rußland, einige nur als Besatzung in Polen. Von zweien ist bekannt, daß sie bis nach Moskau mit Napoleon 1812 gekommen waren, denn diese beiden haben später eine Auszeichnung erhalten. Es waren Anton Stengele, später Schultheiß in Weilen, und Bauer Matthias Koch, der im Haus Nr. 35 gewohnt hat. Die Kriegsverdienstmedaille von Schultheiß Stengele habe ich selber gesehen und auch die Urkunde der Verleihung habe ich gelesen; beide hatte der Bäckermeister Josef Koch, zuletzt in Schonach bei Triberg wohnhaft, in Besitz. Die Auszeichnung von Matthias Koch, genannt Schwarzer Mattheis, hatte einer seiner Söhne in Verwahrung. Matthias Koch musste bis 1819, als er sich verheiratete, Soldat bleiben; er lief bis 1820 in allen Gemeinderegistern als Matthias Koch, Soldat. In den Befreiungskriegen gegen Napoleon haben ebenfalls mehrere Weilener Männer teilgenommen. Nachweisbar in Frankreich gefallen sind: Josef Seng, geboren 1789 als Sohn des Vogtes Klemens Seng, gefallen 1814 bei Troys in Frankreich und Johannes Seifriz, geboren 1794 als Sohn des Wagners Johannes Seifriz und seiner Frau Maria geborene Witz, Soldat beim Fuhrwesen der Infanterie, gestorben an weißer Ruhr 1814 auf dem Weg in ein Pariser Spital. Das Jahr 1816 war ein vollständiges Hunger- und Mißjahr. Die Ernte reifte infolge des vielen Regens nicht und konnte nicht eingebracht werden; im August fiel bereits wieder Schnee. Die Gemeinde musste für die armen Leute sorgen, und es wurden daher 2mal 3 Wagen ins Oberland geschickt, um dort Hafer, Gerste und Kartoffeln zu holen, was dann an die armen Leute aufgeteilt wurde. Der Staat hatte daher ein Einsehen und erließ der Gemeinde 222 Gulden Staatssteuer. 1816/1817 wurde ein außerordentlicher Holzein-schlag gemacht; der Erlös betrug 76 Gulden 19 Kreuzer. An der Kopfsteuer wurde der Gemeinde in diesem Rechnungsjahr ein Betrag von 48 Gulden nachgelassen. Durch Napoleon war 1805 die Grafschaft Oberhohenberg und damit Weilen zu Württemberg gekommen. Seither mußten die Gemeinderech-nungen einschließlich der Rechnungsbelege zur Prüfung an das Oberamt Spaichingen geschickt werden. Nach erfolgter Prüfung seitens eines Rechnungssachverständigen wurde ein Beamter vom Oberamt in die einzelnen Orte gesandt; hier wurde vor der versammelten Bürgerschaft die Rechnung den Bürgern vorgetragen. Dabei konnte jeder Bürger dem Beamten des Oberamtes seine Klagen vortragen. Die Gemeinderechnung von 1849/1850 weist in Einnahme und Aus-gabe den Betrag von 4 596 Gulden auf. Mit der Zunahme der Bevölkerung stiegen die Einnahmen und auch Ausgaben der Gemeinde. Aber der Boden konnte nicht mehr alle Einwohner ernähren.
3.3 Der Siebziger Krieg und der erste Weltkrieg
Über den Krieg 1866 zwischen den beiden deutschen Staaten Preußen und Österreich ist nicht viel Wesentliches zu berichten; in unserer Gemeinde waren keine Opfer zu beklagen. Der Deutsch-französische Krieg von 1870/71 forderte einen Gefallenen. Soviel ich von alten Leuten erfahren konnte, waren aus Weilen 8 Mann als Soldaten im Krieg:
Konstantin Seifriz, geboren 1845, Sohn von Stanislaus Seifriz, später nach Amerika ausgewandert. Georg Dieringer, geboren 1845, Sohn von Leonhard Dieringer, hier verheiratet und 1927 gestorben. Johannes Koch, Bildhauer, später Professor, geboren 1848, gestorben 1907 (vgl. Seite 150). Anton Weinmann, genannt der Widmann, geboren 1847 als Sohn von Susanna Weinmann, in Amerika 1895 gestorben. Franz Xaver Koch, Bierbrauer, geboren 1844 als Sohn des Schusters Johannes Koch, in Ravensburg 1880 gestorben. Johannes Seifriz, geboren 1845, Sohn von Christian Seifriz, 1870 bei Villiers durch Bauchschuss verwundet und 1871 im Lazarett in Chroysi gestorben. Germann Weinmann, Metzger, geboren 1844 als Sohn von Johannes Weinmann, hier 1914 gestorben. Christian Reiner, geboren 1841 in Deilingen als Sohn von Josef Reiner und Euphenie Seng von Weilen, verheiratet 1873 in Weilen mit Maria geborene Weinmann und 1913 gestorben.
Der Erste Weltkrieg kündigte sich durch dunkle Gewitterwolken am politischen Himmel an. Am 1. August 1914 erfolgte die Mobilmachung Frankreichs und Deutschlands. Beim Ausbruch des Krieges wurden das deutsche Volk und auch die Weilener Einwohner in größte Erregung versetzt. Einige Leute wurden fast hysterisch; die unglaublichsten Dinge und Gerüchte waren in Umlauf. Besonders gingen Gerüchte über Spione um, welche das Wasser und die Wasserleitungen vergiften, die Brücken und traßenkreuzungen sprengen würden usw. Nach einer Verordnung im Zuge der Mobilmachung mußten die Straßenkreuzungen und die Wasserbehälter durch Doppelposten bewacht werden, die mit Gewehren bewaffnet waren. Sämtliche Autos und Fußgänger wurden angehalten und kontrolliert. Die Arbeit ruhte vollständig, und es wurden nur noch die dringendsten Arbeiten verrichtet, wie das Füttern des Viehes und sonstige ganz notwendige Verrichtungen. Man sah immer wieder Gruppen von Leuten beisammenstehen, welche ihre Meinungen über die neuesten Gerüchte besprachen. Täglich mußten neue Männer zu den Waffen einrücken. Die Eisenbahn beförderte nur noch Militärtransporte und solche Personen, welche zu den Waffen einberufen wurden. Die Schulen auf dem Lande wurden meist geschlossen, weil die Lehrer zum Teil zu der Wehr- macht einberufen wurden, so auch unser damaliger Hauptlehrer Richard Pfletschinger. Erst im Herbst 1914 kam von Schömberg Lehrer Dürr einige Male in der Woche nach Weilen, um auch hier Schule zu halten. Erst allmählich kehrten wieder normale Zustände ein. Allgemein herrschte die Ansicht, daß der Krieg bis Weihnachten beendet sei, und zwar siegreich, besonders als im Anfang eine Siegesnachricht nach der anderen eintraf. Aber bereits Mitte September, als die Marneschlacht im Westen verlorenging und die deutschen Truppen nach schweren Verlusten zurückgeschlagen wurden, kam der Siegesglaube ins Wanken. Im Frühjahr 1915 erschienen die ersten feindlichen Flieger und warfen Bomben auf die Pulverfabrik in Rottweil ab; in den folgenden Monaten wurden die Bombardierungen immer häufiger und ernster. Bei den ersten Angriffen dieser Flieger glaubten viele Leute, daß die Sprengwölkchen auch Flieger seien, und sie bekamen es mit der Angst zu tun, indem sie glaubten, die vielen Flieger könnten auch auf die Ortschaften Bomben abwerfen. Am 2. November 1914 begannen die Engländer mit der Hunger-blockade, deren Folgen sich in der Ernährung und Kriegsführung in ver-hängnisvoller Weise bald bemerkbar machten. Mehrere Jahre nach dem Krieg hatte das Volk an Unterernährung zu leiden; die Verluste an Menschenleben infolge der Unterernährung übertrifft die Zahl der Gefallenen 1914 wurde von der deutschen Regierung in Berlin beschlossen, die Zwangswirtschaft der Lebensmittel einzuführen, und 1915 erfolgte die Beschlagnahme der Getreidevorräte; die Lebensmittel wurden rationiert. Es wurde das Kriegsbrot eingeführt, bei älteren Leuten wird dies noch in Erinnerung sein. Es wurden Lebensmittelkarten eingeführt. Die Vorschriften waren notwendig, aber hart, die meisten Bäcker, Müller und auch die Bauern kamen im Verlauf des Krieges mit dem Gesetz in Konflikt. Was aber besonders die Bauern hart traf, das waren die von Zeit zu Zeit stattfindenden Kontrollen und Hausdurch-suchungen nach Mehl, Getreide, Fleisch und Milch. Es fanden Haussuchungen mit Probemelken durch Kommissionen statt. Diese Kommissionen waren erfahren und fanden meistens etwas. In ihnen waren meist Arbeiter aus den Städten vertreten, die auf die Bauern damals nicht gut zu sprechen waren. Mit der Zeit hatten sie gewisse Übung bekommen, Getreide, Speck und sonstige Lebensmittel zu finden. Die Kinder wurden von Landjägern verhört und ausgefragt, wo Vater und Mutter die Sachen versteckt hätten. In einigen Häusern kam es gelegentlich zu Zwischenfällen und Auseinandersetzungen zwischen Bauern und Kommissionen, besonders wenn Urlauber von der Front im Urlaub waren, die zu Anfang des Krieges ihre Gewehre mit heimnehmen durften. Da die Bauern und Landwirte keine größeren Rationen an Brot und Fleisch erhielten, reichten die Nahrungsmittel einfach nicht aus, wenn man den ganzen Tag, oft 12 bis 15 Stunden, im Freien schwer arbeiten musste. Daher gingen immer einige Leute zusammen bei Nacht zur Sägemühle, um dort Mehl gegen Getreide umzutauschen. Es wurden Wachen aufgestellt, denn die Müller hatten ganz scharfe Kontrollen bei Tag und Nacht zu bestehen. Das beschlagnahmte Getreide der ganzen Ernte wurde von der Kommission gewogen und nach Abzug des Saatgutes und des rationierten Eigenver-brauchs aufgeladen und fortgeführt. Die Preise waren so niedrig, daß von einer rentablen Landwirtschaft keine Rede mehr sein konnte. Die Leute in den Städten litten aber noch mehr Hunger als die Landleute, besonders wenn sie kein Gemüse und keine Kartoffeln in ihren Gärten anbauen konnten. Da die Arbeiter, die in den Munitionsfabriken arbeiteten, zum Teil viel Geld verdienten und da andererseits um Geld immer noch Lebensmittel zu kaufen waren, setzte eine Hamsterei ein. Die Stadtleute kamen in Scharen aufs Land, um sich hier Lebensmittel zu erwerben. Ersatzstoffe waren wie im Zweiten Weltkrieg Holz und Brenn-nesseln; sie hielten sich nicht lange. Der Winter 1916 auf 1917 wurde Kohl-rabenwinter genant, die Kartoffelernte 1916 war wegen ungünstiger Witte-rung schlecht ausgefallen. Die Brotrationen, die im Winter noch auf täglich 225 Gramm waren, wurden auf 200 Gramm herabgesetzt, im Jahre 1918 auf 160 Gramm, und zuletzt auf 135 Gramm. Diese kleinen Rationen konnten selbstverständlich niemals ausreichen, und wer sich nicht zusätzlich versor-gen konnte, starb an Unterernährung und erlitt den Hungertod. Unter diesen Umständen war das Volk froh, als am 9. November 1918 Waffenstillstand eintrat und 1919 Frieden geschlossen wurde. Die Bedingungen waren allerdings sehr hart, die dem deutschen Volk auferlegt wurden. Da die Regierung den Krieg noch zeitig abgebrochen hatte, wurde dem deutschen Volk eine Besetzung erspart, wie wir sie 1945 erlebten. Die Kirchenglocken hätten im Jahr 1917 abgeliefert werden sollen, wurden aber wegen ihres hohen Alters wieder freigegeben. Im Verlaufe der Monate November und Dezember 1918 kehrten die meisten Soldaten wieder in ihre Heimat zurück. Diejenigen, die in Gefangenschaft oder noch als Verwundete in Lazaretten lagen, kehrten erst später zurück. Am 26. Januar 1919 veranstalteten bürgerliche Gemeinde und Kirchengemeinde zusammen eine Begrüßungsfeier. Vormittags um 9 Uhr war gemeinsamer Kirchgang vom Rathaus aus. Alle Kriegsteilnehmer waren in Feldgrau erschienen. Voraus wurde die Fahne des Kriegervereins getragen, und nach den Kriegsteilnehmern marschierten der Schultheiß und die Gemeinderäte und zum Schluss dann die sonstigen Gemeindeangehörigen. Die Kirche war festlich geschmückt und von dem Maler Ulrich Koch mit sinnvollen Innschriften versehen. Pfarrer Stehle hielt eine zu Herzen gehende Predigt mit Begrüßungsworten an die heimge-kehrten Soldaten. Mittags gab es auf Kosten der Gemeinde ein Festessen im Gasthaus zum Kreuz für alle ehemaligen Kriegsteilnehmer. Abends war noch geselliges Beisammensein im Kreuz, wobei verschiedene Ansprachen gehalten wurden. Im Namen der Soldaten bedankte sich Georg Seifriz. Ein Krieger- denkmal wurde zuerst in der Kirche auf der Männerseite angebracht. Später wurde eine Kriegergedächtniskapelle auf dem Friedhof erbaut. Im Ersten Weltkrieg hatte die kleine Gemeinde Weilen 7 Gefallene zu beklagen. Ihre Namen sind:
Johann Butz, geboren 1892 als Sohn von Elisabeth Butz, bei Ypern 1915 vermisst, wahrscheinlich von einer schweren Granate ver- schüttet und getötet. Heinrich Dieringer, getroffen von einer Gewehrkugel 1914 bei Seichprei/Toule. Gebhard Dieringer (Bruder von Heinrich Dieringer), geboren 1896 als Sohn des Straßenwarts Georg Dieringer, gefallen 1917 in Flandern, begraben auf dem Soldatenfriedhof St. Josef in Flandern. Johann Narr, geboren 1878 als Sohn von Matthäus Narr, gefallen 1917 bei La Bassée, begraben auf dem Soldatenfriedhof Salome bei La Bassée. Matthäus Seifriz, geboren 1896 als Sohn von Meinrad Seifriz und Maria, geborene Koch. Gefallen 1917 bei Pelves vor Arras durch einen Granatsplitter am Kopf und durch Verschüttung, begraben ist er auf dem Friedhof zu Vitry im Artis, Grab Nr. 298. Gustav Weinmann, Hauptlehrer, geboren 1880 als Sohn von Josef Weinmann und Theresia geborene Koch, gefallen 1917 auf Nachtpatrouille im Houthulster Wald in Flandern, begraben auf dem Friedhof St. Josef in Flandern (wie Gebhard Dieringer). Wilhelm Karl Weinmann, geboren 1898 als Sohn von Jordan Weinmann und Sofie geborene Blepp, 1918 am Kopf schwer ver- wundet und in einem Lazarett in Belgien gestorben.
Die Gemeinde Weilen ist mit diesen 7 Gefallenen noch verhältnismäßig gut weggekommen; Schörzingen hatte 32 Gefallene. Kriegsteilnehmer waren außer diesen7 Gefallenen 61 Männer und Jünglinge aus Weilen. Von diesen 61 waren zwar nicht alle in Weilen wohnhaft, aber sie waren hier geboren und hatten Eltern und Geschwister hier. Von den Frontsoldaten gerieten im Verlauf des Krieges 5 Mann in Kriegsgefangenschaft. Über die Hälfte wurde verwundet, einige sogar mehrere Male. Nach dem Krieg kam es zu Inflation; sie hatte sich schon am Ende des Krieges bemerkbar gemacht. Sie dauerte bis November 1923. Eine Goldmark neuer Währung hatte einen Wert von 1 Billion Reichsmark. Der Verlauf der Inflation und deren Auswirkungen sind noch allgemein bekannt.
Die nach dem Zweiten Weltkrieg erbaute Kriegergedächtniskapelle
3.4 Die achtzehn Opfer des Zweiten Weltkrieges
Erst zwanzig Jahre waren seit Ende des Ersten Weltkrieges vergangen. Man sollte meinen, daß die Völker noch übergenug von Krieg und Kriegsgeschrei hätte, da brach am 1. September 1939 ein noch fürchterlicher Krieg aus als der Erste Weltkrieg. Der Zweite Weltkrieg dauerte bis Mai 1945, also über 5 Jahre lang. Er endete mit der Besetzung von ganz Deutschland durch die Sieger. Das einst so mächtige und große Deutschland ist heute geteilt und durch große Gebiets-verluste im Osten nur noch ein Schatten seiner ehemaligen Größe. Alle diese Tatsachen sind bekannt. Ich möchte hier das niederschreiben, was Weilen selber betroffen hat. Von einer Begeisterung wie zu Anfang des Ersten Weltkrieges konnte nur wenig bemerkt werden. Vereinzelte Hitleranhänger glaubten, daß dieser Krieg für das deutsche Volk zur Er-haltung und Erweiterung des „Lebensraumes“ notwendig sei. Als Norwegen und später auch Frankreich geschlagen waren, glaubten schon viele an einen Endsieg und baldigen Frieden. Aber als 1941 auch der Krieg gegen das große Rußland und damit ein Zweifrontenkrieg begann, sahen viele Leute, daß ein Sieg, wenn er überhaupt möglich war, nur unter schweren Opfern und langen Kämpfen noch zu erreichen sei. Als dann die ersten Verluste und die Meldung von Gefallenen hier eingingen und diese sich häuften, sank der Siegesrausch. Von Weilen waren auch 2 Soldaten bei der eingeschlossenen Stalingrader Armee. Karl Reiner und der verheiratete Alfons Seifriz schrieben anfangs Januar 1943 zum letzten Mal aus dem Kessel von Stalingrad; seither sind sie vermisst. Immer mehr Verlustmeldungen kamen hier an. Die Glocken mußten schon im März 1942 abgeliefert werden. Die deutsche Armee ging an allen Fronten zurück. Die feindlichen Flugzeuge warfen die Städte nach und nach zusammen. Beim Fliegerangriff auf Stuttgart sind die meisten Weilener aufgestanden, weil die Fenster klirrten und die Türen vibrierten, vom Luftdruck gerüttelt. Immer mehr Männer wurden zum Waffendienst eingezogen. Viele Leute, welche damals schon Rundfunkempfänger hatten, hörten fremde Sender, besonders den Schweizer Sender Beromünster. Da konnten sie erfahren, wie die eigentliche Kriegslage war. Vom Frühjahr 1945 an griffen feindliche Flieger auch die Städte Ebingen und Balingen sowie das Zementwerk Dotternhausen an. Auf dem Feld zu arbeiten war oft gefährlich, weil bei hellem Wetter Flieger, sogenannte Jabos, heranbrausten, um irgendein Ziel anzugreifen, Landwirte auf den Feldern und Fuhrwerke auf den Straßen. Von April an hörte man Geschützfeuer aus der Gegend von Freudenstadt; das Kanonengedonner kam immer näher. Unser Dorf war durch die Fliegerangriffe auf Stuttgart, Pforzheim, Karlsruhe und Freiburg von Einwohnern überbelegt; denn die gebürtigen Weilener aus diesen Städten suchten Zuflucht hier. Außerdem waren noch 60 Estländer in Weilen, die bei den Ölschieferwerken in Schömberg und Umgebung in Arbeit standen. Von Oktober 1944 bis Ende 1945 musste ich über 520 Personen mit Lebensmittelkarten und sonstigen Bezugsscheinen versorgen. Die Verpfle-gungssätze waren höher als im Ersten Weltkrieg; dennoch reichten die zugeteilten Rationen nicht aus, um alle Menschen genügend zu ernähren. Eine Hamsterei setzte ein wie im Ersten Weltkrieg. Für Geld konnte man nicht viel bekommen. Lebensmittel wurden gegen andere Waren eingetauscht. Dieser Zustand hielt auch nach dem Krieg bis zur Währungsreform im Jahre 1948 an. Von den 11 Gefallenen der Gemeinde Weilen im Zweiten Weltkrieg sind 7 an der Ostfront und 2 in Italien gefallen. Weitere 2 mußten in Deutschland selber am Ende der Kämpfe ihr Leben lassen. Im folgenden werden die Namen der 11 Gefallenen der Gemeinde Weilen aufgeführt:
Hermann Stauß, geboren 1909 als Sohn von Josef Stauß und Theresia geborene Seifriz, gefallen bzw. Gestorben 1941 in Minsk. Lorenz Stauß (Bruder von Hermann Stauß), geboren 1922, gefallen 1942 bei Leningrad durch einen Kopfschuss. Josef Seifriz, geboren 1916 als Sohn von Lorenz Seifriz und Emilie geborene Reiner, gefallen 1943 bei Leonowa in Rußland. Alfons Seifriz (Bruder von Josef Seifriz) geboren 1920, gefallen 1943 bei Kowalenko im Kaukasus. Alfons Weinmann, Lehrer, geboren 1902 als Sohn von Josef Wein- mann, Waldhornwirt, und Helene geborene Koch, gefallen 1944 in Italien. Guido Weinmann, geboren 1924 als Sohn von Johannes Weinmann, Gemeindepfleger, und Walburga geborene Seifriz, gefallen 1943 in Italien, begraben in Livorno in Sizilien. Franz Koch (Bruder von Julius und Oskar Koch), geboren 1914 in Weilen als Sohn von Konrad Koch, Gipser, und Anna geborene Krachenfels, gefallen 1943 in Rußland. Johannes Seifriz, geboren 1915 als Sohn von Jakob Seifriz und Anna geborene Dannecker, gefallen durch Granatsplitter 1941 bei Kremetschung in Rußland. Konstantin Seifriz, geboren 1911 als Sohn von Leo Seifriz und Frieda geborene Weinmann, gefallen durch Granatsplitter 1942 bei Novorosik in Rußland. Anton Stauß, geboren 1912 als Sohn von Amand Stauß und Theresia geborene Sayle, gefallen 1945 in Neckargartach. Georg Burry, geboren 1923 als Sohn von Franz Burry und Amalie geborene Blepp, gefallen 1945 bei Waake (Kreis Göttingen) in Niedersachsen.
Von den 7 Vermissten der Gemeinde Weilen sind alle im Osten geblieben, und zwar 6 in Rußland und Ostpreußen sowie 1 in Rumänien:
Hugo Eckenweber, geboren 1917 als Sohn von Paul Eckenweber und Emma geborene Seifriz, vermisst seit 1941 in Rußland. Karl Reiner, geboren 1921 als Sohn von Josef Reiner und Magda- lena geborene Seifriz, vermisst seit 1943 in Stalingrad. Alfons Seifriz, geboren 1903 als Sohn von Jordan Seifriz und Maria geborene Koch, vermisst seit 1943 in Stalingrad. Julius Koch (Bruder von Julius und Oskar Koch), geboren1913 in Triberg als Sohn von Konrad Koch, Gipser, und Anna geborene Krachenfels, beide von Weilen, vermisst sei 1944 bei Wittewsk in Rußland. Oskar Koch (Bruder von Julius und Oskar Koch), geboren 1925 in in Triberg als Sohn von Konrad Koch, Gipser, und Anna geborene Krachenfels, vermisst 1945 bei Graudenz. Mamertus Wiehl, geboren 1914 in Schwenningen als Sohn von Karl Anton Wiehl, Metzger, und Anna geborene Krachenfels, vermisst 1944 in Rumänien. Oskar Seifriz, geboren1923 als Sohn von Jakob Seifriz und Anna geborene Dannecker, vermisst 1945 in Ostpreußen.
Schmerzensreiche Muttergottes in der Kriegergedächtniskapelle auf dem Friedhof.
Auch in Weilen wurden während des Dritten Reiches alte Bräuche verpolitisiert, wie hier der Maibaum.
Erntedankfest in Weilen zu Anfang des Dritten Reiches
3.5 Die letzten Tage des Tausendjährigen Reiches
Von Anfang April 1945 war klar zu sehen, daß der Krieg verloren war und daß es nur noch Tage oder höchstens einen Monat dauern konnte, bis er endgültig zu Ende ging. Der Geschützdonner kam immer näher, und die Flieger wurden bei hellem Wetter eine Gefahr für alle. Die KZ-Häftlinge der Ölschieferwerke Schörzingen, Schömberg und Umgebung marschierten am Abend und in der Nacht durch unseren Ort. Sie zogen Karren mit Lebensmitteln und Ausrüstungsstücken mit. Die Begleitmannschaften und Leiter der Lager trieben sie mit Peitschen und Stöcken an wie Zugtiere. Viele Einwohner von Weilen steckten den Häftlingen Brot, Kartoffeln und andere Lebensmittel zu, besonders einer Kolonne, die auf der Höhe der Angelstraße für etwa 20 Minuten Halt machte. Während dieser Rast versuchte ein Häftling zu entfliehen, indem er sich in einem Beerengärtlein verkroch. Als vor dem Weitermarsch eine Kontrolle den Fehlenden bemerkte, suchte man ihn mit großen Bluthunden. Man hat ihn auch gefunden. Der Gefangene war ein polnischer katholischer Pfarrer. Er wurde so zusammengeschlagen, daß er nicht mehr stehen konnte. Er versuchte zunächst, sich auf Händen und Knien fortzubewegen und wurde dann auf einen Karren geworfen, als er nicht mehr weiterkam. Die Wachmannschaften sagten zu ihm, sie würden ihn nachher erschießen, wenn er nicht mehr mitkomme. Als einige Leute für den Gefangenen baten, wurden auch sie mit Erschießen bedroht. Am 17. April 1945 wurden die männlichen Einwohner von Volks-sturmführern zusammengerufen. Es mußten durch Fällen von Bäumen und Tannen an der Straße von Schömberg nach Weilen im Wald Withau und an der Wochenbergstrasse Panzersperren errichtet werden. Die Straße wurde vorerst nur beengt und sollte dann später, wenn der Feind näher kam, vollends zugeworfen werden. Am 20. April gegen Abend zogen deutsche Soldaten etwa 2 Stunden lang durch Weilen, viele davon waren bereits ohne Waffen. Einige Kompanien kamen durch den Wald Withau direkt übers Breitenried. Feindliche Flieger verfolgten die Soldaten und feuerten mit Bordwaffen auf sie, so daß sie sich hinwarfen oder auf die Flieger in Deckung des Beitenriedgrabens das Feuer erwiderten. Um 5 Uhr abends hatten bereits die Franzosen, etwa 1 000 an der Zahl, die Stadt Schömberg besetzt. Sie kamen von Westen her, blieben im Quartier in Schömberg und zogen erst am 21. April etwa 8 Uhr morgens weiter über Weilen in Richtung Deilingen. Etwa um ¾ 8 Uhr kamen 2 SS-Offiziere auf das Rathaus in Weilen und verlangten sofort alle verfügbaren Leute mit Sägen und Äxten, sie sollten im Withau die Panzersperre schließen. Ich sagte ihnen, daß dies ein Unsinn sei, denn die Panzer würden nicht aufgehalten dadurch, sie könnten über den Reutebühl ungehindert nach Weilen kommen. Ich weigerte mich ganz entschieden, diesem Befehl folge zu leisten, denn ich hatte von Stadtpfarrer Lackner aus Schömberg telephonisch die Nachricht erhalten, daß mindestens 1 000 Franzosen mit etwa 80 Panzern und Kanonen in Schömberg wären; sie hätten um 8 Uhr Feldgottesdienst gehalten und seien jetzt zum Weitermarsch gerüstet. Die beiden SS-Offiziere sagten, daß der ganze Albrand von einer deutschen Armee besetzt wäre, die den Feind in einigen Stunden vernichtet würde. Ich glaubte die nicht und weigerte mich weiterhin, den Befehlen nachzukommen. Daraufhin zogen sie ihre Pistolen und sagten, daß sie mich erschießen müssten laut höherem Befehl. Da die Telephonverbindung inzwischen abgeschnitten wurde, konnte ich mit Schömberg keine Verbindung mehr bekommen. Ich ging nun vor das Rathaus, wo inzwischen der Lärm viele Leute angelockt hatte, und sagte den Leuten, daß die beiden Offiziere verlangten, daß die Weilener Einwohner eine Panzersperre zu machen hätten, daß die Franzosen jeden Augenblick kommen würden, um alle zu erschießen, die sie am Weitermarsch hindern, und daß dann auch der Ort zusammen- geschossen würde. Die Leute flohen und versteckten sich; die beiden Offiziere suchten sie, um sie zu zwingen, den Befehlen nachzukommen. In der Not wollte ich durch den Withau nach Schömberg gehen. Aber als ich in der Nähe des Friedhofes kam, hörte ich die französischen Panzer bereits oben am Withau heranrasseln. Sie eröffneten Maschinengewehrfeuer auf Weilen und fuhren langsam dem Orte zu. Da ich in meiner Wohnung eine weiße Fahne bereithielt, rannte ich vom Rathaus in Richtung meines Hauses. Doch standen bereits die Panzer am Angelbühl und schossen so stark, daß mir von einigen Aufschlägen der Dreck der Straße ins Gesicht spritzte. Ich rannte zurück, zog am Waldhorneck ein weißes Ta-schentuch und winkte, worauf das Feuer sofort eingestellt wurde. Es war kein Mensch auf der Straße zu sehen. Die ersten Panzerbesatzungen hielten und fragten ob der Ort von deutschen Soldaten besetzt sei, was ich ver-neinte. Darauf fuhren sie ohne Behinderung weiter Richtung Deilingen. Es waren mindestens 80 Panzer und eine große Anzahl von Panzerwagen, Geschützen und Lastwagen mit französischem Militär. Die Franzosen haben sich gegen die Zivilbevölkerung vorbildlich verhalten. Es gab überhaupt keine Zwischenfälle oder Belästigungen von Zivilpersonen. Etwa 2 Stunden lang dauerte der Durchmarsch. In dieser Zeit war es unmöglich die Straße zu überqueren. Erst am Mittag nahm die Dichte des Durchmarsches ab, es kamen nur noch vereinzelte Fahrzeuge, wie Lastwagen und Munitionskolonnen. Wie friedlich der Nachschub war, zeigt folgende Begebenheit: Die damals 80 jährige Witwe Elisabeth Weinmann geborene Butz backte nachmittags im Backhäusle und war mit ihrem Wägelchen auf dem Heimweg, als am Angelbühl auf der Höhe von Gebäude Nr. 12 eine Kolonne französischer Lastwagen mit Munition nahte. Da Witwe Weinmann auf der Straßenmitte fuhr und die Übersicht erst auf etwa 20 Meter Entfernung möglich war, riß der vorderste Lastwagenfahrer das Steuer schnell nach links, um die Frau nicht zu überfahren; dabei prallte der Lastwagen auf einen Telphonmasten auf, überschlug sich, und die ganze Ladung wurde auf meine Hoffläche geworfen, wo zum Glück ein Reisighaufen lag. Auch der Fahrer und die 3 Beifahrer wurden in den Reisighaufen herausgeworfen. Die Franzosen gingen zu der Frau hin und sagten zu ihr: „Du Frau, warum du Mitte Straße gelaufen, und nicht auf der Seite?“ Darauf Witwe Weinmann geborene Butz: „Ich bin doch do dena gfahra und bin it schuldig.“ Die Soldaten lachten und da ihnen nicht viel passiert war, stellten sie den Lastwagen mit Hilfe der Besatzung wieder auf und reparierten ihn notdürftig. Nach einer halben Stunde konnten sie wieder weiterfahren. Der Wagen war aber schwer beschädigt und musste in eine Reparaturwerk-stätte gebracht werden. Als wir den Reisighaufen später aufarbeiteten, fanden wir mehrere hundert Patronen und überschwere Munition für Maschinengewehre, die ich ablieferte. Die Straße nach Deilingen war von den Panzerketten ganz aufgewühlt, sie glich einem Acker, besonders in den Kurven. Es dürfte noch gefragt werden, wohin die beiden SS-Offiziere nach dem schnellen Einmarsch der Franzosen gekommen sind. Sie verschwanden hinter den Häusern, versteckten sich und flohen später am Weilerbach entlang in Richtung Ratshausen. Der Nachbarort wurde nämlich erst 3 Tage später besetzt.
3.6Von Tschechen, Polen und Franzosen besetzt
Nach dem Krieg waren hier vorerst 6 Zivilfranzosen als Besatzung; Sie waren mit Gewehr und Pistolen bewaffnet. Bis zu ihrem Abzug am 20. Mai 1945 herrschte hier Ruhe und Ordnung. Von abends 9 Uhr bis morgens um 5 Uhr war Sperrfrist; es durfte niemand auf der Straße sein. Es waren zweimal Zivilpersonen im Rathaus eingesperrt, da sie nach der Sperrzeit im Freien angetroffen wurde. Nach dem Wegzug der 6 Zivil-franzosen gab es zunächst keine Besatzung hier; erst im Juli wurden 2 Tschechen eingesetzt; sie hatten aber von den Franzosen und Polen Angst und schritten bei Plünderungen und Requisitionen nicht ein. In den Lagern der Ölschieferwerke war nämlich nach dem Einmarsch der Fran-zosen einigen hundert ehemaligen Häftlingen Unterkunft gewährt worden, die vorerst von den umliegenden Ortschaften verpflegt werden mußten. So musste Weilen 350 Laibe Brot, 12 Zentner Fleisch und Fett, Mehl, Kar-toffeln und sonstige Lebensmittel liefern, auch 3 Tage lang täglich 50 Liter Vollmilch. Später wurden diese Ausländer von der UNRA verpflegt. Im Lager Dautmergen wurden deutsche Soldaten als Gefangene gehalten; auch für sie wurden später Kleider und sonstiger Bedarf gesam-melt. In den umliegenden Orten wie Schömberg, Schörzingen, Dotternhausen usw. waren französische Truppen einquartiert. Da in Weilen keine Franzosen waren, versuchten diese immer wieder, hier zu requirieren. Besonders auf Eier, Geflügel, Kälber und Schweine hatten sie es abgesehen. In der ersten Zeit drangen sie einfach in die Häuser ein und holten sich, was sie wollten und fanden. Nicht nur Lebensmittel wurden geraubt, sondern auch Uhren, Ringe und sonstiger Hausrat. Ein ganz besonders gefährlicher Tag war der 24. April 1945. Am Nachmittag etwa um 13.50 Uhr zog eine französische Nach-schubkolonne von Schömberg herkommend hier in Richtung Deilingen durch. Es waren 6 Lastwagen, welche mit Planen abgedeckt waren. Als die Kolonne im Juchtewald war, sahen die Franzosen, wie einige deutsche Soldaten gegen den Mittelbach sprangen. Es war ein versprengter Trupp, der sich auf dem Weg in die Heimat befand; in den Wäldern konnte man öfters einzelne Soldaten oder kleinere Trupps sehen, die nach Hause wollten.3 Soldaten kehrten im Wald um, als sie die Franzosen sahen. Diese eröffneten sofort das Feuer auf die Deutschen, die das Feuer erwiderten, über das Feld Hürsten dem Ort Weilen zusprangen und sich in einem Haus versteckten. Die ganze französische Kolonne kehrte um und durchsuchte alle Häuser, fand aber die 3 deutschen Soldaten nicht; diese verzogen sich nach Einbruch der Dunkelheit. Da die Franzosen meinten, die Einwohner steckten mit den Soldaten unter einer Decke, wurden 3 Männer von hier verhaftet und sollten nach dem Verhör erschossen werden. Durch die Fürsprache von Pater Hilarion und von 2 barmherzigen Schwestern gelang es, die 3 Männer wieder freizubekommen. In den ersten Nächten nach dem Einmarsch der Franzosen suchten immer wieder deutsche Soldaten Unterkunft und Verpflegung in den Häusern. Das aber war streng verboten. Die armen Männer waren oft so erschöpft, daß sie dringender Pflege bedurften und es wurde ihnen doch ab und zu geholfen. Eines Abends nach Eintritt der Dunkelheit klopfte bei uns ein junger abgehärmter Soldat an. Er konnte fast nicht mehr gehen; seine Schuhe waren zerrissen, und seine Füße waren ganz wund und voll mit Blasen. Wir pflegten ihn 4 Tage lang; ich besorgte ihm Zivilkleider und Schuhe. Er war in der Gegend von Oberndorf zu Hause; er hat mir später geschrieben, daß er gut heimgekommen sei. In der Zeit vom 22. Mai bis 20. Oktober mußten 70 Polen eine Woche lang von den Einwohnern der Gemeinde verpflegt werden; später übernahm dann ebenfalls die UNRA ihre Verpflegung. Diese Polen waren in der Hauptsache einzelnen Landwirtschaftlichen Betrieben im Oberland als Arbeitskräfte zugeteilt worden; sie wurden in Sammellagern zusammen-gezogen. In den Lagern von Schömberg lebten über 300 Polen bis zum Herbst 1945. Vom September ab wurden sie in Sammeltransporten in ihre Heimat Polen zurückgeführt. Auch die anderen Lage wie in Erzingen wurden aufgelöst. Ein Lager muß noch besonders erwähnt werden, das Häftlingslager in Dotternhausen. Dort hatten sich Tschechen, Franzosen und auch Deutsche zusammengetan und marterten und prügelten deutsche Männer und Frauen auf bestialische Weise zu Tode. Als erster Anführer dieses Lagers fungierte ein „Oberleutnant“ Delétere; er war aber gar kein Offizier, sondern ein elsässischer Fremdarbeiter. Nach einigen Wochen wurde er von der französischen Militärregierung verhaftet und abgeurteilt. Der grausame und berüchtigte Mörder dieses Lagers aber war der Tscheche Milan; er hat einige Deutsche totgeschlagen oder erschossen. Auch in Weilen war er einige Male und hat Männer und Frauen halb totgeschlagen. Eine Frau wurde mehrere Tage im Dotternhäuser Lager gefangen gehalten und täglich misshandelt, nur weil sie sich abfällig über die Methoden der Lagerhalter geäußert hatte. Ein Deutscher mit Namen Helmer Sandmann kam öfters nach hier und sagte, daß er im Auf-trag der Lagerhaltung Lebensmittel und sonstige Gebrauchsgegen-stände beschlagnahmen müsse; wenn sie nicht freiwillig gegeben würden, kämen die Tschechen und würden noch viel mehr holen. Eine gute Tat hat Kommandant Delétere den Weilenern erwiesen, als die Polen anfangs hier wohnten und frech und gewalttätig wurden, weil sie angeblich kein gutes Essen bekämen und nicht gut untergebracht seien. As die Frauen ihnen das Essen brachten, bezeichneten sie es als Saufraß, und manchmal schütteten sie ihnen das ganze Essen ins Gesicht. Den Landjäger Rösch von Schömberg sowie den Landjäger Walter haben sie geschlagen; diese konnten sich nicht wehren, weil sie keine Waffen tragen durften, sondern haben sie nur ermahnt, daß sie sich doch einigermaßen menschlich benehmen sollten. Auch ich erhielt von ihnen einen Schlag ins Gesicht. Am anderen Morgen ging ich zu Fuß nach Dotternhausen und brachte dem Leutnant Delétere meine Klage vor. Er ordnete dann sofort an, daß eine Abteilung Tschechen mit ihm nach Weilen gehe, um die Polen zu bestrafen. Sofort kamen 20 Mann bewaffnet mit Gewehren und Pistolen auf einigen Motorfahrzeugen nach Weilen. Die Polen mußten alle antreten,und der Leutnant sagte: „Wenn ich nochmals die geringste Klage von Weilen höre, daß sie irgend jemand misshandeln oder schlagen oder rauben, dann werde ich einige erschießen lassen.“ Diejenigen, die Misshandlungen begangen hatten, wollte er töten lassen. Sie waren bereits am Rathaus zur Exekution aufgestellt. Auf meine Bitte hin sah Leutnant Delétere von einer Erschießung ab, aber die Tschechen haben einige durchgeprügelt. Von da ab herrschte Ruhe, und die Polen benahmen sich anständiger. Auch zogen dann mehrere in die Lager nach Schömberg ab. Wie bereits berichtet, fuhren die letzten im Herbst 1945 von hier ab. Während ihres Aufenthaltes haben hier 3 Paare geheiratet, und zwar standesamtlich und kirchlich. Im Herbst 145 normalisierte sich allmählich das Leben. Die Post ging wieder, ebenso der Zugverkehr. Im Verlauf des Sommers und Herbstes kamen mehrere Soldaten wieder in die Heimat zurück, mehrere aus amerikanischer und englischer Kriegsgefangenschaft. Die Franzosen behielten ihre Gefangenen am längsten, ja sie holten sogar einige, die bereits entlassen waren, wieder nach Frankreich als Gefangene zurück. Aus russischer Gefangenschaft sind nur ganz wenige zurückgekehrt.
Seit mindestens 250 Jahren führt unsere Gemeinde ein Wappen, dessen Bindenschild auf die einstige Zugehörigkeit zu Vorderöstereich hinweist. Die Farben sind: In Rot ein silberner (weißer) Balken, belegt mit einem 8-strahligen roten Stern zwischen den lateinischen roten Groß-buchstaben V und R. Die Ortsfarben sind Rot-Weiß. Der rot-weiß-rote Bindenschild muß noch während der Zugehörig-keit des Ortes zu Vorderösterreich spätestens zu Ende des 18. Jahrhun- derts angenommen oder verliehen worden sein. Das alte Fleckenzeichen ist wohl der Stern. Er erscheint in allen älteren bekanten Siegeln; in neueren Gemeindesiegeln fehlt er. Die Direktion des Staatsarchivs in Stuttgart machte darauf aufmerksam, daß die Sterne unbedingt im Wappen zu führen seien . Die Buchstaben V und R sind die Initialen des Gemeindenamens. Da kein W, sondern ein V steht, ist vermutet worden, daß diese Buchstaben zu einer Zeit ins Wappen gekommen seien, als man Weilen mit V schrieb. Aber Weilen wurde immer mit W geschrieben. Doch da der deutsche Buchstaben W aus einem Doppel -V (VV) entstand und offizielle Inschriften früher meist lateinisch wiedergegeben wurden, ist das V in unserem Wappen besser zu erklären.
4.2 Die Vögte, Schultheißen und Bürgermeister
Der Titel Ortsvorsteher hat sich im Laufe der Zeit geändert. Während der österreichischen Herrschaft (bis 1.Januar 1806) wurden die Ortsvorsteher Vögte genannt und die Kreisvorsteher Obervögte. Von 1806 an, als unser Gebiet zu Württemberg kam, bis 1934 hießen die Ortsvorsteher Schultheißen und seit 1934 Bürgermeister. Die letztere Bezeichnung will sich nur zögernd einbürgern; der Ortsvorsteher wird meist heute noch als Schultheiß tituliert; bis vor einigen Jahren konnte man von älteren Leuten noch Vogt hören. Die Ortsvorsteher sind von 1582 an namentlich nachzuweisen. Von 1582 bis 1615 ist Hans Seifriz als Vogt in Weyler genannt. Sein Nachfolger war sehr wahrscheinlich sein gleichnamiger Enkel Hans Seifriz. Dieser hat der Kaplanei einen silbernen Kelch gestiftet, der noch erhalten ist; auf dem Kelchfuß steht in gut lesbarer Schrift: „Diesen Kelich hat Hans Seifridt der alte tzuo Weilen dem hailige Nikolaus machen lassen anno 1662.“ Vogt Hans Seifriz ist 1664 gestorben. Sein Nachfolger war wohl sein Sohn, der wieder Hans Seifriz hieß und Junghans Seifriz genannt wurde. Er ist 1611 oder 1612 geboren. Dieser Vogt starb 1685. Nach ihm folgte Jakob Krachenfels, geboren 1640, gestorben 1683, also schon mit 43 Jahren. Als Nachfolger nennen die Urkunden einen Johann Georg Koch , Kleinjörg geheißen. Von ihm erzählen die alten Leute viel Interessantes.Er wohnte im Gebäude Nr.52 bei der Kirche (der alten Gastwirtschaft zum Kreuz, die von August Koch, dem jetzigen Kreuzwirt, abgebrochen wurde). Hansjörg Koch war ein großer Bauer und hielt Knechte und Mägde; er soll viel mit seinem Pferd ausgeritten sein. Wenn er am Abend von Deilingen geritten kam und am Katzensteigle (auf dem geraden Weg, der früher mehr begangen wurde als heute) angelangt war, so feuerte er seine Pistole ab. Die Knechte und Mägde mußten dann schon bereit sein, ihn zu empfangen und das Pferd in den Stall zu bringen. Er soll außer einigen Pferden und Vieh auch eine Schafherde gehabt haben. In Löchern hätte er fast 100 Morgen Felder gehabt. Er hat Grundstücke zur Kaplaneipfründe gestiftet (Pfarrfeld). Von seinen 4 Kindern heirateten die 3 Töchter alle nach Schömberg; Maria einen Kaspar Rottler, Rosina den Kronenwirt Georg Tot und Anna den Amtsverwalter Eha. Das Haus des Amtsverwalters Eha war der jetzige Konsum, früher Ladengeschäft Eha (Mesmers) und wurde von Kleinjörg erbaut. Als 1716 bei der Tauffeier eines Enkels in Schömberg im Gasthaus zur Krone, die damals in der alten Hauptstraße lag, die Gäste schon etwas zu viel getrunken hatten, wettete Vogt Johann Georg Koch, daß er mit seinem Pferd von außen durch die Wirtschaftstüre hereinreiten wolle ohne jeden Anstand; die unsinnige Wette endete damit, daß das Pferd im zu niedrigen Türrahmen dem alten Großvater Jörg Koch den Brustkorb eindrückte. Er wurde so schwer verletzt, daß er am nächsten Tag in Weilen starb. Das jetzige Pfarrhaus in Schömberg war ebenfalls Eigentum des Vogts Johann Georg och; Schömberg kaufte es im Jahre 1715 und baute es zum Pfarrhaus um. Diese Begebenheiten hat mir Dekan Lackner aus schriftlichen Aufzeichnungen mitgeteilt. Auf Johann Georg Koch folgte der Bauer Martin Witz. Dieser war 10 Jahre lang Vogt. Von 1715 ab ist als Vogt wieder ein Hans Seifriz (Zeilis Hans) genannt. Von 1728 an ist Jakob Seifriz als Vogt in Weilen aufgeführt. Er ist 1746 gestorben. Im hohen Alter wurde er Altvögtle genannt. Als Nachfolger von Jakob Seifriz wird Zyriak Seifriz erwähnt. (von 1739 bis um1749); er ist 1705 geboren und 1779 gestorben. Von 1750 bis 1753 wird ein Michael Seifriz als Vogt aufgeführt. Er war ein Sohn des Vogts Jakob Seifriz und wurde auch „Vogts Michel“ genannt. Von 1754 bis 1758 ist ein Hans Koch als Vogt aufgezeichnet; er ist 1688 geboren und 1758 gestorben. Seine Ehefrau war Theresia Hehl aus Schömberg. Sie hat die Kreuzpartikel im Wettersegenkreuz hier gestiftet. Von 1759 bis 1764 ist ein Leopold Riedlinger als Vogt aufgeführt. Er ist 1699 geboren und 1766 gestorben. Als Nachfolger wird wiederum Zyriak Seifriz genannt; dieser war ja bereits schon von 1739 bis 1749 Vogt. Seine zweite Amtszeit ging von 1765 bis 1775. Von 1778 bis 1782 war Josef Seifriz, Weiß genannt, hier als Vogt tätig. Er ist 1733 geboren und 1803 gestorben. In den Jahren von 1784 bis etwa 1798 war der Bauer Klemens Seng hier Vogt. Er ist 1753 geboren und 1810 an einem Schlaganfall gestorben. Dieser Vogt hatte eine schöne Handschrift. Im Jahre 1781 hat er ein Güterbuch geschrieben, das heute noch im Rathaus vorhanden ist. Es fällt angenehm auf durch die schöne Schrift, oftmals mit Initialen geschmückt. Vogt Klemens Seng wohnte hinter dem Backhaus in dem alten Gebäude Nr. 48, das 1914 abgebrannt ist. Von 1798 bis 1803 war der Schneider Matthäus Seifriz Vogt von Weilen. Er ist 1754 geboren und 1809 gestorben. Im Jahre 1803 wurde der Bauer Josef Weinmann zum Vogt gewählt, geboren 1764 und 1838 gestorben. Dieser Mann war 19 Jahre lang Ortsvorsteher. Er war auch der letzte Vogt; ab 1806 führte er den Titel Schultheiß. Sein Urenkel Johann Weinmann war der letzte Schultheiß und erste Bürgermeister (1917 bis 1937 Ortsvorsteher). Vogt Josef Weinmann wohnte im Haus Nr. 21 in der Stellestraße. Seine Tätigkeit fiel in die schwere Zeit der Napoleon-Kriege mit den vielen Einquartierungen, Kriegslasten und Hungerjahren. Während der Amtszeit von Josef Weinmann wurde das jetzige Rathaus 1821/22 als Schul- und Rathaus zugleich erbaut. Vorher machten Vögte und Schultheißen ihren Schriftverkehr zuhause. Dort hatten sie die Akten sowie ihr Amtszimmer. Ein Teil der Akten wurde auch im Pfarrhaus aufbewahrt. Von 1823 bis 1826 war Ignaz Seifriz Schultheiß, er wurde Michelis Nazi genannt, weil sein Vater Michael Seifriz hieß; er ist 1775 geboren und in Rottweil 1856 gestorben. Er wohnte im Haus Nr. 5 in der oberen Straße und hatte keine Kinder. Während seiner Amtszeit soll alles verlottert sein, und nach Aussagen mehrer alter Männer wurde er abgesetzt. Ein guter Nachfolger von Ignaz Seifriz war der Bauer und Bierbrauer Anton Stengele; er wurde 1826 zum Schultheißen gewählt. 1783 in Kolbingen geboren, machte er den Krieg gegen Rußland mit, zusammen mit dem Weilener Bauer Matthias Koch. Nach dem Krieg besuchten sie einander; und so lernte Anton Stengele die Tochter Maria von Magnus Seifriz im Has Nr. 56 in der Oberen Dorfstraße kennen. Sie heirateten hier 1815, nachdem Anton Stengele bereits einige Zeit im alten Gasthaus zum Kreuz bei Joachim Koch als Knecht und Bierbrauer tätig war. Als Schultheiß war Anton Stengele streng; er hatte bald wieder Ordnung in die Gemeinde gebracht. In den Strafregistern sind in den ersten Jahren seiner Amtszeit viele Einträge wegen Waldfrevels, Raufhändel, Schlägereien, Nachtruhestörungen usw. eingetragen. Schultheiß Stengele war ein sehr intelligenter Mann, was aus den Gemeinderatsproto-kollen und sonstigen Berichten hervorgeht. Schon der Umstand, daß er als Fremder und eingeheirateter Mann zum Schultheiß gewählt wurde, beweist, daß er geachtet und beliebt war. 1826 wurde er zusammen mit 2 weiteren Männern aus Weilen als Abgesandter nach Stuttgart und Rottenburg ge-schickt wegen der Errichtung der Pfarrei und ihrer Besetzung. Nach den Aufschrieben in den Gemeinderatsprotokollen hatte er Erfolg. Während der Amtszeit von Schultheiß Anton Stengele war das Dorf Weilen übervölkert; die Leute hatten wenig Verdienst. Im Jahre 1848 zählte die Einwohnwerschaft mehr als heute (1968), nämlich 426 Einwohner. Es dürfte oft vorgekommen sein, daß einer aus Not zum Dieb wurde. Auch der Schulneubau kam unter Schultheiß Stengele zustande. Wie arm die Leute, wenigstens ein großer Teil, waren, geht daraus hervor, daß man einige Jahre lang eine Volksküche für arme Leute einrichten musste. Es wurden in dieser Küche oft bis zu 90 Personen mit Essen versorgt; es gab Hafer- und
Lorenz Koch Johann Georg Blepp
Kartoffelsuppe oder Gemüse. Im Jahre 1857 gab Anton Stengele das Schult-heißenamt ab, er ist 1868 gestorben. 1857 wurde der erst 32 Jahre alte Bauer Lorenz Koch zum Schultheißen von Weilen gewählt. Er ist hier 1825 geboren und mit 82 Jahren 1907 gestorben. 39 Jahre lang stand er der Gemeinde vor, bis April 1896. Er wohnte im Haus Nr. 38 in der Hauptstraße. Während seiner Amtszeit wurde das bürgerliche Standesamt eingeführt. Bis zu diesem Zeitpunkt waren die Standesamtsfälle – Geburten, Ehen und Sterbefälle – nur in den Pfarrbüchern registriert und eingetragen. In Württemberg wurde dann noch das Familien-register eingeführt, das bei den Pfarrämtern schon vie früher angelegt worden war. Das Taufegister übrigens wurde von den Pfarrern bereits seit 1609 geführt. 1896 wurde der Weber und Bauer Johann Georg Blepp, geboren 1851 zum Schultheißen gewählt; er war Ortsvorsteher bis zu seinem Tod 1917. In seine Amtszeit fiel der Aufschwung der Landwirtschaft und der Industrie. Der Verdienst wurde besser, besonders nach 1900. 1904 wurde auf Anweisung von Schultheiß Blepp eine Ortsbibliothek mit 86 Büchern gegründet; es waren meist Bücher und Hefte landwirtschaftlichen Inhalts. Auch einige Romane waren darunter von den Schriftstellern Christoph von Schmid, Stifter und Stolz. Blepp hatte eine schöne, gut leserliche Schrift, die ihm bei den vielen Verhandlungen mit Behörden zustatten kam. Während seiner Amtszeit wurde die Wasser-leitung gebaut, und im gleichen Jahr 1900 wurde der Choranbau an die Kirche erstellt. Auch die Einführung des elektrischen Stromes im Jahre 1913erlebte er als Schultheiß sowie die Verhandlungen mit der Staatseisenbahn wegen der Errichtung einer Bahnhaltestelle in Löchern.
Schultheiß Johann Weinmann (rechts) mit Frau und Reallehrer Maute
Die schwerste Zeit für Schultheiß Blepp war der Krieg 1914 und die damit verbundene Rationierung der Lebensmittel sowie die Einführung der Lebensmittelkarten. Als im April 1917 Schultheiß Blepp krank wurde, musste sein Stellvertreter Johann Weinmann, Wagner, die Schultheißengeschäfte versehen. Dieser wurde nach dem Tode von Blepp zum Schultheißen gewählt. Johann Weinmann hat in den 20 Jahren seines Wirkens als Ortsvorsteher sehr viel geleistet. Gleich zu Anfang seiner Dienstzeit musste er sich mit Lebensmittelkarten und der Rationierung der Ver-brauchsgüter, wie Schuhe und Kleidung u.a., befassen. Die Landwirte wurden zu Ablieferungen gezwungen, deren Quantum sie oft mit dem besten Willen nicht erfüllen konnten. Es fanden Hausdurchsuchungen und Probemelken durch Polizei und fremde Privatpersonen statt. Der Schultheiß musste meistens dabei sein und wurde von den Bauern oft beschuldigt, der Kommission geholfen zu haben. Nach Beendigung des Krieges zehrte die Inflation die Finanzen der Gemeinde auf und auch die der Privatleute. Eine geregelte Gemeindeverwaltung war fast nicht mehr möglich, da die Einwohner keine Steuern mehr bezahlen konnten. Doch schnell erholte sich die Gemeinde wieder, und es konnten verschiedene Probleme gelöst werden. Im Jahre 1925 wurde die Dreschhalle erbaut. 1926 und 1927 wurde der Rennenwasen entwässert, und 1928 wurde das Schulhaus umgebaut, wobei die Schulräume in den unteren Stock und die Lehrerwohnung in den zweiten Stock verlegt wurde. Wie beliebt Schultheiß Johann Weinmann in seiner Gemeinde war, bewies seine Wiederwahl im Jahre 1928; 98 Prozent wählten ihn wieder. Im Jahre 1934 wurde laut Gesetz verkündet, daß die Schultheißen künftig mit Bürgermeister zu titulieren seien. Im Jahre 1937 setzte die Hitler-Regierung, vertreten durch die Kreisleitung, Bürgermeister Weinmann und Bürgermeister Dannecker von Ratshausen ab, um den Weg zur Eingemeindung nach Schömberg frei zu machen Als vorläufiger Stellvertreter wurde Karl Weinmann von der Kreisleitung in Balingen bestimmt. Aber bereits am 1. Juli 1938 setzte die Kreisleitung Bürgermeister Karl Kiener von Schömberg auch zum Bürgermeister von Weilen ein. Wie bereits berichtet, wollte die Kreisleitung in Balingen die Eingemeindung nach Schömberg durchführen; das Standesamt wurde 1939 aufgehoben und an Schömberg angegliedert. Die Eingemeindung sollte am 1. Juli 1939 vollzogen werden. Aber es kam nicht so weit, denn es hatten sich 2 Männer mit Verbindungen nach Tübingen und Stuttgart eingesetzt. Es wurde daher alle wieder abgeblasen. Diese beiden waren der Gemeindepfleger Johannes Weinmann und Josef Koch (der Schreiber dieser Chronik). Weinmann hatte einen Neffen, der Oberbürgermeister und Kreisleiter in Tübingen war. Ich ging zuerst zu Landrat Sinn in Balingen, der die Kreisleitung und die Hitler-Regierung sowieso nicht ausstehen konnte und später abgesetzt wurde. Weiter schrieb ich durch die Vermittlung eines Kriegskameraden an Innenminister Schmid in Stuttgart, der mit ihm verwandt war. Diese beiden Schachzüge haben geholfen, die Selbständigkeit Weilens zu erhalten. Die Gemeinde Weilen ist aber Bürgermeister Kiener von Schömberg auch zu Dank verpflichtet; denn er hat auch viel geleistet. Er hat das Haus Nr.62 in der Breitenriedstraße gekauft, zu einem modernen Farrenstall umgebaut und eine dritte Wohnung eingerichtet; die Wohnung im Erdgeschoß diente als Kinder-garten. Auch die Obstbaumpflanzungen auf der Allmand wurden auf Kieners Anordnung vorgenommen; damals hatte das Obst noch mehr Wert als heute. 1942 wurde Bürgermeister Kiener zur Wehrmacht einberufen. Er gab für Schömberg und Weilen je einen Stellvertreter an. Für Weilen hat er mich genannt. Damals sah man aber schon, daß der Krieg bereits verloren war. In der Befürchtung, daß die Siegertruppen nach ihrem Einmarsch zuerst den Ortsgruppenleiter und dann den Bürgermeister erschießen oder hängen, habe ich zunächst nichts auf dem Rathaus getan, als die Post auf dem Tisch bereitgelegt und bin wie vorher meiner Arbeit im Sägewerk nachgegangen. Nach einigen Tagen erhielt ich eine Vorladung von der Kreislei- tung. Kurz nach 14 Uhr fuhren 2 Autos vor mit dem damaligen Kreisleiter Lüdemann und einem weiteren Herrn von der Kreisleitung sowie vom Landratsamt Landrat Dr. Zeller und Oberinspektor Meck. Sie fragten mich, was denn eigentlich in Weilen los wäre und warum keine Berichte auf Anfragen des Landratsamtes eingingen, nichts würde beantwortet. Darauf gab ich zur Antwort, daß Bürgermeister Kiener gesagt hätte, daß er in einigen Tagen wieder zurückkommen werde. Ich konnte doch nicht die Wahrheit sagen, daß der Krieg doch eigentlich bereits verspielt sei. Nach längerem Hin- und Herreden sagte Kreisleiter Lüdemann: „Ich frage sie jetzt zum letzten Mal, nehmen sie den Posten des Bürgermeisters an oder nicht, ich will ein klares Ja oder Nein hören.“ Ich antwortete mit Nein. Die Herren verließen danach das Rathaus, und der Kreisleiter sagte zu mir: „Sie werden von uns in ganz kurzer Zeit hören.“ Nach 3 Tagen erhielt ich einen Stellungsbefehl der Wehrmacht. Ich ging am nächsten Tag nach Balingen auf das Landratsamt zu Landrat Dr. Zeller und fragte ihn, ob das die Quittung sei für die Absage. Er sagte mir, wenn ich den Bürgermeisterposten annehme, so könne ich hier gleich den Einberufungsbescheid abgeben. Das habe ich dann gemacht. So wurde ich Bürgermeister von Weilen. Das Amt habe ich dann 23 Jahre ausgeübt. Darüber möchte ich hier nur noch eines berichten. Vor 1940 war kein Weg der Markung befestigt. Erst der Bohlbühlweg hatte eine Vorlage erhalten, und zwar unter Bürgermeister Kiener von Schömberg. Ein Weilener Bürger äußerte damals, daß man diese Steine gar nicht gebraucht hätte, denn bei schönem Wetter seien die Wege doch gut. Heute sind sämtliche Feldwege und zum größten Teil die Waldwege befestigt und zu jeder Zeit befahrbar. In der heutigen Zeit mit den vielen Traktoren und Maschinen wäre ein Feldanbau ohne feste Wege unmöglich. Auf andere Tätigkeiten wie Wasserbeschaffung usw. und die Mühen bei den Ablieferungen möchte ich hier nicht eingehen. Die Bürgermeister wurden während des Zusammen-bruches oft misshandelt; es kam öfters vor, daß man auf eine schoss. Das Leben war manchmal unerträglich. Ich habe mir oft gewünscht zu sterben, um von dieser Last befreit zu werden. Endlich als ich 70 Jahre alt war, habe ich das Amt des Bürgermeisters gekündigt. Am 6. Dezember 1964 fand dann die Wahl des Nachfolgers statt. Erwin Weinmann (Bohl Erwin) wurde mit großer Stimmenmehrheit gegenüber dem Mitbewerber gewählt. Seit 1.Februar 1965 ist er Bürger-meister der Gemeinde Weilen; er ist der Sohn von Johannes Weinmann, der hier bis zu seinem Tod 1941 Gemeindepfleger war. Während der Amtszeit von Bürgermeister Weinmann ist schon viel geleistet worden: besonders die Fertigstellung der Ortskanalisation und 1969 der Bau eines neuen Weges von der Breite in den Honau-Wald. Nun soll auch noch etwas über die Besoldung der Bürgermeister berichtet werden. Es gehen immer wieder Gerüchte herum, daß der Bürgermeister über 1 000 Mark Monatsgehalt hätte. Dieser stimmt bei weitem nicht, und ich möchte hier diese Angelegenheit richtigstellen. Ich fange bei Schultheiß Blepp an; dieser hatte 200 Mark Jahresgehalt. Später wurde es auf 250 Mark erhöht. Schultheiß Johann Weinmann bezog 1930 und später ein Monatsgehalt von 60 Reichsmark. Auch ich hatte monatlich noch 60 Reichsmark; erst nach dem Krieg wurde auf 80 Mark erhöht. 1950 betrug das Gehalt 116 Reichsmark; zu dieser Zeit verdienten hier die Arbeiterinnen in der
Josef Koch Erwin Weinmann
Nähfiliale in 10 Tagen dasselbe. Im Jahre 1953 kam ein Gesetz heraus, durch das die Gehälter der Bürgermeister geregelt wurden. Ich erhielt dann 165 Mark Gehalt im Monat und kam in die Angestelltenversicherung. Bis zu dieser Zeit mußten sich die Bürgermeister in der Invalidenversicherung selbst versichern; die Gemeinde als Arbeitgeber brauchte keinen Anteil entrichten. Mein höchstes Monatsgehalt betrug im Jahr 1965 nur 520 DM; davon waren noch Lohnsteuer und Soziallasten zu bezahlen. Das Amt des Bürgermeisters ist also nicht so lukrativ, wie einige meinen.
4.3 Die Gemeindepfleger und Gemeindebediensteten
Der Gemeindepfleger ist nach dem Gemeinderat und dem Bürgermeister die wichtigste Person in der Gemeinde. Er verwaltet das Gemeindevermögen, zieht Steuern ein, zahlt die Gehälter und Löhne aus und verwahrt das Bargeld in seinem Kassenschrank. In den früheren Jahren, als der Ortsvorsteher noch Vogt oder Schultheiß genannt wurde, hießen die Gemeindepfleger Bürgermeis-ter. Zur Zeit, als Weilen zu Österreich gehörte, waren hier 2 Gemeinderechner bzw. Bürgermeister angestellt. Auch das Amt des Gemeindepflegers ist nicht immer leicht, besonders in Notzeiten, wenn das Geld knapp ist. Es müssen Zahlungen an die Gemeinde oft eingetrieben werden. Dadurch machen sich die Gemeindrechner natürlich unbeliebt. Auch gibt es Leute, die behaupten, sie hätten dieses oder jenes schon bezahlt. Daher ist es besonders wichtig, daß der Gemeindepfleger eine klare und saubere Buchführung hat. Die Prüfung der Rechnungen und des Kassenbestandes wird jeden Monat durch den Verwaltungsaktuar vorgenommen. Die Verwaltungsaktuare sind auch für den Bürgermeister als Berater tätig. Ein guter Verwaltungsaktuar ist eine große Hilfe für eine Gemeinde. Im Laufe der Zeit wurde sowohl bei den Gemeinde-pflegern als auch bei den Bürgermeisterämtern die Geschäftsführung immer komplizierter und umfangreicher. Wenn man die Gemeinderechnungen vom Jahr 1807 bis herauf zu 1900 zur Hand nimmt, fällt einem sofort auf, daß ihr Umfang von Jahr zu Jahr größer wird, und auch nach 1900 werden die Gemeinderechnungsakten immer umfangreicher. Heute ist eine Gemeinde-rechnung mindestens 5mal größer als eine vor100 Jahren. Nachfolgend werden die Gemeindepfleger namentlich aufgeführt, vom Jahre 1807 bis 1968:
Von 1807 bis 1810 Josef Riedlinger und Konrad Blepp Von 1811 bis 1815 Konrad Blepp Von 1816 bis 1820 Georg Weinmann Von 1821 bis 1823 Ignaz Seifriz (Schultheiß 1823-1826) Von 1824 bis 1827 Josef Seifriz Von 1828 bis 1830 Josef Dieringer Von 1831 bis 1845 Konrad Seifriz Von 1846 bis 1851 Lorenz Koch (Schultheiß 1857-1896)’ Von 1852 bis 1856 Ignaz Koch (Koch Nazi) Von 1857 bis 1859 Georg Weinmann Von 1859 bis 1865 Ferdinand Seifriz Von 1865 bis 1895 Maximilian Seifriz Von 1895 bis 1896 J. Georg Blepp (Schultheiß 1896- 1917) Von 1896 bis 1898 Josef Koch (Hansen Josef, gest. 1898) Von 1898 bis 1913 Franz Xaver Krachenfels Von 1913 bis 1917 Joh. Weinmann(Schultheiß 1917- 1937) Von 1917 bis 1930 Georg Seifriz Von 1930 bis 1941 Johannes Weinmann (+) Von 1941 bis 1943 Karl Weinmann (+) Von 1943 bis 1964 Josef Anton Dieringer Von 1964 bis 1967 Josef Anton Weinmann Von 1968 an Erwin Weinmann, Schreiner
Für die landwirtschaftlichen Gemeinden setzte die Hitler-Regierung einen Ortsbauernführer ein. Der Amtsinhaber wird heute als Orts-Obmann bezeichnet. Dieses Amt war besonders im Jahr 1945 schwer, als die Militär-regierung die Ablieferungen zur Versorgung von Wehr- und Besatzungsmacht und auch von Zivilpersonen verlangte. Zur persönlichen Verfügung des Ortsvorstehers und Gemeinderats ist der Amtsdiener bestellt. Früher war der Amtsdiener auch zugleich Ortspoli-zist und hatte Polizeigewalt. Letztere ist an die Landespolizei übergegangen. Früher hatte der Amtsdiener auch in den Gaststätten die Polizeistunde anzusagen und zu überwachen. Mit dem Amt des Polizeidieners war in Weilen früher das Amt des Nachtwächters meistens verbunden. Der Nachtwächter hatte die Stunden in der Nacht mit den damals gebräuchlichen Gesängen laut anzusingen.Vor allem aber hatte er vor Feuergefahren u warnen. Bei seinen Kontrollgängen musste er besonders darauf achten ob Feuer ausbrach.
Des Frohnmeisters Aufgabe besteht darin, daß er die Arbeiten, welche die Gemeinde im Taglohn, Stundenlohn oder Akkordlohn ausführen lässt, überwacht, und die Stunden der Arbeiter verbucht, damit eine gerechte Entlohnung stattfinden kann. Das Wort Fronen (Herrendienst) ist uralt und noch ein Überbleibsel von den Frondiensten für die Herrschaft, die von den Untertanen und Leibeigenen unentgeltlich verrichtet werden mußten. Auch die Gemeinde zog früher ihre Bürger zu Frondiensten heran (Hand- und Gespannfronen), ohne eine Vergütung dafür zu gewähren. Erst später wurde das Fronen bezahlt und stattdessen eine Fronsteuer eingeführt. Auch der Brunnenmeister hat in der Gemeinde eine wichtige Aufgabe zu erfüllen; die Versorgung mit Wasser und die Überwachung der Wasserleitung ist sein Gebiet, welches sich seit der Einführung der Druck-wasserleitung im Jahre 1900 sehr erweitert hat. Näheres siehe im Kapitel über die Wasserleitung (Seite 186).
Von links nach rechts: Matthäus Seifriz, 93 Jahre Johann Staiger, früher Gemeindebäcker, Reinhard Seifriz, Leo Seifriz, früher Gemeindediener, Farren- wärter, Leichenschauer und Totengräber, sowie Richard Burry
Straßenwart Konrad Weinmannund Baumwart Johannes Weinmann
Bis zum Jahre 1846 hatte die Gemeinde Weilen noch keinen eigenen Farrenstall, die Farren wurden an private Landwirte zur Haltung verakkordiert. Meist waren es 2 Farren, die in der Regel an 2 Stellen unter-gebracht waren. Die damaligen Farrenwärter mußten das Futter für die Farren selber einbringen, und sie erhielten neben Geld noch Grundstücke (Wiesen) von der Gemeinde zur Pacht. In den Jahren vor 1890 war das Amt des Wald- und Feldschützen an 2 verschiedene Männer vergeben. Jeder hatte seinen eigenen Bereich. Der Feldschütz hatte die Felder und Obstbäume zu überwachen. Bei Befahren der Feldwege nach Regen oder bei Laufen oder Fahren über fremde Grundstücke musste er Anzeige erstatten. Außer den festgesetzten Besoldungen erhielten der Feldschütz und der Waldschütz noch Prämien für Anzeigen bei Forst- und Felddiebstählen. Sie betrugen 50 % der verhängten Strafen. Nach 1900 wurden die Ämter des Feld- und Waldschützen zusammengelegt. Heute gibt es keinen Feldschützen mehr. Der jetzige Waldschütz hat eine staatliche Schule besucht und ist geprüft; er führt den Titel Gemeindeforstwart. Seit dem Jahre 1957 ist Gemeindeforstwart Hermann Koch hier angestellt. Er hat neben der Gemeinde Weilen noch Schörzingen und Wilflingen forstlich zu betreuen. Seit dem Bau der Dreschhalle im Jahre 1925 ist ein weiteres Gemeindeamt notwendig geworden, der Dresch- und Schrotmeister. Außer der Dreschmaschine gibt es hier eine Schrotmühle. Zum Schluss dieses Kapitels soll noch das wichtigste Organ der Gemeinde gedacht werden: des Gemeinderats. Er ist das Parlament zur Verwaltung der Gemeinde. Die Projekte werden zuerst eingehend beraten und nach erfolgter Abstimmung bei Mehrheit, die in der Sitzung des Gemeinderats zusammenkommt, ausgeführt. Die Zahl der Gemeinderäte ist heute gesetzlich geregelt und richtet sich nach der Einwohnerzahl. Schon in den Jahren vor 900 betrug in Weilen die Zahl der Gemeinderäte 6. Während der Hitlerzeit wurde die Zahl auf 4 herabgesetzt. Nach dem Einmarsch der Besatzung wurde kein Gemeinderat mehr zugelassen; der Bürgermeister hatte alle Befehle allein auszuführen. Doch schon am 19. November 1945 wurde der Gemeinderat wieder eingeführt, und zwar mit 8 Mitgliedern. Heute sind es wieder 6 Gemeinderäte. Bis nach dem Ersten Weltkrieg gab es außer dem Gemeinderat noch einen Bürgerausschuß, der bei wichtigen Angelegenheiten mitberaten und beschließen half. Die Gemeinderäte bildeten zusammen mit dem Vogt zur Zeit der österreichischen Herrschaft das Gemeindgericht; sie wurden auch Richter genannt. Es gab hier bis 1806 nur 4 Richter.
4.4 Das Rathaus und die gemeindeeigenen Gebäude
Wenn man von der Kirche, dem Pfarrhaus und der Kapelle absieht, die im folgenden Teil beschrieben werden, so ist zunächst vor dem Jahre 1822 über Gemeindegebäude sehr wenig zu berichten. Es gab vor 1822 weder ein Rathaus noch eine Schule und auch keinen Farrenstall oder ein Gemeinde-haus. Es waren lediglich 2 Waschhäusle da, von denen eines auf dem jetzigen Backhausplatz und das andere am jetzigen Schulhausplatz standen. Im Waschhäuschen am Schulhausplatz war ein Bürgerarrest eingebaut. Ein Backhaus war in der Gemeinde noch nicht vorhanden, da an jedem Haus ein eigenes angebaut war. Die Vorschriften der Württembergischen Brandver-sicherungsgesellschaft waren wegen der Feuersgefahr so streng, daß jede Gemeinde besondere Waschhäuser erbauen musste. Die große Wäsche durfte nur in solchen Häusern gewaschen werden, die so feu-ersicher gebaut waren, daß keine Brandgefahr bestand, und das traf nur ganz selten zu. Nur an be-stimmten Tagen und Zeiten durfte gewaschen werden. Die Wäsche musste bei dem dazu bestimmten Gemeinderat angemeldet werden; dieser hatte auch die Aufsicht über den ganzen Waschbetrieb. Die Gemeinde erhob für die Überlassung der Waschräume eine Gebühr. Da ein Schulbetrieb schon 1650 in Weilen nachweisbar ist, musste viele Jahrzehnte die Schulstube (Raum zur Abhaltung des Schulunterrichts) von der Gemeinde gepachtet werden. Es ist nachweisbar, daß das Geschlecht der Brosi-Weinmann den Schulmeisterposten über hundert Jahre versehen hatte; daher ist anzunehmen, daß in ihrem Haus, Gebäude Nr. 34, der Unter-richt abgehalten wurde. In den Rechnungsbelegen der Gemeinderechnungen von 1809 bis 1822 ist jeweils der Ort der Schulstube angegeben. Bis 1812 befand sie sich im Gebäude Nr. 34 (Josef Dieringer), 1812 bis 1814 im Gebäude Nr. 35 (Christels Haus), später in den Gebäuden Nr. 52 (Oberdorf, jetzt abgebrochen), Nr. 10 in der Angelstraße und Nr. 28 in der Stellestraße (jetzt abgebrochen). Die Pacht für ein Jahr Schulstubenbenutzung betrug, soweit zu ersehen ist, immer 10 Gulden. Im Jahre 1820 wurde dann das jetzige Rathaus, Gebäude Nr. 30, erbaut, und zwar unter dem letzten Vogt und ersten Schultheißen Josef Weinmann. Das ganze Haus, das als Lehrerwohnung, Schule und Rathaus geplant war, kostete nur 500 Gulden. Die Kosten waren deshalb so gering, weil sowohl Hans- wie Gespannfronen umsonst von der Bürgerschaft aus-geführt wurden. Wie schon erwähnt, mute das neue Schul- und Rathaus zugleich als Lehrerwohnung dienen. Die Lehrerwohnung befand sich im Erdgeschoß und bestand aus einer Stube, einer Kammer sowie einer kleinen Küche. Auch ein Viehstall und eine Scheuer waren im Erdgeschoß
Das jetzige Rathaus diente ursprünglich auch für den Schulunterricht.
angebaut. Im ersten Stock befand sich der große Schulraum; heute ist in diesen 2 Räumen das Bürgermeisteramt eingerichtet. Im Dachstock war früher das Schultheißenamt untergebracht. Da die Zahl der Einwohner und der Schüler rasch anstieg, reichte der Raum im Rathaus nicht mehr aus; wegen des starken Schülerandrangs mussten ordnungsgemäß 2 Abteilungen gebildet werden. Im Jahre 1843 wurde dann beschlossen, ein besonderes Schulhaus zu bauen. Der erste Plan befindet sich noch im hiesigen Rathaus. Danach sollte das Schulhaus nach folgender Einteilung 3stöckig werden: Im unteren Stock sollte der Farrenstall und der Stall für die Viehhaltung des Lehrers sowie ein Raum für die Feuer-wehrgeräte eingebaut werden; im zweiten Stock sollten 2 Schulsäle sowie 2 Nebenräume eingerichtet werden; im dritten Stock war der Einbau von 2 Lehrerwohnungen vorgesehen. Außerdem sollte das Gebäude unterkellert und mit 2 Bühnenräumen ausgebaut werden. Da nun dieses Gebäude nach den damaligen Verhältnissen zu hoch geworden wäre und der Einbau der Stallungen vom Oberamt im unteren Stock als ungesund bezeichnet wurde, kam dieser Plan nicht zur Ausführung. Das Schulhaus wurde dann nach einem neuen Plan so ausgeführt, wie es heute steht. Die Bauarbeiten wurden öffentlich vergeben. Der Voranschlag der Bauarbeiten betrug 4 521 Gulden; die Bauunternehmer waren aber in ihren Angeboten viel niedriger, so daß die Arbeiten um 3 094 Gulden gemacht wurden, also fast um 1/3 niedriger als der Kostenvoranschlag des Architekten. Dieser Umstand beweist, daß zur damaligen Zeit die Arbeit und der Verdienst gesucht wurden, auch wenn der Verdienst gering war. Im folgenden werden die einzelnen Arbeiten und Unternehmer mit Angabe der Preise genannt.
Nachdem das neue Schulhaus 1846 bezogen werden konnte, wurde das jetzige Rathaus umgebaut. Das Ratszimmer des Bürgermeisters wurde vom Dachstock in den ersten Stock verlegt; der Dachstock wurde zum Orts-arrest umgebaut; dieser Raum wurde in Jahre 1967 als Amtszimmer des Gemeindepflegers umgebaut. Im Erdgeschoß wurden die Wohnräume des Schullehrers zum Feuerwehrgeräteraum umgestaltet. Der Stall und die Küche des Lehrers wurden für die Farrenhaltung benützt, und die darüber liegenden Futterräume nördlich des Schiedgiebels wurden zu Futterlegen für die Farren benutzt. Für die Feuerwehrgeräte war früher immer ein Schopf gemietet worden, und die Farren waren zur Haltung an Landwirte vergeben worden. Wann das Backhaus – Gebäude Nr.58 – von einem Waschhaus zum heutigen Backhaus umgebaut wurde, kann ich nicht genau feststellen, wahrscheinlich in den 80er oder 90er Jahren des letzten Jahrhunderts; ein neuer Ofen wurde 1921 und der heutige elektrische Backofen in den Jahren nach 1953 eingebaut. Im Jahre 1925 wurde die Dreschhalle errichtet und eine Dresch-maschine gekauft. Wie schon früher berichtet, wurde am 19. Juli 1926 die Dreschhalle von einem Gewittersturm zerstört; der Wiederaufbau erfolgte
Wappen der Gemeinde Weilen am Rathaus
sofort, so daß der Dreschbetrieb im Herbst 1926 wieder fortgesetzt werden konnte. 1941 wurde ein weiteres Gemeindehaus (Nr. 62) gekauft, und zwar zum Preis von 7500 Mar. Dieses wurde zum Farrenstall und Kinder-garten sowie 2 Wohnungen umgebaut. Die Kinderschule wurde nach 5 Jahren wieder aufgehoben (vgl. Seite 108).
4.5 Was die Gemeindebürger an Bürgernutzen bezogen
Es gibt Staatsbürger und Gemeindebürger. Die Rechte werden durch Geburt und Einbürgerung erworben. In der Geschichte spielte der Gemeinde-bürger eine besondere Rolle. In den Familienregistern ist neben dem Beruf 8Bauer; Weber, Schmied, Schuhmacher, Maurer usw.) angegeben, ob einer Bürger war oder nicht. Der Gemeindebürger hatte Anspruch auf den Bürgernutzen.Dieser war vor 1900 nicht unbedeutend. Außer dem Allmandanteil, welcher jedem Bürger unentgeltlich zustand, bekam jeder noch Brennholz aus der Gemeinde-waldung. 1809 bis 1815 erhielt jeder Nutzungsbürger 2 bis 2 ½ Klafter Brennholz als Nutzung. Mit der Zunahme der Bürgerzahl wurde auch die Zuteilung der Holznutzung kleiner; sie wurde aber erst aufgehoben, als die Wasserleitung im Jahre 1900 erbaut wurde. Auch die unentgeltliche Zuteilung der Allmanden fiel 1900 weg, und es musste zuerst ein Pachtgeld von 6 Mark bezahlt werden; es erhöhte sich später auf 12 Mark. Nach der früheren Satzung konnte man Nutzungsbürger nach fol-genden Rechtsgrundlagen werden: Die Bürger, die durch Geburt Nutzungs-bürger wurden, brauchten keine Einstandsgebühren zu bezahlen. Für die Bürger, die von auswärts zuzogen, wurden folgende Einkaufsbestimmungen festgelegt: Der Antragssteller musste mindestens 1 Jahr lang in der Gemeinde wohnhaft sein; er musste selbständig und verheiratet sein bzw. eine eigene Haushaltung haben; weiter musste er eigene Grundstücke haben und an die Gemeinde Grundsteuern bezahlen; er musste das 25. Lebensjahr zurückgelegt haben. Der Gemeinderat hatte über das Gesuch des Antragsstellers zu entscheiden, und nach Befürwortung musste der Neubürger ein Einkaufsgeld in Höhe von 89 Mark entrichten. Der neue Bürger wurde öffentlich in Anwesenheit der Bürgerschaft vom Schultheißen durch Handschlag aufgenommen. Da der Bürgernutzen früher durch die unentgeltliche Zuteilung der Allmand und einer unentgeltlichen Zuteilung von 2 ½ Klafter Brennholz sehr wertvoll war, wurde auch das Einkaufsgeld der Nutzungsbürger viel höher angesetzt. Vom Jahre 1809 bis 1822 betrug das Bürgereinkaufsgeld für einen Mann 110 Gulden, für eine Frau 30 Gulden und für ein Kind 25 Gulden. Diese Sätze waren dem damaligen Geldwert entsprechend sehr hoch. Vom Jahre 1822 bis 1842 betrugen die Sätze für einen Mann 100 Gulden, für eine weibliche Person 30 Gulden und für ein Kind 25 Gulden. Im Jahr 1842 sind folgende Sätze verzeichnet: ein Mann 48 Gulden, eine Frau 24 Gulden, ein Kind 12 Gulden. 1816 betrug die Zahl der selbständigen Nutzungsbürger nach dem Brandschadensregister 48; im Jahre 1849 wurden 83 selbständige Bürger in Weilen angegeben. In den Gemeinderechnungen von 1816/17 wurde folgende Allmand-steuer von den Bürgern verlangt: 45 Kreuzer (1 Gulden hatte 60 Kreuzer). Pfarrer, Lehrer, Schultheiß und Hebamme mußten nur 10 Kreuzer Allmand-steuer bezahlen. Die Allmand wurde 1966 in größere Flächen zusammengelegt und auf 9 Jahre verpachtet. Schon Jahre vorher mußten größere Flächen, besonders Hanglagen aufgeforstet werden, da immer mehr Allmandnutzungen an die Gemeinde zurückgegeben wurden. Größere Grundstückflächen sind rentabler und besser mit den heutigen Maschinen zu bewirtschaften. Die selbständigen Bürger waren früher zum Fronen verpflichtet, und zwar unentgeltlich; erst später wurde das Fronen bezahlt, dafür aber eine Fronsteuer auf die Bürger umgelegt.
Die Weilener Volksschule mit Hauptlehrer Josef Lang im Jahre 1927
4.6 Die Lehrer an der Volksschule von Weilen
Auf Grund von Eintragungen in Familienregistern der Pfarrei und sonstigen Schriftstücken ist es möglich, schon im Jahre 1650 das Vorhan-densein einer Schule in Weilen festzustellen. Ein Johann Weinmann(Brosihans) stiftete für die Schule in Weilen einen Betrag von 50 Gulden, der für die damalige Zeit eine große Summe war. Der Spender und seine Ehefrau Katharina geborene Zürn (sie stammte aus Bubsheim) hatten keine Kinder. Es ist fast mit Bestimmtheit anzunehmen, daß Johann Weinmann und auch schon dessen Vater als Schullehrer in Weilen wirkten. Auf alle Fälle lag diesem Johann Weinmann viel an der Schule und an der Bildung der Kinder; sonst hätte er keine Spende für die Schule gemacht. Ein Neffe von Johann Weinmann, der Zeugmacher und Weber Josef Weinmann wird auch als Schullehrer im Familienregister aufgeführt; dessen Sohn Fidelius Weinmann, geboren 1775, wird ebenfalls als Schul-lehrer erwähnt; er starb schon 1815, mit 40 Jahren. Fidelius Weinmann war ein sehr begabter und guter Lehrer; er gab auch an Präparandenschulen in Frühjahrs- und Herbstkursen Unterricht; nachweisbar hat er in Ebingen solche Kurse durchgeführt. Die Ausbildung der Lehrer erfolgte damals in den Präpa-randenschulen, besonders nach der Gründung des Königreiches Württemberg. Der erste auswärts geborene und studierte Lehrer, der an unsere Schule versetzt wurde, war der Provisor Johannes Fuß; er war von 1814 bis 1815 hier. Nach ihm folgte Provisor Sieger bis Herbst 1815, dann zog Unterlehrer Amand Unger auf, dieser wurde 1817 als ständiger Lehrer hier eingesetzt; er heiratete 1819 die Bürgerstochter Magdalena Weinmann von hier. Lehrer Amand Unger kaufte sich 1832 als Nutzungsbürger ein und verblieb bis zu seinem Tod in Weilen. Als die Kirchenpflege Weilen am 15. Januar 1831 eine alte Orgel der Kirche in Erlaheim um 85 Gulden kaufte, musste Lehrer Unger noch das Orgelspiel mit 39 Jahren erlernen. Er hat den Organistendienst versehen bis zu seinem Tod 1841 und ist auf dem Friedhof neben Pfarrer Ambrosius Schöb begraben. Beide Gräber sind noch erhalten. Pfarrer Schöb und Lehrer Unger sollen nach dem Zeugnis alter Leute oft Meinungsverschiedenheiten gehabt haben, die aber nicht ernster Natur waren. Als Pfarrer Ambrosius Schöb auf dem Todesbett lag und Lehrer Unger ihn besuchte, soll der Pfarrer zu dem Lehrer gesagt haben: „Wir zwei haben ab und zu nicht die gleiche Meinung gehabt und haben uns oft wehgetan, ich sage dir aber, daß es nie bös gemeint war. Ich selber werde nur noch wenige Stunden zum Leben haben, und du wirst der nächste sein, der nach mir stirbt, und wir werden in Frieden nebeneinander ausruhen bis zur Aufer-stehung.“ Der erst 48 Jahre alte Lehrer Unger glaubte dem kranken Pfarrer die Prophezeiung nicht, aber schon nach 4 Wochen erlag er einem Blutsturz. Lehrer Unger hatte eine schöne Schrift und erledigte damals dem Schultheißen viele schriftliche Arbeiten. Nach seinem Tod kam Provisor Gehring nach hier; er versah den Schuldienst bis Oktober 1842. Dann kam von Oberflacht Schullehrer Johann Nepomuk Rohrer, geboren 1787 in Kirchberg bei Biberach. Als die Gemeinde das Gesuch des Lehrers um Aufnahme als Nutzungsbürger (ohne jedes Einkaufsgeld) nicht genehmigte, verließ die Lehrersfamilie 1843 nach kaum halbjähriger Tätigkeit Weilen wieder. Nach dem Wegzug von Lehrer Rohrer zog Lehrer Christian Rosenberger hier ein; er war 1807 in Zimmern ob Rottweil geboren. Rosenberger wohnte mit seiner Familie hier bis 1851; dann zog er nach Hausen ob Rottweil. Von allen Lehrern, die im letzten Jahrhundert in Weilen waren, hatte Rosenberger die schönste Handschrift; sie ist heute noch sehr gut leserlich. Er war auch derjenige Lehrer, der das Glück hatte, vom alten Schulhaus (Rathaus) in das neue Schulhaus im Herbst 1846 umziehen zu können. Sein Nachfolger, der Verweser Fidelius Banholzer, war hier 13 Monate tätig. 1852 kam von Dondorf Lehrer Alois Belser, geboren 1818 in Aixheim. Danach folgte Pamphilius Kirchenmaier, geboren 1826 in Altmanns-hofen bei Leutkirch. 1866 wurde der Lehrer Kirchenmaier nach Germstrang bei Ehningen versetzt. Von 1866 bis 1867 war Johann Linder Schulmeister in Weilen. 1867 zog er nach Weigheim, der Heimat seiner Frau, wo die Schulleiterstelle frei wurde. In Weilen wirkte dann von 1867 bis 1893 Hauptlehrer Gustav Sayle, geboren 1831 in Dätzingen. Lehrer Sayle kaufte sich als Nutzungsbürger hier ein und verheiratete sich 1868 mit der hiesigen Bürgerstochter Maria Anna Krachenfels. 2 Söhne ergriffen den Beruf des Vaters und wurden auch Lehrer; eine Tochter wurde Ordensfrau und starb 1933 in Kolbingen, Kreis Tuttlingen. Lehrer Sayle war der letzte Lehrer, der im Schulhaus noch Landwirtschaft betrieb. Er hatte in den Jahren von 1878 bis zu seinem Tod außer dem Kirchenchor den Männergesangsverein gegründet und geleitet. Es sind heute einige Notenschriften von ihm in der Kirch erhalten. Nach dem Tod von Lehrer Sayle folgte Provisor Gustav Glatthar; Er war 1893 hier Lehrer. Dann kam Lehrer Andreas Hutt nach hier. Seine älteste Tochter Lina ging später ins Kloster und starb 1967 als Klosterfrau. Im Kirchenchor sowie als Organist und Chordirigent hat Lehrer Hutt sehr viel geleistet. Die blauen Notenhefte, welche heute noch benutzt werden, hat er geschrieben. Besonders in Fachzeichnen und Raumlehre gab er den Knaben der Oberklasse hervorragenden Unterricht. Es nahmen auch bald ältere Handwerker, nicht nur von Weilen, sondern auch von auswärts, von Schörzingen und Ratshausen, an diesem Unterricht teil. Von diesem Zeichenunterricht wurden einige ältere Teilnehmer angeregt, daß sie den Malerberuf und andere Handwerksberufe ergriffen, und sie wurden in den folgenden Fortbildungsschulen ob ihres Könnens gelobt. 1904 verzog die Lehrersfamilie Hutt nach Altshausen, wo Lehrer Hutt 1921 gestorben ist. Bis zur Neubesetzung der Schulstelle Weilen wirkte hier kurz Unterlehrer Patrick Schleicher. 1904 kam Balthasar Bieg hierher. Er ist 1878 in Hangendenbuch bei Abtsgmünd ge-boren. 1908 wurde Lehrer Bieg nach Rottumn bei Biberach versetzt. Nach seinem Wegzug kam Verweser Hugo Burger für kurze Zeit nach Weilen. Von 1908 bis 1912 unterrichtete Franz Xaver Ammann hier. Er ist 1868 in Schnürpflingen bei Laupheim geboren. 1912 zog er nach Daut-mergen, der Heimat seiner Frau. Lehrer Ammann war ein großer Bienenzüch-ter, er hielt zeitweise über 60 Bienenvölker in 2 Ständen hinter dem Schulhaus. Ein Riese von Gestalt, maß er über 1,90 m. Trotz seiner großen und kräftigen Gestalt wurde er nicht alt; er starb in Dautmergen 1933 mit 55 Jahren. Schon 1911 war Lehrer Ammann einige Monate krank gewesen; während dieser Zeit vertrat ihn Johann Schmid von Winzeln in der Schule. Nach dem Wegzug von Lehrer Ammann folgte Hauptlehrer Richard Pfletschinger. Er war 1889 geboren, war ledig und hatte die Schulstelle Weilen bis 1919 inne. Als Reservist musste er im August 1914 in den Krieg ziehen und verlor 1917 einen Fuß durch einen Granatsplitter. 1919 wurde er in die Gegend bei Gmünd versetzt. Während des Ersten Weltkrieges (1914 bis 1918) wirkten hier Otto Dürr (Lehrer in Schömberg) und Walter von Balingen (guter Organist und Musiker); Lehrer Walter hatte bei einem Flieger-angriff einen Fuß verloren. Nach dem Abzug von Lehrer Pfletschinger wurde die Schulstelle Weilen zunächst von AlfonsSchelkle versehen; er wirkte später einige Jahre als Schulleiter in Schörzingen. 1919wurde sie Schulstelle Weilen dem Haupt-lehrer Josef Lang verliehen; er war 1895 in Höchst-berg geboren. Er und seine Familie zeichneten sich durch ihr christliches Leben aus. Besonders viel hat Hauptlehrer Lang als Organist und Chordirigent geleistet.1938 zog die Lehrersfamilie nach Ulm a. D. Sie kam aber jedes Jahr in den Ferien einige Wochen hierher. Lang sagte selber, daß er Weilen, wo er 20 Jahre wirkte, als seine Heimat betrachte. Nach dem Krieg, 1946, wurde er zum Schulrat des Kreises Ulm befördert. Im Jahre 1957 starb er in Ulm. Nach dem Abzug der Lehrersfamilie Lang kam der Verweser Otto Dürr hierher als Lehrer. Ihn hätten die Weilener so gerne behalten, denn er war ein sehr guter Lehrer, ein guter Organist und ein echter Katholik. Aber gerade des-wegen machte er sich bei der damaligen Hitler-Regierung und deren Schulrat unbeliebt; so wurde er nach Bühlerzell versetzt. 1939 wurde die Schulstelle Weilen dem Hauptlehrer Albert Rohr übertragen. Er wurde 1905 in Oberndorf geboren. Sein 1937 geborener Sohn Albert wurde Priester und hat auch in Weilen nach seiner Primiz eine Heilige Messe gelesen. Hauptlehrer Albert Rohr ist 1941 in Rußland gefallen. 1942 wurde die Schulstelle Weilen dem Hauptlehrer ErnstEhrmann zugeteilt; er stand damals noch im Feld. Als im August 1945 Lehrer Ehrmann aus englischer Gefangenschaft kam, konnte ein Schulunterricht noch nicht gehalten werden. In den Schulräumen waren nämlich seit 20. Oktober 1944 über 50 estländische Staatsangehörige – Männer, Frauen und Kinder – untergebracht; sie waren bei den Ölschieferwerken in Schömberg und Um-gebung beschäftigt. Die Schulräume hatte die Kreisleitung über das Landrats-amt einfach beschlagnahmt. Die Gemeinde musste dann im Gasthaus zum Waldhorn einen geeigneten Raum mieten. 1945 brachten die Franzosen in 2 Omnibussen 72 Polen, welche in der Gemeinde sofort untergebracht werden mußten. Die Polen warfen die Estländer aus den Schulräumen und zogen selbst dort ein. Als endlich die Polen am 20. Oktober 1945 auszogen, mußten die Schulräume, die von Wanzen und Ungeziefer wimmelten, von einem Ebinger Chemiker gereinigt und desinfiziert werden; erst danach konnten die Schulräume neu gestrichen und tapeziert werden; der Schulbetrieb konnte im November 1945 wieder aufgenommen werden, und zwar von Lehrer Ehrmann. Er zog 1947 wieder von hier weg nach Talheim bei Tuttlingen. Während des Krieges von 1939 bis 1945 waren verschiedene Lehrer und Lehrerinnen hier tätig; 1939 Fräulein Bürk, 1940 Lehrer Schick, Lehrer Merz und besonders Fräulein Rott, eine geborene Sudetendeutsche, die in Weilen sehr beliebt war. Fräulein Rott war später in Schörzingen Lehrerin. Im Herbst 1940 kam Karl Münz als Lehrkraft nach Weilen, aber im folgenden Jahr wurde er zur Wehrmacht einberufen und fiel 1943 in Rußland als Leutnant und Kompanieführer. Nach Lehrer Münz kam die Lehrerin Luzia Becker von Stuttgart-Gablenberg hierher. Sie unterrichtete hier bis 20. April 1945. Von Dezember 1945 bis Frühjahr 1947 war Schulhelfer Karl Sauter von Rats-hausen hier tätig. Nun war es höchst Zeit, daß für die Weilener Schule wieder ein ständiger und tüchtiger Lehrer eingesetzt wurde, und dies geschah durch die Ernennung von Hauptlehrer Heinrich Dreher , geboren 1904 in Hausen. 1957 wurde er zum Oberlehrer ernannt. Er war einer der besten und tüchtigsten Lehrer, die Weilen jemals hatte. Leider ist er nach Schömberg abgezogen. Auf Oberlehrer Dreher folgte Hauptlehrer GeroldRuggaber, ein Lehrerssohn aus Rottenburg. Er ist 1934 in Aßmannshard geboren. Seit 1965 hat Weilen eine zweite Schulstelle, da die große Schülerzahl dies erfordert. Die jetzige zweite Lehrkraft ist Fräulein Adelheid Bucher von Lauffen bei Rottweil. Der Handarbeitsunterricht wird im Gemeindhaus Nr. 62 gegeben.
Die Oberklasse von Hauptlehrer Gerold Ruggaber im Schuljahr 1962/63
4.7 Unterricht in der Volksschule früher und heute
Im allgemeinen wurde in allen Dörfern zur Zeit der österreichischen und württembergischen Herrschaft der Schulmeister auf folgende Art ernannt: Vielfach trat das verwandtschaftliche oder freundschaftliche Verhältnis zum Gemeindevogt und zu den Gemeinderichtern in den Vordergrund; man schaute aber auch auf die Eignung des Lehrers. Wer die meisten Gönner im Gemeinde-rat hatte, bekam die Lehrstelle und hatte für geringes Einkommen – den sogenannten Schulsechser und Naturalien – den ehrenvollen Auftrag, den Kindern seine Kenntnisse in Lesen, Schreiben und Rechnen zu übermitteln. Im Vertrag hieß es: „Der Schulmeister soll die Schule selber halten, und nicht die großen Schulerbuben.“ Vor einer Bewerbung soll ein Bauer einmal selbst be-rechtigte Bedenken und Zweifel darüber gehabt haben, ob er auch das Talent zum Schulmeister besitze; seine bessere Ehehälfte habe ihm dann über das Zaudern hinweggeholfen mit den Worten: „Die großen Buben werden es schon recht machen.“ Nach dem Volksschulgesetz vom Jahre 1836 war jedes Kind vom 7. bis zum 14. Lebensjahr verpflichtet, die Volksschule zu besuchen. Vorher waren nur die Knaben zum Schulbesuch verpflichtet; den Mädchen war es freigestellt, am Schulunterricht teilzunehmen. Auch die Knaben waren nur zur Winterszeit – von Allerseelen bis Georgi (23. April), vielerorts auch von Martini bis Georgi – zum Schulbesuch verpflichtet. Ein Lehrer durfte höchstens 90 Kinder unterrichten. Wie schon erwähnt, hatten die kleineren Gemeinden keine Schul-häuser, es wurde eine Schulstube gemietet; dabei wurde weniger auf die Zweckmäßigkeit des Raumes als auf eine niedere Miete gesehen. Da Gemeinde und Eltern für die Besoldung der Lehrer aufzukommen hatten, wurde in erster Linie auf Billigkeit der Schulstelle gesehen; die Eignung der Schulräume und der Lehrer war Nebensache. Die Schulmeister wurden in Weilen immer als sehr gut bezeichnet, was öfters berichtet wird. Neben der Besoldung und Naturalien überließ die Gemeinde dem Lehrer noch Grundstücke. Das eigentliche Lehrergut auf dem unteren Wasen (etwa 2 Morgen) sowie eine Allmand wurde den Lehrern erst später als Besol-dung von der Gemeinde gegeben, da sämtliche Lehrer bis zum Tod des Hauptlehrers Gustav Sayle (1893) eine eigene Landwirtschaft betrieben. Es dürfte interessieren, wie hoch das Schulgeld und die Besoldung der Lehrer in den früheren Jahren waren. Der Schulmeister hatte im Jahre 1809 von der Gemeinde einen Jahreslohn von 8 Gulden sowie einige Grundstücke; von den Eltern der Schüler bekam er den Schulsechser. Im Jahre 1816/1817 bezog der Lehrer bereits eine Jahres-vergütung von 100 Gulden, 1838 = 216 Gulden, 1859 = 300 Gulden, 1865 = 400 Gulden, 1872 = 480 Gulden, 1904 = 1 210 Mark, 1908 = 1 270 Mark, 1914 = 1 600 Mark. Von 1809 bis 1816 musste jeder Bürger zu Besoldung des Lehrers und zur Unterhaltung der Schule 44 Kreuzer in die Gemeindekasse bezahlen; außerdem musste jeder Schüler jährlich 20 Kreuzer Schulgeld entrichten. Im Jahre 1838 belief es sich auf 72 Kreuzer. Die Schüler des ersten Schuljahres waren von dieser Abgabe befreit. Für die armen Kinder musste die Gemeinde das Schulgeld selbst entrichten. Bis 1909 wurden dann die Lehrer ganz von der Gemeinde bezahlt und besoldet. Die Aufsicht über die Schulen hatte in österreichischen Zeiten der Vogt und dann der Ortsgeistliche. Es gab keinen Schulrat, sondern einen Schulinspektor. Zum Lehrerdienst gehörte früher auch der Mesner- sowie der Organistendienst. Der Mesnerdienst des Lehrers ist in Weilen schon in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts nach dem Tod von Lehrer Sayle weggefallen. Seit dem Jahre 1919 sind die Lehrer auch vom Organistendienst befreit. Die Lehrervereinigung hatte jahrelang um die Befreiung von Mesner- und Organistendienst gekämpft. Der Organistendienst wird aber heute noch in einigen Orten von Lehrern mit Idealismus und Musikliebe ausgeführt. Das Mesner- und Organistengehalt musste von der Kirchenpflege an den Lehrer bezahlt werden. So erzielte der Lehrer im Jahre 1852/53 von der Kirchen-pflege folgende Bezüge: Fruchtbesoldung in Natur = 4 Säcke Dinkel oder Korn zu 4 Gulden = 16 Gulden,1 Sack Hafer im Wert von ebenfalls 4 Gulden; das Mesnergehalt in bar betrug 18 Gulden und das Organistengehalt 11 Gulden sowie einige kleinere Beträge für Jahrtage usw. Der gesamte Besoldungs-betrag wurde mit etwa 51 Gulden veranschlagt. Der Lehrer hatte auch beim Vogt oder Schultheißen mit Schreib- arbeiten auszuhelfen, wie zum Beispiel die Lehrer Christian Rosenberger und Amand Unger. Wie sah es nun in einer Dorfschule ums Jahr 1800 und noch später aus? Die Buben kamen meist nur ungern zur Schule. Auch in der Reinlichkeit wurde es früher nicht so genau genommen. Die Kleider und Schuhe, beson-ders der ärmeren Kinder, wiesen große Mängel auf. Im Sommer trugen die Kinder nur ganz vereinzelt Schuhe; sie liefen meist barfuss. Als Taschentuch wurde der Ärmel benutzt. Die Buben saßen im Kreis auf dem Boden der gemieteten Bauernstube oder Werkstatt eines Handwerkers; letzterer arbei-tete nach Beendigung der Schule wieder darin. 1816 wurde auf Gemeinde-kosten 2 Alphabettafelen und eine große Schultafel zu einem Preis von 4 Gulden angeschafft. Der Lehrer saß inmitten seiner Schüler auf einem Stuhl und bemühte sich, seinen Schülern die Kunst des Rechnens, Lesens und Schreibens beizubringen. Ganz schwierig war früher das rechnen mit altem Maß, Gewicht und Geld. 1 Gulden hatte zum Beispiel nicht 100 Kreuzer, sondern 60. Auch mit Elle, Zoll, Schuh und Ruten war es ähnlich. Später saßen die Schüler auf gewöhnlichen Bänken und hatten vor sich Tafeln und Bücher auf dem Tisch liegen. Wenn im Sommer während der Ferien wegen schlechten Wetters nich auf den Feldern gearbeitet werden konnte, ging der Lehrer in die Kirche und läutete mit der kleinen Glocke; dieses war das Zeichen für die Schüler, daß sie zur Schule kommen mußten. Es wurde auch darauf gesehen, daß die Schüler vor Beginn der Schule die Heilige Messe besuchten; die Zeit wurde zum Schulbesuch gerechnet. Zur Beschaffung von Lehrbüchern, Schreibheften und sonstigem Schulbedarf wurde ein Schulfond gegründet. Er wurde von Privatleuten gegründet und gestiftet; von den Zinsen wurde der Schulbedarf, Bücher u. dgl., gekauft. Jeder Schüler, der in das vierte Schuljahr kam, erhielt aus den Zinsen dieses Fonds ein Gesang- und Andachtsbuch. Die Stiftungen waren mitunter beträchtlich; so stiftete 1812 der Schmied Sebastian Koch 400 Gulden in den Schulfond. Von 2 ledigen Schwestern wurde der soge-nannte Weckenjahrtag gestiftet; jedes Schulkind das beim Jahrtag in der kirche anwesend war, erhielt einen Wecken. Die Inflation nach dem ersten Weltkrieg hat sowohl den Schulfond wie auch die Jahrtagsstiftung aufgezehrt. Im Jahre 1845 betrug die Schülerzahl von 7 Volksschuljahr-gängen 82, sowie 36 Sonntagsschüler. Die Sonntagsschüler mußten vom14. bis 16. Lebensjahr jeden Sonntagmittag von 12.30 bis 13.30 Uhr in die Sonntagsschule und anschließend in die Christenlehre; letzteres zuerst 7 Jahre und später bis zum 18. Lebensjahr. Heute besuchen die Weilener Volksschule zwischen 70 und 80 Kinder in zusammen 8 Klassen. Die frühere Sonntagsschule ist schon seit dem Jahre 1910 aufge-hoben. Die entlassenen Volksschüler müssen in die Fortbildungsschulen, meistens in die Berufsschule oder die Mädchen auch in die Hauswirtschafts-schule. Seit zwei Jahrhunderten hat sich das Schulwesen grundlegend geän-dert. Neuerdings gehen von hier 10 Schüler in höhere Schulen, davon 5 nach Schömberg in die neu errichtete Realschule und 5 weitere nach Balingen in Oberschulen.R
Neueres Fachwerkhaus
Vogelnist- kästen an einem alten Fachwerkhaus
Seit einigen Jahren wird in den Räumen der Kinderschule Handar-beitsunterricht gegeben. Das neunte Schuljahr muß in Schömberg die dortige Schulklasse besuchen; denn gerade diese Klasse wird dort von Fachlehrern unterrichtet. Seit es Lernmittelfreiheitgibt, hat die Gemeinde für die Schulbücher zu sorgen; aber auch den Eltern verbleiben noch viele Ausgaben für Schulhefte, Zeichenblocks usw. Die Zeit der Schiefertafeln ist vorbei.
4.7 Nur kurze zeit gab es eine Kinderschule
Außer der Volksschule bestand 6 Jahre lang – vom 1. Oktober 1941 bis Frühjahr 1946 – eine Kleinkinderschule. Auf Anregung von Bürgermeister Kiener von Schömberg wurde im Sommer 1941 im Gemeindehaus Gebäude Nr.62 ein NSV-Kindergarten eingerichtet. Als Lehrerinnen wirkten bis April 1945 die NSV-Schwestern Martha Fischer, Irmgard Brunner und zuletzt Rosa Link von Tailfingen. Im Sommer 1945 wurde dann der Kindergarten von den hier seit 1944 weilenden Barmherzigen Schwestern (Franziskanerinnen) als Klein-kinderschule übernommen. Als die Schwestern 1946 in ihr Kloster zurückberufen wurden, übernahm die Caritasschwester Edith Schieffer die Kinderschule. Sie war hier von 1945 bis 1946 als Kinderschwester tätig. Da die Geldmittel zur Unterhaltung des Kindergartens fehlten, musste die Kinderschule geschlossen werden. Sie hätte wenigstens bis zur Währungsreform im Juni 1948 bestehen können, wenn die Gemeinde mit einigen Geldmitteln geholfen hätte. Dieses Geld wäre nicht wie die 77 000 Reichsmark in der Währungsreform verlorengegangen , von denen kein Pfennig aufgewertet wurde. Die Kinderschule war von 25 bis 30 Kindern besucht worden. Wenn auch die Zahl der Kinder etwas klein war, so wurde erst nach der Aufhebung des Kindergartens gewertet, welch eine Erleichterung die Mütter hatten; zudem wurden die Kinder für die Volksschule vorgebildet. Die Einrichtung der Kinderschule, die zum größten Teil von der Gemeinde beschafft wurde, wird auf dem Dachboden des Rathauses aufbewahrt.
Wann die erste Kirche in Weilen gebaut wurde und seit wann hier ein Priester wirkte, ist nicht bekannt. Aber schon im ersten Pfarreiverzeichnis (Liber decimationis) der Diözese Konstanz vom Jahre 1275 erscheint ein Leutpriester („plebanus“) in „Wiler“. Der Herausgeber dieses Verzeichnisses schreibt zwar, ein Ort Wiler bei Schömberg sei ihm nicht bekannt. Dagegen weist Heinz Erich Walter darauf hin, daß unser Weilen im Mittelalter stets „Wiler“ oder „Wyler“ hieß und daß nach der Reihenfolge unser Weilen gemeint sein muß. Auch im Liber marcarum der Diözese Konstanz vom Jahre 1353 kommt ein Wiler vor. Die erste Kirche muß ein bescheidenes Gotteshaus gewesen sein, und der Leutpriester bezog 1275 nur 6 Mark Jahreseinkünfte; er brauchte deswegen die damalige Kirchensteuer an den Papst nicht entrichten. Bereits am 1. November 1277 hat ein Vikar Bernhard in Wile unter anderen Vikaren und Pfarrern ein Schriftstück mit unterzeichnet, in dem Graf Friedrich von Zollern den Großen und kleinen Zehnten zu Denkingen an das Johanniterspital in Rottweil gegen einen Zins von 4 Pfund Wachs jährlich vergab. Nach Mone soll in Weilen schon 1220 bis 1250 ein sogenanntes Klaustrallehen bestanden haben, das mit benach-barten Orten wie Aldingen, Wehingen, Gosheim, Reichenbach und Schörzingen genannt ist. 1437 folgte auf den Kaplan Berthold Tod, der wohl aus Schömberg stammte, der Kaplan Johann Zeller. Eine Urkunde von 1437 bezeugt klar das Vorhandensein einer Kaplanei in Weilen. Es heißt hier: „1537 alt S. Nikolai capleinei in Wiler infra castrum Hohenberg“ (Weiler unter der Burg Hohenberg). Die Kirche war demnach erst dem heiligen Nikolaus geweiht. Der Pfarrektor von Schömberg setzte den Kaplan von Weilen ein. 1491 wird die Kapelle des heiligen Petrus (Patroziniumsverwechslung) in „Wyler sub parachie Schemberg“ erwähnt, und 1508 schließlich gehörte unsere Kirche als Filiale zu Schömberg. Nachdem die Kaplanei Weilen erst mit der Stadtpfarrei Schömberg verbunden war, kam sie 1489 zum Chorherrenstift Waldkirch. Dieses bezog einen Teil der Zehnten hier und musste dafür die Baulasten an Kirche und Pfarrhaus tragen. Durch die Säkularisation im Jahre 1803 wurden die Güter des Chorherrenstifts Waldkirch vom badischen Staat aufgehoben und eingezogen. Im Jahre 1822 kaufte die Stadt Schömberg vom badischen Staat alle zur Pfarrei Schömberg gehören-den Gefälle in Ratshausen, Weilen und Dautmergen. Gegen die Pflichten des ehemaligen Stifts setzte sich die Stadt erfolgreich zur Wehr; darüber wird noch berichtet (siehe Seite 120). Aus Schömberg stammten einige Weilener Kapläne. Anno 1450 war Dietrich Tod, der Sohn des Schömberger Stadtschultheißen, Kaplan in Weilen. Von 1473 an hatte er sogar 3 Pfründstellen, nämlich Schömberg, Weilen und Sontheim inne. Sontheim – der jetzige Sonthof – war früher ein Dorf, das nach dem Dreißigjährigen Krieg einging; die dortige Michaelskirche wird schon 1220 genannt, sie musste wegen Baufälligkeit 1841 abgebrochen werden. Noch 1481 und 1500 ist Dietrich Tod genannt, er war 1482 Dekan in Schömberg. Auf Dietrich Tod folgte 1491 als Kaplan in Weilen Johann Zeller Erst 1563 hören wir wieder von einem Kaplan Bartholomäus Steiner. Er hatte die Schömberger Filialen Weilen und Ratshausen zu verse-hen. In der Folgezeit wurden die beiden Gemeinden vom gleichen Geistlichen betreut. 1568 wird ein Hans Konz als Kaplan von Weilen und Ratshausen genannt. Auf ihn muß ein Pfarrer („Pfaffe“) mit dem Vornamen Jakob gefolgt sein; dieser wird bei der Investitur des Jakob Krachtenfels (aus Wellendin-gen stammend) im Jahre 1580 angeführt. Nach Kaplan Krachtenfels übte Abraham Thümble hier die Seelsorge aus. Um 1595 trat Christoph Bregenzer das Amt des Kaplans in Weilen und Ratshausen an. Nach ihm scheinen die beiden Gemeinden keinen eigenen Geistlichen mehr gehabt zu haben. 1641 – mitten im Dreißigjährigen Krieg – wurde Weilen vom Deilinger Pfarrer versehen. Dann finden wir vor 1661 Johann Ludwig Bock und nach 1661 Hyacinthus Rieff, Pater aus dem Predigerorden, auf der Kaplanei Weilen-Ratshausen. Dann blieb die Stelle wieder eine Zeitlang vakant. Die Seelsorge in Weilen versah 1665 Pater Gelasius Franz von Schömberg. 1667 bewarb sich der Schörzinger Kaplan Johann Jakob Butsch um unsere Kaplanei. Ob er sie damals schon erhalten hat, ist ungewiss. Denn zur gleichen Zeit finden wir Jakob Andreas Anfang als Kaplan von Weilen und Ratshausen. Er wirkte bis 1679 hier. Dann stand die Kaplanei wieder leer, bis 1682 der bereits genannte Johann Jakob Butsch aufzog. Er war aus Rottweil gebürtig. Aus den Einträgen in den Kirchenpflegerechnungen, die hier von 1683 an vorhanden sind und im Pfarrhaus aufbewahrt werden, geht hervor, daß die Kapläne in Weilen wohnten, und zwar im Kaplaneihaus. Außer unserem Dorf hatten sie auch Ratshausen zu versehen, das damals kleiner war als Weilen. Bis zum Jahr 1707 war dann Josef Fischer von Rottenburg in Weilen als Kaplan tätig. Von 1711 bis 1718 amtierte Sigismund Bißwurm von Ulm in Weilen. Auf ihn folgte von 1722 bis 1729 Franz Schwenk; er war von Schömberg gebürtig. Von 1730 bis 1737 war Anton Hagios aus Villingen hier Kaplan. Dann kam Vikar Gingeler (bis 1739). 1741 wird Vikar Eha genannt. Zwischendurch betreuten einige Jahre die Schömberger Pfarrer auch die hiesigen Gläubigen. Von 1745 bis 1752 war dann Joachim Koch hier in seiner Geburts-heimat als Kaplan tätig. Er wurde in der hiesigen Kirche beerdigt (siehe Seite 123). Der Weilener Kaplan Joachim Koch und sein Kollege Joseph Rockenbach in Ratshausen haben in den Jahren 1746-1751einen harten Strauß mit dem Schömberger Pfarrer gefochten. Dieser zeigte sie beim bischöflichen Ordina-riat an, weil sie ihm in der Schömberger Pfarrei nicht aushalfen. Daraufhin erhielten beide Kapläne eine Karzerstrafe von 3 Tagen. Mit allen möglichen Eingaben zogen die beiden Gerügten vor Obrigkeit und Gericht. Mit dem „Erfolg“, daß nach dem Tode von Kaplan Koch die Behörden beschlossen, das Beneficium in Weilen einige Jahre unbesetzt zu lassen. Von 1762 bis 1780 war wieder ein Villinger Bürgerssohn hier als Kaplan tätig. Es war Georg Ludwig Sax, der 1710 in Villingen geboren wurde. Sein Vater wohnte ebenfalls in Weilen im Kaplaneihaus sowie die Schwester des Kaplans, Helene Sax, die sich im April 1763 mit dem Bauer Johannes Seifriz von hier verheiratet. Der Vater des Kaplans Sax ist hier gestorben. Der Nachfolger von Kaplan Sax stammte wieder aus Villingen. Josef Held war 1740 in Villingen geboren worden. 21 Jahre lang wirkte er als Kaplan in Weilen, von 1780 bis 1801. Für die Kapläne Fischer, Sax, Held, Hagios und Schwenk wurden Jahrtage hier gestiftet, die noch vor dem Ersten Weltkrieg gelesen und dann in der Inflation aufgelöst wurden. Von 1802 bis 1814 war der Pfarrkaplan Josef Krachenfels in seiner Heimat Weilen als Seelsorger tätig; er war 1774 als Sohn von Leonhard Krachenfels und seiner Frau Maria Anna Seifriz geboren worden. 1815 wurde er Pfarrer in Altoberndorf. In Rottweil ist er 1852 als Pensionär gestorben. Nach Kaplan Krachenfels folgten eine Reihe unständiger Geistlicher, welche nur kurze Zeit hier oder überhaupt nicht wohnhaft waren, wie sie heute (1968) noch der Fall ist. Im Jahre 1831 wurde aber Weilen zur Pfarrei erhoben. Die Pfarrstelle wurde im Regierungsblatt ausgeschrieben. Sie wurde dem Pfarrverweser Josef Bauer in Rottum verliehen. Aber schon 1833 zog er nach Reute bei Biberach. Die Verwesung der Pfarrei Weilen übernahmen Pfarrer Vollmer und Pfarrverweser Goggel von Deilingen. Der zweite Pfarrer der Pfarrstelle Weilen zog Ende 1836 auf. Es war Ambrosius Schöb, gewesener Konventual des aufgehobenen Franzis-kanerordens. Er starb schon 1841 und wurde auf dem hiesigen Friedhof be-graben, wo sein Grab noch heute zu sehen ist. Die verwaiste Pfarrstelle wurde zuerst von Deilingen aus versehen; dann waren drei verschiedene Verweser hier: Vogt, Steiner und Holl. Ende 1842 wurde die Pfarrstelle Weilen dem Pfarrer Ignaz Brechenmacher über-tragen; er war 1812 in Ellwangen geboren. Im Jahre 1844 wurde Pfarrer Brechenmacher Kämmerer des Kapitels Schömberg. 1853 zog er nach Jus-tingen bei Zwiefalten, wo er die dortige Pfarrei übernahm. Nach Abzug von Brechenmacher kam Verweser Johann Walther aus Rottenburg für einige Monate. Er ließ den Plafond der Pfarrkirche mit einer gelben Farbe streichen. Dieser Zustand wurde von seinem Nachfolger Josef Schlipf, Doktor der Philosophie und vorher Pfarrer in Hohenasperg, geändert. Er wirkte hier bis Ende 1854. Ihm folgte Lorenz Gunkel geboren in Untertalheim bei Horb. Er war hier Pfarrverweser bis 1859 und kam dann als Verweser nach Denkingen bis 1861. In diesem Jahr wurde ihm wieder die Pfarrstelle in Weilen übertragen; als Pfarrer wirkte Gunkel hier bis 1873. Er zog nach Merazhofen im Allgäu, wo er großes Heimweh hatte, was zu seinem schnellen Tode führte. Seine Schwester Luise Gunkel hatte sich hier mit dem Maurer Jakob Weinmann (Wagner Jakob) verheiratet. In der Zeit, als Gunkel Verweser in Denkingen war, wurde die Pfarrstelle Weilen von Kaplan Schempelevon Schörzingen und Verweser Lont von Frittlingen versehen. Nach dem Wegzug von Pfarrer Gunkel im Jahr 1873 war Kaplan Bauer aus Schörzingen hier tätig. 1874 wurde Pfarrer und Schulinspektor Fr.Ludwig Sautermeister hier investitiert. Er war vorher Pfarrer in Hausen a. Th. Gewesen. Als Naturfreund und Botaniker kannte er fast alle Pflanzen (vgl. Seite 177). Er hat zur Oberamtsbeschreibung von Spaichingen Wesentliches auf dem Gebiet der Pflanzenkunde beigetragen, so daß er dort mehrmals lobend erwähnt wird. Leider war dieser Pfarrer nicht lange in Weilen tätig. Nach 3 Jahren übernahm er die bessergestellte Pfarrei Schörzingen. Nach dem Wegzug von Sautermeister wirkte als Verweser Stiegele bis November 1877, als Matin Bucher, geboren 1837 in Göllsdorf, hier investiert wurde; er war vorher Pfarrer in Salach. Er zog 1891 von
Michael Bullinger Gotthold Stehle
Weilen nach Zogenweiler bei Ravensburg.Von diesem Priester erzählten alte Leute, daß er ein sehr guter Mann gewesen sei und alles an die armen Leute verschenkte. Auch er hatte Heimweh nach Weilen; 1893 ist er auf seiner Pfarrei in Zogenweiler verstorben. 1891 kam Pfarrverweser Dettinger nach Weilen; nach einem Jahr wurde er nach Epfendorf versetzt. Sein Vater stammte von Deilingen, und als Pfarrer Dettinger im hohen Alter von 80 Jahren im Jahre 1944 starb, wurde er wunschgemäß nach Deilingen überführt und dort beerdigt. 1892 wurde Pfarrer Michael Bullinger hier investitiert. Er war vorher Verweser in Epfendorf gewesen. Er war 1855 in Niederalfingen bei Aalen geboren worden. Während seine hiesigen Amtszeit wurde der Chor der Kirche angebaut und die Obst-bäume im Pfarrgarten gepflanzt. Trotz seiner Strenge und leichten Erregbar-keit hatte er in gutes Herz und tat viel Gutes den Armen. 1901 zog Pfarrer Michael Bullinger nach Egelfingen bei Riedlingen. Im hohen Alter von 85 Jahren verstarb er in Wasseralfingen. 1901 kam von Egelfingen Verweser Miller; er war nur 10 Monate hier. 1902 zog Pfarrverweser Gotthold Stehle von Reichenbach im Täle zunächst als Verweser auf. Anton Gotthold Stehle war 1871 in Gärtringen geboren. Seine Eltern, Otto Stehle und Anna Maria geborene Secker, waren vor dem Ersten Weltkrieg einige Jahre lang in Weilen im Pfarrhaus wohnhaft. 1902 wurde dem Pfarrverweser Gotthold Stehle die Pfarrei Weilen verliehen. Er wirkte hier über 26 Jahre lang und war allgemein beliebt. Leider säte seine Haushälterin durch Schwatzhaftigkeit und Streitsucht Zwietracht zwischen Pfarrer und Gemeinde, weshalb Pfarrer Stehle 1927 von hier nach Wuchzen-hofen im Allgäu zog. Stehle war über 10 Jahre lang Kämmerer des Kapitels Schömberg gewesen. Er starb 1948 im Ruhestand in Waldsee. In seinem Testament, das er nur 4 Tage vor seinem Tod machte, stiftete er der Kir-chenpflege Weilen 2 000 DM; auch das Feldkreuz an der alten Wochen-bergstraße in den Engstenhalden geht auf ihn zurück. Auf Pfarrer Stehle folgte Pfarrer Franz Xaver Bertler, der 1875 in Scheer bei Sigmaringen geboren wurde. Er ließ sich 1943 in den Ruhestand versetzen und Starb im Jahre 1959 in Scheer. Nach dem Wegzug von Pfarrer Bertler folgte Franziskanerpater Hilarion Horz vom Franziskanerkloster in Rottweil als Pfarrverweser; er war 1895 in Winkel bei Köln geboren worden. Die Verwaltung der Pfarrei übernahm der Stadtpfarrer in Schömberg. Als 1944 die Bombardierung der Städte und Dörfer, besonders im Rheinland unerträglich wurde, musste auch eine Nieder-lassung von Barmherzigen Schwestern in der Gegend von Trier ihren Wirkungskreis verlassen. Bei ihnen war eine leibliche Schwester von Pater Hilarion. Diese schrieb ihrem Bruder Hilarion, ob er kein ruhiges Plätzchen wisse, wo man von den feindlichen Fliegern einigermaßen Ruhe hätte. So wurde im Benehmen mit dem Bürgermeister einigen Schwestern Aufnahme für die Dauer des Krieges bewilligt. Es kamen insgesamt 6 Franziskanerinnen nach Weilen, wovon 3 im Pfarrhaus wohnten und die anderen 3 in Privat-häusern. Die leibliche Schwester von Pater Hilarion war Oberin und wohnte im Pfarrhaus. Fast 2 Jahre lang waren diese Schwestern hier und haben in dieser Zeit viel Gutes gewirkt. Unter anderem versorgte eine Schwester die Kinder-schule, eine andere war Kranken
Franz Xaver Bertler Hilarion Horz
schwester, und Schwester Regis war eine sehr gute Organistin und hat den Kirchenchor 2 Jahre lang geleitet. Im Jahre 1946 wurden die Schwestern von der Oberin des Mutterhauses in Trier hier wieder abgeholt. Auch Pater Hilarion wurde 1947 wieder nach Rottweil zurückberufen, zuerst noch auf den Palmbühl. Anschließend folgte kurze Zeit Franziskanerpater Suitbert, geboren 1908 in Oberhausen bei Bruchsal. 1947 wurde die Pfarrstelle Weilen und Rats-hausen dem Pfarrverweser Friedrich Wilhelm Gieler verliehen; er war 1899 in Haagen in Westfalen geboren. Als Sitz des Pfarrers wurde Ratshausen, als die größte der beiden Pfarreien, bestimmt. Das Pfarrhaus in Weilen blieb leer-stehen. 1947 kam ein Pensionär in das Pfarrhaus, und zwar Pfarrer i.R. Josef Traber. Er war zuvor Pfarrer in Hemmendorf bei Rottenburg gewesen. Er war aber krank und war meist abwesend in Krankenhäusern und Erholungsheimen. Im Jahr 1949wurde die Pfarrei Weilen dem Pfarrer Engst in Deilingen
Anton Denninger Otto Kopp
zur Mitbetreuung übergeben. Dieser Pfarrer hat die Gemeinde Weilen hinsicht-lich des Gottesdienstes gut versehen. 1951 kam Anton Denninger, der fast 30 Jahre lang Pfarrer in Frittlingen war, nach Weilen. Er hat die Pfarrstelle Weilen bis 1961 muster-gültig versehen. Als kunstsachverständiger Priester hat er es fertiggebracht, daß die Kirche von Grund aus umgebaut und renoviert wurde. Ein neues Gestühl und eine elektrische Heizung wurden eingebaut; die Orgel erhielt einen Elektromotor. Pfarrer Denninger hat nicht nur mit Rat und Tat bei den einzelnen Restaurationen mitgeholfen, er hat auch finanziell für die Kirche viel gegeben. Nach seinem Wegzug nach Rottweil als Pensionär hat er noch einige Jahre an Weihnachten, Ostern, Christi Himmelfahrt, Fronleichnam und Aller-heiligen sowie an sonstigen Festen die Gottesdienste hier gehalten, trotz seines hohen Alters von über 80 Jahren. Nach dem Wegzug von Pfarrer Denninger wurde die Pfarrei Weilen von Stadtpfarrer Otto Kopp von Schömberg versehen. Während seiner Amtstätigkeit wurden 1963 die beiden neuen Glocken beschafft. Als Stadt-pfarrer Kopp nach Schwäbisch Hall versetzt wurde, kam Karl Zink nach Schömberg; ihm wurde die Stadtpfarrei Schömberg übertragen und auch die Pfarrei Weilen. Stadtpfarrer Zink ist gebürtig von Wernau bei Esslingen.
Karl Zink Erwin Hermann
Wenn auch heute noch Weilen Pfarrei ist, so wird der Ort wieder wie vor Jahrhunderten, als es hier nur eine Kaplanei gab, vom Schömberger Pfarrherrn betreut. Pfarrer Hermann von Schörzingen hilft bei der Pastoration und im Schulunterricht aus.
5.2 Das einstige Kaplanei- und Pfarrhaus von Weilen
In der alten Oberamtsbeschreibung von Spaichingen von 1876 heißt es, daß das Pfarrhaus in Weilen 1741 neu erbaut wurde. Das ist auch nach-weisbar in Aufschrieben der Pfarr- bzw. Kirchenpflegeakten. Das frühere Kaplaneihaus stand am gleichen Platz wie das Pfarrhaus. Die Wohnung für die Kapläne und die Unterbringung der Zehntfrüchte für die Kaplanei brauchte vor 1741 viel Platz. Der große Platz, worauf das Pfarrhaus steht, sowie ein Hektar Wiesen hinter dem Pfarrhaus wurden schon vor dem Jahre 1400 gestiftet. Das ehemalige Kaplanei- und Pfarrhaus wurde als großes Bauern- haus gebaut. Da Pfarrer und Kapläne die Pfründgüter, zum Teil 19 Morgen, selber bewirtschafteten bzw. durch Knechte und Mägde bewirtschaften ließen. Die Bühnenräume und Fruchtböden sind in 3 Stockwerken sehr um-fangreich; es bestand bestimmt kein Platzmangel für die Unterbringung der Zehntfrüchte, des Holzes und anderen Hausrats. Wie schlecht der Zustand des Pfarrhauses im Jahre 1812 war, beweist das Gutachten eines Bausach-verständigen. Darin heißt es: „Am Kaplaneihaus samt Scheuer ist der Verputz sehr mangelhaft und verwittert, sowohl der Südgiebel als auch die Westseite. Kostenvoranschlag etwa 30 Gulden. Die Heuböden ob dem Stall sind ganz faul und teilweise zerbrochen. Kosten für neue Böden 16 Gulden und 40 Kreuzer. Ebenso sind 3 Zimmerböden ob dem Stall ganz faul und zum Teil die Löcher mit Stücken zugedeckt. Kosten für neue Böden etwa 17 Gulden. Auch die Fruchtböden auf der Bühne, wo die Zehntfrucht gelagert wird, sind ganz morsch und faul und würde deren Neufertigung etwa 13 Gulden betragen. Ob damals ein Umbau erfolgte, ist nicht gewiss. Sein heutiges Aus-sehen erhielt das Pfarrhaus im Jahre 1902; es wurde im Innern umgebaut, so wie es heute ist. Als 1943 der mit Bruchstein gewölbte Keller im Gewölbe einzustürzen drohte, wurde er ganz herausgerissen und durch ein Beton-gewölbe ersetzt. Auch ein Boden aus Backsteinen wurde auf dem Schiefer-boden aufgelegt. Seit Anfang Mai 1961 steht das Pfarrhaus hier leer und wird nicht ehr bewohnt, da wir keinen eigenen Pfarrer haben. Noch etwas über die Bäume beim Pfarrhaus: Die Obstbäume hinter dem Pfarrhaus hatte der Pfarrer Michael Bullinger in den Jahren 1894 bis 1898 pflanzen lassen. Die große Linde vor dem Pfarrhaus wurde im Jahre 1851/52 gesetzt, die Linde beim Schulhaus 1863. Die beiden jungen Linden westlich der Kirche hat der Verfasser im Mai 1945 zum Dank für die Beendigung des Krieges gesetzt.
Das geräumige Pfarrhaus von Weilen steht heute leer. Es ist vor über 200 Jahren an der Stelle des früheren Kaplaneihauses erbaut worden. Die Gemeinde wird jetzt von Pfarrern aus benachbarten Orten betreut.
5.3 Die Erbauung und Renovierung der Kirche
Schon ums Jahr 1400 stand ein Kirchlein am jetzigen Kirchplatz. Die heutige kleine Glocke wurde bereits zwischen 1400 bis 1405 in Rottweil von der Glockengießerei Klain gegossen. Aus dem Jahre 1571 stammt die zweite Glocke ebenfalls vom gleichen Glockengießergeschlecht in Rottweil. Es waren also seit 1571 schon 2 Glocken vorhanden; aller Wahrscheinlichkeit nach war der erste Kirchturm nur ein Dachreiter wie in Ratshausen. Der zwei-te nachweisbare Kirchturm wurde aus Steinen 1595/96 gebaut und war 22 Meter hoch. Bei der Kontrolle der kirchlichen Gebäude durch eine Kommission aus Stuttgart wurde dies im Jahre 1912 festgestellt. Der heutige Kirchturm wurde 1841 neu aufgebaut, wobei die Kirche gleich um 10 Schuh = 2,86 Meter nach Südwesten verlängert wurde. Samt dem Kreuz ist er 27,50 Meter hoch. Die Gesamtkosten betrugen 3 200 Gulden, wobei aber zu beach-ten ist, daß die Erweiterung der Kirche sowie der Einbau der Orgel in diesem Betrag enthalten sind; auch die Uhr mit 2 Uhrtafeln ist darin inbegriffen. Von den Baukosten steuerte die Kirchenpflege Weilen den Betrag von 700 Gulden bei, der Staat Württemberg 180 Gulden, der katholische Kirchenrat in Stutt-gart 315 Gulden 57 Kreuzer, und den Rest bezahlte die bürgerliche Gemeinde Weilen mit 2000 Gulden. An den Baukosten hätte sich die Stadt Schömberg, die Gefälle in Weilen 1822 vom badischen Staat erworben hatte (siehe Seite 51), beteiligen sollen. Sie weigerte sich aber, so daß es zu einem Prozeß zwischen Weilen und Schömberg kam. Dieser zog sich 3 Jahre lang hin. Die Kosten dieses Prozesses beliefen sich auf insgesamt 501 Gulden. In dritter Instanz wurde vor dem Oberlandesgericht in Stuttgart am 31. März 1840 zugunsten der Stadt Schömberg entschieden, da keine schriftlichen Unter-lagen über die Verpflichtung der Baulast vorhanden waren. Die Akten waren seinerzeit bei der Säkularisation vernichtet worden. Aber trotz dieser Nieder-lage erbaute die Gemeinde Weilen den Turm und vergab die Arbeiten im Akkord. Der Kirchturm wurde im Herbst 1963 neu verblendet; auch erhielt er 4 neue Uhrentafeln von der Firma Benedikt Schneider in Schonach, die 1929 die Kirchenuhr geliefert hatte. Das Langhaus des heutigen Gotteshauses stammt zum Teil aus dem Jahre 1751, als die Kirche abgebrochen und wiederaufgebaut wurde. Am 9. September 1762 wurde die neu aufgebaute Kirche von Weihbischof Fugger aus Konstanz (damals Sitz der Diözese) eingeweiht. Zugleich mit dieser Einweihungsfeier firmte Bischof Fugger in der neuen Kirche nicht nur die Weilener Firmlinge, sondern auch Schörzinger, Ratshausener und andere. Da eine Firmung schon seit längerer Zeit nicht mehr stattgefunden hatte,
Inneres des katholischen Gotteshauses von Weilen
Links: Barockkanzel und spätgotische Pieta. Die Figuren des Hochaltars sind kurz vor der Reformation geschaffen worden. Rechts: Josefsaltar, spätgoti-sches Sakramentshäuschen und Barockmadonna.
betrug die Zahl der Firmlinge allein in Weilen 87 Kinder und Jugendliche, die zum Teil über 20 Jahre alt waren. Interessant dürfte das Baugutachten des Landesbaukontrolleurs Groß von Stuttgart sein, das im Jahr 1812 über die kirchlichen Gebäude er-stellt worden ist. Es heißt darin: „Am 24. August 1812 weilte der Landesbau-kontrolleur Groß von Stuttgart und Herr Kammerverwalter Horlin aus Rotten-münster hier, um unter anderem auch die kirchlichen Gebäude zu prüfen auf ihren baulichen Zustand.“ Es heißt weiter: „Heuer kommt zu bauen vor der Kirchturm, welcher 1595 von lauter Steinen, die Eck von lauter verschränkten großen Quadern, das Übrige von rauen Mauersteinen 75 Fuß hoch (1 Fuß = 0,286 Meter) und 16 Fuß in allweg und in drei Stockwerken mit Schlaudern versehen bebaut. Dieser Turm hat sich seit etlichen Jahren auf einer Seite so versetzt, daß er schon um einen ganzen Schuh übersteht, wovon der Grund darinnen liegen mag, daß vor ungefähr 60 Jahren die Kirchen wieder neu gebaut wurden, der eine Giebel an den Turm auf jeder Seite 7 Schuh vor-stehend angebaut wurde, woraus es sich dann weiter ergibt, daß der Turm auf derjenigen Seite, wo er sinkt, das ganze Giebeleck, wie ein großes Stück Mauer von der Länge der Seitenwand der Kirche heraustreibt. Von der Kirche ist oben schon wenigstens 4 Zoll hinweggerissen. An diesem Turm, an wel-chem noch die Seitenwand ausgewittert ist, wurde seit unfürdenklichen Jahren nichts mehr gemacht. Die Reparation desselben wird auf einen Lokal -Augenschein des Landesbaukontrolleurs ausgesetzt. Kostenvoranschlag 800 Gulden. Das Kirchendach ist sehr notwendig umzudecken. Die Kirche samt Chor ist 80 Fuß lang (22,88 m) und 30 Fuß breit (8,58m) und enthält samt der Sakristei 10 575 Ziegel. Diese umzudecken First, Grät und Ortgänge gut ein-binden, Material – Latten, Nägel und etwa 2 000 neue Ziegel sowie 11 000 neue Schindeln, Mörtel – Kostenvoranschlag von mindestens 63 Gulden und 49 Kreuzer. Hohlziegel, Nägel und Latten dazu mit etwa 16 Gulden und 50 Kreuzer. Das Schiff der Kirche ist, 60 Fuß lang und 30 Fuß breit. Die ganze Kirche ist ringsum auf dem Boden 3 bis 4 Fuß hoch zu bestechen und das vie-le Gebüsch, welches an der Kirche steht, ist wegzuschaffen. Kosten dieser Arbeiten etwa 5 bis 6 Gulden. An dem Vorhäuschen, welches außen an dem Turm angebracht ist, ist das Dach auszubessern sowie die Nebenwandungen. Da der Eingang in die Kirche durch den Turm geht, so wurden die zwei Bogen durch das Setzen des Turmes ganz locker, so daß dieselben wieder ver-spannt, ausgebessert und bestochen werden müssen. Ebenso sind die ande-ren zwei Türgestelle, welche ebenfalls durch das Setzen der schlechten Fundamente gewichen sind, wieder frisch zu setzen, Voranschlag 20 Gulden. Nebenbemerkung: Durch eine richtige Reparatur oder Umbau de Turmes würde da Vorhäuschen entbehrlich und könnt entfern werden. Auch innen in der Kirche sit der Bestrich an den Mauern wegen Feuchtigkeit ganz hinwegge-fallen. Ebenso sind die Risse in der Gisdecke auszubessern. Kostenvoranschlag 12 Gulden. Die ganze Kirche ist unter Dach auf der Bühne nicht belegt, so daß ohne Gefahr nicht ein Ziegel gestoßen werden kann, woher es auch kommt, daß der Schnee überall eindringt und die Gisdecke großen Schaden leidet. Es wären deswegen neue gefalzte Bretter auf die Bühne zu bringen und alles zu belegen. Kosten 56 Gulden und 8 Kreuzer. Auf dem Chor ist dasselbe zu machen. Kosten 13 Gulden und 12 Kreuzer.“ Im Jahre 1900 wurde der jetzige Chor an die Kirche angebaut, da die Kirche zu klein war. Der Beschluss zum Choranbau wurde bereits im Jahre 1899 gefasst. Die erste Fuhre Tuffstein aus dem Bäratal brachte der Restau-rationswirt Martin Weinmann von Deilingen. Im ganzen wurden zwischen 55 und 60 cbm Tuffstein aus dem Bäratal zugeführt, alles mit Pferdegespannen. Am 18. April 1900 wurde dann mit den Bauarbeiten begonnen; die Gottes-dienste wurden im Schulsaal abgehalten. Unternehmer der Maurerarbeiten war Karl Kiener aus Schömberg. Die Gipserarbeiten wurden von den Brüdern Bernhard und Martin Koch ausgeführt. Außer dem neuen Chor wurde der ganze Plafond des Kirchenschiffes und die Wände mit einem neuen Putz versehen. Als dritter Gipser war noch Johann Koch von Schörzingen tätig. Alle Gipser waren von Schörzingen. Am 31. Mai und 1. Juni 1900 wurde der Anbau des Chors aufgerichtet. Der Richtschmaus fand im Gasthaus Waldhorn statt; die Bauhandwerker erhielten 57 Liter Bier, Schweinebraten, Salat und Kraut
Das älteste Kunstdenkmal in der Kirche ist das spätgotische Sakraments- häuschen; es diente in der alten Kirche als Tabernakel.
sowie je 4 Zigarren. Bei der Konstruktion der Zimmerarbeiten am Dachaufbau war den Zimmerleuten ein Fehler unterlaufen; daher musste ein Absatz zwi-schen Schiff und Chor in die Dachfläche gemacht werden. Dieser Fehler wur-de bei der Renovation des Daches im Frühjahr 1968 behoben, so daß das Dach jetzt gleichmäßig fortläuft. Am 17. Oktober 1900 wurde die erweiterte Kirche von Dekan Bauer aus Roßwangen unter Teilnahme von 8 auswärtigen Geistlichen eingeweiht. Im Jahre 1923 wurde die Kirche frisch gestrichen und der jetzige Hochaltar aufgebaut. (siehe Seite 126). Bei den Bauarbeiten des Choranbaus im Jahre 1900 stieß man auf das Grab eines verstorbenen Geistlichen, welches sich im Gang vor dem früheren Hochaltar befand, an der Stelle, wo heute die Bänke nach vorne aufhören. Dort lag eine Sandsteinplatte, auf der Kreuz, Stola und Kelch ein-gehauen waren. Der Eichensarg und die Gebeine waren noch gut erhalten. Es wurde alles wieder an der gleichen Stelle der Erde übergeben, und das Grab wurden durch den damaligen Pfarrer Bullinger eingesegnet. Es erhob sich die Frage, wer der Geistliche überhaupt war; erst in den Akten der Pfarrei wurde festgestellt, daß es sich um den in Weilen geborenen und auch gestorbenen Kaplan Joachim Koch handelt. Er ist 1713 hier als Sohn von Joachim Koch, Bauer und Kreuzwirt, und dessen Ehefrau Magdalena geborene Bernhard zur Welt gekommen. Der Großvater des Kaplans Joachim Koch war Vogt Johann Georg Koch (Kleinjörg), der auch zur Kaplanei Weilen gestiftet hatte. Kaplan Joachim Koch wirkte 7 Jahrelang als Priester in seiner Heimatgemeinde, von 1745 bis 1752, als er an einer Blinddarmentzündung mit erst 39 Jahren starb. In den Jahren 1952/53 erfolgte eine Renovation der Kirche von Grund auf. An der rechten Seitenwand wurde ein großes Stück herausge-rissen und neu aufgemauert; dann wurde die decke mit Stuckwerk versehen und die ganze Kirche neu gestrichen. Die Gesamtleitung hatte Restaurator Andreas Knupfer von Jungnau bei Sigmaringen. Er hat auch den Altar und die Kanzel neu gefasst und zum Teil vergoldet. Der Männeraltar im Barockstil wurde an die Gemeinde Imnau verkauft. Dort wurde er als Hochaltar aufge-stellt, rechts und links mit 2 großen, überlebensgroßen Heiligenfiguren verse-hen. Im Jahre 1960 wurden in der Pfarrkirche sämtliche Bänke herausgerissen, und auch die Bodenlager und Bodenbretter wurden durch neue ersetzt. Die Bänke sind jetzt gegenüber früher viel bequemer zu den Knien. Im Anschluss wurde dann noch eine elektrische Heizung für die ganze Kirche und Sakristei eingebaut. Diese Baumaßnahmen von 1952 bis 1961 sind unter Pfarrer Anton Denninger durchgeführt worden, der auch selber finanziell sehr viel dazu beigesteuert hat. Am 11. August 1961 schlug abends um 22 Uhr der Blitz bei einem schweren Gewitter in den Kirchturm ein und warf mehr als das halbe Dach herab; auch der westliche Gratsparren wurde zerfetzt und herabge-worfen. Es wurden sofort ein neuer Dachstuhl und neue Ziegel angebracht sowie ein Blitzableiter an Turm und Kirche eingebaut. Im Herbst 1967 und Frühjahr 1968 wurde ein neues Dach auf Kirche und Sakristei gemacht sowie ein neuer Verputz angebracht. Im Herbst 1967 wurde die ganze Kirche ent-wässert, indem rings um die Außenmauern ein tiefer Graben ausgehoben, Drainageröhren an den Fundamenten entlang gelegt und darauf Wandkies aufgefüllt wurden. In der Sakristei wurde dann noch die Wasserleitung eingebaut. Zur Zeit (1968) ist die Kirche bereits wieder zu klein geworden, aber eine Erweiterung kommt vorerst nicht in Frage. Die Innenraummaße sind wie folgt: Das Schiff 19,50 m lang, 7 m breit und 5,50 m hoch. Die Akustik ist nicht gut, da die Kirche zu niedrig ist. Der Ausbau und die Aus-stattung der Pfarrkirche ist sehr gut. Die Pfarrgemeinde Weilen hat für die bereits aufgeführten Baumaßnahmen (Innen- und Außenar-beiten) seit 1950 bis heute annähernd 100 000 DM gespendet. Die Kirche steht unter Denk-malschutz, und es darf ohne Einverständnis dieser Institution nichts verän-dert oder gebaut werden. An Beiträgen haben wir aber noch keine 3 000 DM erhalten.
Die katholische Pfarrkirche von Weilen unter den Rinnen vor der Renovation
5.4 Die Figuren des Hochaltars und der Nebenaltäre
Bis zum Jahr 1874 war ein Barockaltar in der Weilener Kirche als Hochaltar aufgestellt Das Mittelstück dieses sehr schönen und wertvollen Altars mit dem Tabernakel stand noch nach dem Ersten Weltkrieg auf die Kirchenbühne; er wurde von Pfarrer Bertler zusammen mit einer gleichfalls wertvollen Figur des Erzengels Michael mit Waage an einen Kunsthändler verkauft. Als Nachfolger des alten Barockaltars wurde ein neuer, aber wert- loser Hochaltar in Schreinergotik aufgestellt; er wurde 1875 von der Sigmarin-ger Firma Marmon für 1 370 Mark hergestellt. Dieser Altar wurde im Jahre 1923 durch den jetzigen Hochaltar ersetzt. Weilen kann sich rühmen, den schönsten und wertvollsten Altar der näheren und weiteren Umgebung zu besitzen. Dieser Flügelaltar, dessen Flügel von Kunstmaler August Blepp von hier mit wertvollen Bildern des Kirchenpatrons Nikolaus und auf der Rückseite des leidenden Christus und der Schmerzensmutter bemalt wurden, wird von den Weilenern viel zu wenig geschätzt. Die beiden Figuren des heiligen Johannes des Täufers und des heiligen Nikolaus standen schon im früheren Hochaltar. Die anderen Figuren St. Katharina, St. Ottilie und die Himmels-königin mit dem Jesuskind auf dem Arm sowie die beiden Brustbilder von St. Margaret und St. Anna standen bis 1923 in der Kapelle ganz verlassen und verstaubt. Es ist n der Hautsache dem Kunstmaler Blepp zu verdanken sowie dem damaligen Pfarrer Stehle und dem Kunstsachverständigen der Diözese Rottenburg, Pfarrer Pfeffer von Lautlingen, daß diese Figuren in dem Altar-schrein zusammengefasst wurden. Die Figuren hatten durch den Holzwurm sehr gelitten, wurden aber durch den Restaurator Andreas Knupfer in Jungnau behandelt und restauriert. Die Hochaltarfiguren werden durch eine doppelte Sicherheitsanlage vor Diebstahl gesichert, obwohl die Figuren nicht gut zu verkaufen sind, schon wegen ihrer Größe. Den Künstler dieser Figuren kennt man namentlich nicht. Er wird Meister von Weilen genannt, da Weilen die meisten Werke von dieses Meisters besitzt. Es gibt noch mehrere Werke von diesem unbekannten Künstler, u. a. auch den herrlichen Altar, welcher im Freiburger Münster steht. Auch in der Lorenzkapelle zu Rottweil sowie in einigen anderen Kirchen der weiteren Umgebung sind Figuren von ihm aufgestellt. Pfarrer Denninger hat alle Werke des Meisters zusammengetra-gen, photographiert und in einem Buch beschrieben. Der frühere Marienaltar wurde 1883 von Bertsch, Dormettingen, durch einen wertlosen neuen Altar mit Spitztürmen ersetzt. In der Oberamts-schreibung von 1876 heißt es, daß der Vorgänger, auch im Barockstil, am
6. Oktober 1682 eingeweiht wurde. Dieses Datum steht heute noch auf der Marmortafel im Altarstein. Der von hier stammende Bildhauer Koch in Furt-wangen stiftete eine Statue der seligen Jungfrau für den Marienaltar. Heute ist dort eine alte Pieta (Statue der schmerzhaften Gottesmutter) aufgestellt; diese stammt aus den Jahren zwischen 1400 und 1450. Der Josefsaltar auf der Männerseite im Barockstil wurde am 9. Mai 1901 aufgestellt. Er wurde von Bildhauer Burry aus Rottweil gefertigt und kostete 550 Mark. Wie bereits auf der Seite 124 berichtet, wurde dieser Altar bei der Kirchenrenovation Anno 1952 an die Pfarrei Imnau (Kreis Sigmaringen) verkauft. Der heutige Nebenaltar, der den Tod des heiligen Josef darstellt, ist ein Geschenk von Pfarrer Denninger (1952).
Die 500 Jahre alte Pieta
Die Kirchenpflege Weilen kaufte 1831 von Erlaheim für 85 Gulden die alte Orgel und ließ diese hier von Orgelbauer Braun aus Spaichingen einbauen. Sie hat noch gute Dienste geleistet, bis eine neue Orgel im Jahre 1914 für 3 400 Mark von der Firma Gebr. Stehle in Bittelbronn/Hohenzollern gekauft wurde. Diese wurde 1953 nach der Kirchenrenovation überholt, und jetzt bläst ein Elektromotor durch den Blasebalg die nötigen Luftmassen ein. Die Orgel hat 9 klingende Register, 5 Kopplungen und 2 Manuale.
5.5 Die beiden alten und die beiden neuen Glocken
Die Kirchenglocken rufen die Kirchengemeinde zu den Gottesdiens-ten und zum Gebet. Sie begleiten uns mit ihren ehernen Klängen durch das Leben. Schon gleich nach unserer Geburt rufen sie uns zur Taufe in das Gotteshaus, und traurig klingt ihr Klang, wenn man unsere sterblichen Über-reste zum Friedhof bringt, um sie dort der Erde zu übergeben. Wie freudig klingt ihr Rufen, wenn sie an Festtagen zum Gottesdienst läuten oder gar wenn ihr Klang zur ersten heiligen Kommunion oder zur Trauung erschallt. Die Glockengießer treffen vor dem Guß ihre Vorbereitungen mit aller Sorgfalt; der eigentliche Guß ist ein feierlicher Akt. Vor der Benützung und dem Hochziehen der Glocken auf den Kirchturm werden die Glocken vom Bischof oder Dekan feierlich geweiht. Seit Juli 1963 hat die Kirchengemeinde Weilen 4 Glocken. Zuerst soll über die beiden alten Glocken berichtet werden und über ihre zum Teil be-wegte Vergangenheit, die sich schon durch ihr hohes Alter zwangsläufig ergibt. Die beiden alten Glocken hängen nach sicheren schriftlichen Unter-lagen in Weilen bereits auf dem dritten Kirchturm. Der erste Turm wurde 1595/96 abgebrochen und durch einen neuen aus Steinen mit Eckquadern ersetzt; der jetzige Turm wurde 1841 neu gebaut. Die älteste kleine Glocke wurde um das Jahr 1400 in Rottweil von dem Glockengießergeschlecht Klain gegossen. Der Ton dieser Glocke ist Es. Der untere Durchmesser beträgt 71 cm; das Gewicht etwa 270 bis 300 kg. Die Aufschrift in Minuskelschrift lautet: „o rex glorie Christi veni cum pace – hans klain un oswalt sant lugs, sant marx, sant mathes, sant johanes“. Auf deutsch: „ O König der Herrlichkeit, Christus, komm mit Frieden“, und dann werden die Gießer sowie die 4 Evangelisten genannt. Die größere zweite Glocke hat ein Gewicht von etwa 450 kg. Der Ton ist B, und die Aufschrift lautet: „sant lugs, sant marx, sant mathes, sant johanes 1571 – oswalt klain.“ Von diesen beiden alten Glocken sollte schon im Ersten Weltkrieg eine abgeliefert werden. Infolge des hohen Alters und einer Eingabe mit Zeichnung an das Amt für Denkmalpflege durften wir die Glocken behalten. Im Zweiten Weltkrieg aber musste trotz verschiedener Eingaben an das Landratsamt Balingen, an die Kreisleitung und an das Amt für Denkmal-pflege die größere Glocke abgeliefert werden. Jeder Ort durfte nur eine Glocke behalten. Am 20. März 1942 wurde die Glocke mit einem Lastwagen abgeholt. Vor der Abnahme waren nochmals beide Glocken etwa 20 Minuten lang
Oben: Die über 500 Jahre alte Glocke auf dem Turm
Unten: Wiederinstandsetzung des Kirchturms nach dem Blitzschlag am 11.August 1960
zusammen geläutet worden. Viele, besonders ältere Einwohner, haben ge-weint, weil ihnen der Abschied von der liebvertrauten alten Glocke schwerfiel. Zum Glück für die Gemeinde und die Pfarrei Weilen traf aber von Stuttgart im Herbst 1947 die Nachricht ein, daß unsere abgelieferte Glocke noch auf dem Lagerplatz in Lünnen bei Hamburg mit einigen hundert anderen Glocken liege. Die nötigen Schritte für die Freigabe wurden dann über das bischöfliche Ordinariat in Rottenburg eingeleitet. AM 9. Februar 1948 brachte Stadtpfarrer Lackner von Schömberg unsere Glocke, welche er zusammen mit einer ande- ren zurückgegebenen Glocke in Balingen abgeholt hatte, mit einem Lastwagen zurück. Als Pfarre Lackner mit dem Lastwagen oben am Withau war, hielt er an und hieß einige Buben die Glocke auf dem Turm zu läuten. Als die kleine Glocke vom Turm ihre zurückkehrende Schwester um 5 Uhr abends begrüßte, erschraken viele Leute. Am Sonntag darauf wurde dann die Glocke in feierli-cher Weise in Anwesenheit der ganzen Gemeinde und einiger auswärtiger Personen geweiht. Der Kirchenchor sang ein für diese Feier extra komponier-tes Lied. Nach kurzer Ansprache des Ortsgeistlichen fand in der Kirche noch ein Dankgottesdienst statt. Tags darauf wurde die zurückgekehrte Glocke wieder auf den Kirchturm hochgezogen und neben ihre Schwester aufge-hängt. Nach der Montage läuteten beide Glocken längere Zeit zusammen. Im verlauf der folgenden Jahre hatten fast alle umliegenden Gemein-den neue Glocken beschafft. Im Frühjahr 1963 wurde von Stadtpfarrer Kopp von Schömberg, welcher zugleich Pfarrer von Weilen war, in einer Gemeinde-versammlung beschlossen, 2 weitere neue Glocken zu beschaffen. Diese wurden bei der Glockengießerei Bachert in Heilbronn bestellt und am 30 Mai 1963 gegossen. Beim Glockenguss waren über 30 Personen von Weilen dabei, unter Führung von Stadtpfarrer Kopp, der jetzt Dekan in Schwäbisch Hall ist. Am 13. Juli wurden die neuen Glocken in der Glockengießerei mit 2 Lastwagen von Eugen Seifriz und Matthäus Eckenweber abgeholt und auf dem Kirchplatz vor der Kirche auf einem bereits zuvor erstellten, Gerüst aufgehängt und bekränzt. Am Sonntag, dem 21. Juli, wurden die beiden neuen Glocken von Dekan Betting von Balingen feierlich geweiht. Außer dem Dekan wirkten mit Stadtpfarrer Kopp von Schömberg, Pfarrer i. R. Anton Denninger von Rottweil und Pfarrer Hermann von Schörzingen. Zur Glockenweihe kamen sehr viele Fremde; die Kirche hätte die vielen Besucher nicht fassen können. Neben dem Kirchenchor wirkte auch die Musikkapelle mit. In der folgenden Woche wurden dann die beiden neuen Glocken in einem neuen Glockenstuhl von der Firma Bachert zusammen mit den beiden alten Glocken aufgehängt; die Firma Hortz in Ulm baute ein neues Schlagwerk ein. Die größere der neuen Glocken hat ein Gewicht von 692 kg und ist der heiligen Familie geweiht. Der Ton ist G. Das Bild der heiligen Familie schmückt diese Glocke; die Aufschrift lautet: „Auf Euch wir bauen und fest vertrauen = Jesus Maria Josef.“ Die kleinere Glocke ist von der Familie Matthäus Eckenweber gestiftet worden. Sie zeigt das Bild des heiligen Michael mit Waage und Schwert. Die Aufschrift lautet: „Ihr Engel und Diener des Herrn, schützt uns im Leben und Sterben.“ Auf der Rückseite: „Gestiftet aus Dankbarkeit v. Fam. Eckenweber.“ Diese Glocke ist auf den Ton C abgestimmt. Ihr Gewicht beträgt 232 kg. Das schöne Geläut wurde schon 2 mal vom Südwestfunk aufgenommen und bei Sendungen aus-gestrahlt. Die Harmonie des Gesamtgeläuts ist sehr gut gelungen.
Glockenweihe am 21. Juli 1963 durch Dekan Betting von Balingen
5.5 Gefallenenkapelle und Kreuz auf dem Friedhof
Bis zum Jahre 1812 wurden die verstorbenen der Gemeinde Weilen auf dem Friedhof in Schömberg beerdigt. Auch die Geburten, Eheschliessun-gen und Sterbefälle wurden nicht von den Kaplänen, sondern vom Stadt-pfarrer bis zum Jahre 1784 aufgeschrieben. Da aber der Friedhof in Schöm-berg damals schon zu klein war, weil außer den Toten von Weilen auch noch diejenigen von Ratshausen und Dautmergen dort beerdigt wurden, hatte der Weilener Gemeinderat schon 1808 und früher beschlossen, einen eigenen Friedhof anzulegen. Weilen wies 1812 bereits 305 Einwohner aus. Die Gemeinde hatte dem Oberamt Spaichingen berichtet, daß sie Plätze für einen Friedhof bereits vorgesehen habe. So kam im 1809 Ober-amtsarzt Dr. Braun von Spaichingen nach Weilen, um diese vorgeschlagenen Plätze zu besichtigen: 1. den Mesnergarten bei der Kirche, der aber als viel zu klein bezeichnet wurde; 2. den Platz um die Kirche = Pfarrgarten, der auch als nicht geeignet angesehen wurde, weil nach den neuen Bestimmungen die Friedhöfe möglichst außerhalb der Ortschaften angelegt werden sollten; 3. den jetzigen Platz des Friedhofes, der dann vom Oberamt als günstigbe-zeichnet und genehmigt wurde. Dieser Platz war aber damals nicht so groß, wie er heute ist, denn das obere Drittel wurde erst 1857 dazugekauft. Am 11. April 1813 wurde die erste Leiche – ein Kind von 3 Jahren und 10 Monaten (Michael Witz) – beerdigt. Im selben Jahre 1813 wurden noch weitere 11 Personen, darunter 4 Kinder, auf diesem neuen Friedhof zur letzten Ruhe bestattet. Als sich der Friedhof bereits 1857 als zu klein erwies, kam es zu einer Verlängerung um einige Meter dem Ort zu. Doch das Oberamt reklamierte, weil durch die Verlängerung des Friedhofes nur noch 30 Schritte Entfernung wären zu den nächsten Häusern. Darauf erwiderte ein Gemeinderat dem Oberamtmann und dem Oberamtsarzt: „Die Toten fügen den Lebenden kein Leid mehr zu, und sie brauchen nicht mehr gefürchtet werden, daher ist diese Beanstandung auch Grundlos.“ Auf der westlichen Seite des Friedhofes stand eine hohe Pappel. Diese musste wegen ihrer dürren Äste anfangs dieses Jahrhunderts gehauen werden. Die älteren Leute werden sich noch gut an diese Baum erinnern können. Die Toten wurden in verschiedenen Lagen bestattet. Vor dem Ersten Weltkrieg befand sich der Kinderfriedhof im nördlichen Rondell, an dem Platz, wo heute die Kriegergedächtniskapelle steht. Auch gab es eine Reihe Gräber Erwachsener unterhalb des Eingangsweges. Im Jahre 1924 begann man mit einer Grablage, die sich nicht bewährte und den Einwohnern nicht zusagte. 1938 kehrte man zu der früheren Grablage zurück. Der Kinderfriedhof befindet sich jetzt im südlichen Teil des Friedhofes. Im Jahre 1964 wurde auch eine Wasserleitung angelegt, damit die Gräber besser gepflegt werden können. Zum Gießen der Blumen ist dies im Sommer geschickt. Das Kruzifix, auf dem Friedhof, welches 1812 neu beschafft wurde, nachdem es in Verlaufe der Jahrzehnte verfallen war, wurde 1857 durch ein neues Feldkreuz mit einem Christuskörper ersetzt, der von dem Bildhauer Mauthe aus Obernheim gefertigt wurde. Früher standen am Eingang zwei Holzpfosten. Diese mussten min-destens alle 10 Jahre durch neue ersetzt werden, da sie die schweren eiser-nen Tore wegen Abfaulens nicht mehr halten konnten. Im Jahre 1946 hat das Sägewerk Beda Koch 2 Betonpfeiler gestiftet und einbetoniert, die Genera-tionen aushalten werden. Im Jahre 1965/66 wurde der Friedhof in den Haupt-wegen mit einer Makadamdecke versehen; die Nebenwege wurden mit Kies belegt. Der schönste Schmuck des Friedhofes ist die Kriegergedächtnis- kapelle. Diese wurde 1957-1959 gebaut. Die Pieta wurde von dem Bildhauer Gebhard in Isny geschaffen und von dem Restaurator Andreas Knupfer in Jungnau gefasst. Auf 4 großen Tafeln sind die Namen der in den Kriegen von 1812 bis 1945 Gefallenen und Vermissten aus Weilen aufgeschrieben. Als Leitspruch am Fuße der Pieta und des Altares hat Pfarrer Denninger den Leitspruch anbringen lassen: „Der Liebe und dem Schmerz geweiht.“ Am Gefallenensonntag 1959 wurde die Kapelle von Pfarrer Denninger unter Mitwirkung des Kirchenchores und der Musikkapelle feierlich eingeweiht.
Das über 100 Jahre alte Kreuz auf dem Friedhof
Die altehrwürdige Ottilienkapelle vor der Renovierung
- Bild Ottilienkapelle nach der Renovierung -
5.7 Ottilienkapelle – Kirche eines ehemaligen Ortes
Das älteste Gebäude auf der Markung Weilen dürfte die Ottilien-kapelle sein, früher auch Marienkapelle genannt. Sie liegt auf einem alten Grabhügel (siehe Seite 20) an der Straße nach Ratshausen und fügt sich vortrefflich in die Landschaft ein. Südöstlich der Kapelle befinden sich am und im Wald zwischen Lachen und Rohr noch 4 weitere Grabhügel. Sie sind in der Eisenzeit (etwa 800 vor Christus) über heidnischen Urnengräbern errichtet worden. 4 Kastanienbäume vor der Kapelle geben im Sommer angenehmen Schatten. Nach Norden bietet ein etwa 2 Meter vorstehendes Satteldach bei Regen und Sonne Schutz. In der Nähe der Kapelle wurden auch mittelalterliche Siedlungsreste gefunden. Abgegangene Orte nennt man Wüstungen. So ist die Ottilienkapelle der letzte Überrest der Wüstung Lachen. Im Jahre 785 stiftete ein Anselm aus dem (heute ebenfalls verschwundenen Ort) Holzheim einen Wald namens „Laha“ dem Kloster Sankt Gallen. Da Ein Wald nur dann namentlich genannt wird, wenn er zur Besiedlung vorgesehen war, muß auf der heutigen Flur Lachen eine Siedlung gestanden haben. Sie lag an der alten Straße, die von Dotternhausen herkommend am Palmbühl vorbeiführte, über Holzheim durch den Wald Honau zur Kapelle verlief und über Eck und Heidenschlößle nach Deilingen und Wehingen ging. Die Lachensiedlung dürfte schon vor dem Jahre 1200 wieder abgegangen sein, als das Dorf Weilen angelegt wurde. Ein eisernes Gitter gewährt Einblick in das Innere der Kapelle. Der Altar ist mit der Lourdesgottesmutter, von Tuffstein umhüllt, geschmückt; Die Statuen wurden von dem aus Weilen stammenden Professor Johannes Koch geschnitzt. Auf dem Altarflügel ist rechts die heilige Afra auf dem Scheiter-haufen dargestellt; im Hintergrund die Stadt Augsburg. Das linke Bild zeigt die heilige Ottilie in der heiteren Landschaft des Elsasses. Diese beiden Bilder in Spannrahmen wurden von dem hie-sigen Kunstmaler Paul Koch nach dem Zweiten Weltkrieg geschaffen., als er die Kapelle ausgemalt hatte. Wie die Kirche steht die Ottilienkapelle unter Denkmalschutz. Herren vom Denkmalschutzamt waren 2mal wegen der Kapelle und 3mal wegen der Kirche da. Obwohl die Kapelle auf einem Hügel steht, war der Untergrund nass. Probelöcher zeigten, daß sich sofort Wasser darin an-sammelt. In den Jahren 1968/1969 wurde die Ottilienkapelle gründlich renoviert.
Oben: Der heutige Altar der Ottilienkapelle mit den Flügelbildern des einheimischen Malers Paul Koch und der Madonnenstatue des aus Weilen stammenden Professors Johannes Koch. Unten: Renovierte Kapelle.
In früherer Zeit war die Weilener Kapelle Wallfahrtskapelle; sie hatte einen regen Besuch und Zulauf, nicht nur von Weilen selbst, sondern noch mehr aus den umliegenden Orten; es kamen Leute sogar vom Schwarzwald und vom Unterland. Sie holten sich Wasser gegen Augenkrankheiten aus dem unter der Kapelle gelegenen Ottilienbrünn lein. Die heilige Ottilia war eine blind geborene Grafentochter, die bei der Taufe sehend wurde. Der Odilienberg im Elsass mit seinem Odilienbrünnlein ist den Elsässern seither heiliges Land. Da aber heute die Ottilienstatue sich nicht mehr in der Kapelle befindet, sondern in der Kir-che, ist der Zulauf zum Ottilienbrünnlein nicht mehr so groß wie früher. In der Deilinger Pfarrchronik, welche 1817 bei dem Brand des Pfarr-hauses mitverbrannt ist, stand geschrieben, daß die Kapelle ursprünglich der Muttergottes geweiht war und im Mittelalter immer gut besucht wurde. Viele Pfarreien aus unserer Gegend machten früher bzw. vor der Re-formationszeit ihre Bittgänge bis nach Balingen. Nach der Reformationszeit war unsere Kapelle das Ziel solcher Prozessionen; oft kamen mehrere zur gleichen Zeit dort an. Die Geistlichen lasen in der Kapelle die heilige Messe, andere predigten im Freien, und die Volksscharen lagerten sich auf dem Rasen im Schatten der großen Linde. Dieses bezeugte Pfarrer Wittmer von Deilingen, der die Einträge in der alten Pfarrchronik vor ihrer Vernichtung gelesen hatte. Auf der südlichen Seite der Kapelle stand eine große Linde, die im Januar 1940 vom Sturm gefällt wurde. Das Alter dieses Riesenbaumes wurde 1920 von 3 Forst- und Oberforstmeistern auf mindestens 800 Jahre ge-schätzt. Der Stamm hatte einen Durchmesser von 1 Meter oberhalb des Erd-reiches von 2,30 Meter. Das Innere war so hohl, daß ein kleiner Tisch darin Platz gehabt hätte, an den sich 3 Männer hätten setzen können. Die unteren Äste begannen schon in einer Höhe von 3 Meter über dem Boden, und einige davon hatten eine Dicke von 70 bis 90 cm; ihre Länge betrug teilweise 12 - 15 Meter. Die unteren Astreihen hatten sich fast alle nach unten geneigt. So konnte man von einem unteren Ast dieser Linde über den Weg bis weit auf das gegenüberliegende Allmandgrundstück, südlich der Kapelle, hinabrut-schen, was wir Buben auch öfters gemacht haben. Das Blätterdach war so dicht, daß bei einem Gewitterregen sich auf dem Weg 2 Fuhrwerke hinter-einander aufhalten konnten, ohne nass zu werden. Nicht nur der Stamm, sondern auch die Äste waren hohl. Es nisteten ganze Scharen von Staren, Meisen usw. in diesen Ästen. Als im Juni 1908 einige Buben ein Wieselnest
Brand des großen Lindenbaumes bei der Ottilienkapelle im Jahre 1938
Die mächtige Linde vor der Ottilienkapelle kurz vor ihrem Brand
im Juni 1908 einige Buben ein Wieselnest mit Jungen in der Linde entdeckten, machten sie ein Feuer um die Wiesel auszuräuchern. Die Folge war, daß die ganze Linde innen zu brennen begann; aus den Astlöchern kam Feuer und Rauch heraus. Die Feuerwehr musste ausrücken; auf Pferde- und Ochsenge-spannen wurde in Güllefässern das Wasser aus dem Mittelbach geholt und mit einer großen Handpumpe in die Linde gepumpt. Nach mehrstündiger Arbeit gelang es endlich, den Brand zu löschen. Im Juli 1938 brach wieder ein Brand in der Linde aus. Ein Arbeiter, der sein Fahrrad unter der Linde aufgestellt hatte, warf eine brennende Zigarette weg. Diese brannte in einem Wurzelloch weiter und verursachte einen verheerenden Brand, der sogar die Kapelle bedrohte. Die Feuerwehr hatte wieder große Mühe, diesen Brand zu löschen. Es musste fast 24 Stunden Brandwache bei der Kapelle gehalten werden; immer wieder brach in einem anderen Ast das Feuer aus. Schon nach dem ersten Brand 1908 fing der Riesenbaum zu kränkeln an. Der zweite Brand traf ihn jetzt tödlich; dem Sturm im Januar 1940 war er nicht mehr gewach-sen; er brach zusammen. Im Frühjahr 1944 hat der Verfasser eine junge Linde an den alten Platz gesetzt, mit etwas größerem Abstand von der Kapelle. Die Kastanien-bäume sind 1904 von dem damaligen Kirchenpfleger Augustin Koch gepflanzt worden.
Von den im Jahre 1394 in Weilen aufgeführten Familien ist heute nur noch das Geschlecht der Seifriz hier wohnhaft. Diesen Namen trugen 1968 noch 11 Familien. Auch Anno 1516 ist ein Konrad Seifriz genannt, und zwar bei der Belehnung eines Ackers. Weiter ist in den Lehensbüchern von 1615 der Name Seifriz noch 2mal aufgeführt. Bei der Erneuerung der Gefälle und Verbindlichkeiten Anno 1582 war Hans Seifriz Vogt (Ortsvorsteher); desglei-chen nennt das Musterungsregister von 1615 diesen Vogt Hans Seifriz; er war damals 80 Jahre alt. Weiter ist Anno 1615 ein Junghans Seifriz aufgeführt als Richter (Gemeinderat). Alle Seifriz in Schörzingen und Schömberg stammen von Weilen. Das Geschlecht der Weinmann ist erstmals 1516 in Weilen genannt; Hans Weinmann wurde damals mit Gütern zu Weyler belehnt. Anno 1533 wurde er mit Wiesen zu Hermannshefte (Manngut) belehnt. 1615 erschienen im Musterungsregister 2 verschiedene Weinmann: Brosi Weinmann, 80 Jahre alt, und Hans Weinmann, 73 Jahre alt. Ob Brosi Weinmann und Hans Weinmann Brüder waren, kann nicht festgestellt werden. Ein Moritz Weinmann, der 1707 in Delkhofen geboren war heiratete 1736 nach Weilen, und zwar Anna Maria Seifriz, die Witwe des Felix Seifriz; von diesem Moritz Weinmann stammen die meisten Weinmann unserer Zeit ab. Das Geschlecht der Weinmann war 1968 mit 14 Familien hier vertreten. Bei der Erneuerung der Grafschaft Hohenberg Anno 1578 stehen im Lagerbuch von 1582 auch die Namen von Richtern (Gemeinderäten): Ambrosi Weinmann (bereits genannt), Jung Hansen Seifrids (gleichfalls schon genannt) und Konrad Witz. Dieser wird später nicht mehr aufgeführt. Im Musterungs-register von 1615 erscheint ein Konrad Witz; er war damals 35 Jahre alt und ist wahrscheinlich ein Sohn des Richters Konrad Witz von 1582. Außer diesen beiden Namensträgern Witz sind noch im Musterungsregister ein Hans Witz, 1575 geboren, und ein Jörg Witz, 1585 geboren, sowie der Mesner Hans Witz, 35 Jahre alt mit einem Barvermögen von 100 Gulden angegeben. Bei der Musterung von 1615 erscheinen 4 Namensträger der Witz aufgeführt.; somit waren sie damals das stärkste Geschlecht. Die Witz sind hier 1903 ausgestorben. Der Schreiber dieses Buches hat die letzte Namensträgerin Rosa Witz noch gekannt. Sie war 1845 als Tochter des Matthäus Witz, Weber, und seiner Ehefrau Agatha Sauter in Weilen geboren. Rosa Witz war das jüngste von 7 Kindern. Ein Xaver Witz, 1788 hier geboren, ist Anno 1812 in Russland gefallen. Unter den Steuerpflichtigen von 1394 sind auch 4 Träger des Geschlechtes Fry aufgezeichnet: Haintz der Fry, Bürkli Fry, Contz der Fry und Aelli Fryli. Anno 1615 ist im Musterungsregister nur noch ein Peter Früe (Frey) aufgezeichnet mit der Bemerkung „armer Taglöhner“. Also ist auch dieses Geschlecht hier ausgestorben. In der Urkunde von 1582 hat unter anderen Richtern auch ein Matheis Treer (Dreher) unterzeichnet. Dieser Name ist zwar in den späteren Jahrhunderten noch 5mal bei Familien aufgeführt, sie waren von Hausen am Tann oder von Ratshausen nach Weilen zugezogen und sind durch Auswanderung und Wegzug wieder verschwunden. Das Geschlecht der Suntheimer ist nach 1582 hier nicht mehr aufgeführt. Im Musterungsregister von 1615 ist unter anderen 13 Männern auch ein Hans Koch, 40 Jahre alt, Bauer, 1575 geboren, aufgeführt. Er hatte 1 000 Gulden Barvermögen, 4 geringe Pferde und trieb starken Feldbau. Das Geschlecht der Koch hat sich gut gehalten und ist heute, im Jahre 1968 mit 15 Familien vertreten. Das Geschlecht der Krachenfels taucht in Weilen im Musterungs-register des Jahres 1615 auf: „Peter Krachenfels, 50 Jahre alt, besitzt 700 Gulden Barvermögen, 4 Pferde, hat aber schlechtes Ackerfeld; als Waffe besitzt er eine Muskete und wird als Musketier eingeteilt.“ Das Geschlecht der Krachenfels ist in den letzten 70 Jahren stark zurückgegangen und existierte 1968 nur noch mit 2 Familien. Auch das Geschlecht der Riedlinger kommt im Musterungsregister von 1615 vor: „Hans Riedlinger, Bauer, 50 Jahre alt, Barvermögen von 1 000 Gulden, 5 Pferde.“ Er hatte einen Sohn – Hans Riedlinger, welcher noch minderjährig und ohne Waffen war. Der Name Riedlinger ist 1911 hier ausgestorben. Johann Riedlinger, der Schäfer-johann genannt, war der Letzte. Er hatte 4 Kinder, die aber alle auswärts heirateten, und zwar ein Sohn und eine Tochter nach Villingen, eine Tochter nach Zürich (Schweiz) und die jüngste Tochter Katharina nach Kolmar im Elsass. Das Geschlecht der Seng stammt von Schörzingen und ist dort noch heute vertreten; in Weilen konnte es sich fast 200 Jahre behaupten. Ein Matthäus Seng, 1729 in Schörzingen geboren, verheiratete sich 1750 mit Maria Seifriz von Weilen, und zwar das Haus Nr. 48 hinter dem Backhaus. 1919 starb hier die Letzte aus diesem Geschlecht – Frau Genoveva Seifriz geborene Seng, Ehefrau von Karl Ludwig Seifriz, Schneider hier. Das Geschlecht der Dieringer stammt aus dem Kreis Tuttlingen. Ein Josef Dieringer, von Beruf Salpeterer (Salpetersammler), der 1780 in Gunnin-gen geboren wurde, heiratete in Weilen 1812 Agatha Seifriz, Tochter des Wagners Josef Seifriz und seiner Frau Elisabeth geborene Seng, und in das Haus Nr. 41 an der Hauptstraße/Bohlgasse. Das Geschlecht der Dieringer ist bereits im 16. Jahrhundert in dieser Gegend aufgeführt, u. a. auch in Dürr-wangen. Die Salpetersieder waren beruflich vom Staat zur Pulvergewinnung angestellt. Sie mussten in den Ställen nach Salpeter graben. Jeder Gebäude- besitzer war verpflichtet, alle 3 Jahre in seinem Haus nach Salpeter suchen zu lassen. Das Geschlecht der Dieringer hat hier nur noch 2 männliche Namensträger, die schon 68 und 77 Jahre alt sind; daher ist anzunehmen, daß auch dieses Geschlecht in absehbarer Zeit aussterben wird. Das Geschlecht der Burry stammt von Frittlingen im Kreis Tuttlingen. Der Weber Johann Burry, geboren 1800 in Frittlingen, verheiratete sich 1829 nach Weilen mit Genoveva geborene Weinmann. Dieser Ehe entsprossen 8 Kinder. Das Geschlecht der Burry ist heute noch in 2 Familien hier vertreten. Das Geschlecht der Blepp begründete der 1667 in Ratshausen geborene Johann Blepp. Er heiratete 1691 in Weilen Maria Seifriz, Tochter des Jakob Seifriz und seiner Ehefrau Anna geborene Seiser. Das Geschlecht der Blepp hat sich hier bis heute gehalten. Aus diesem Geschlecht stammt der weithin bekannte und berühmte Kunstmaler August Blepp, welcher von seiner Heimatgemeinde Weilen zum Ehren-bürger ernannt wurde. August Blepp hat sich durch die Ausmalung vieler Kirchen bleibenden Ruhm erworben (siehe Seite 150). Die anderen Geschlechter hier in Weilen sind zum Teil erst im 19. und 20. Jahrhundert zugezogen; es würde zu weit führen, wenn ich diese alle einzeln aufzählen würde.
Die beiden heutigen Wirtschaften von Weilen unter den Rinnen: das Gasthaus zum Kreuz (oben) und das Gasthaus Waldhorn (unten).
6.2 Weilener Auswanderer in Ungarn und Amerika
Schon wiederholt ist in diesem Buch darauf hingewiesen worden, daß die heimatliche Scholle der kleinen Markung Weilen nicht alle Menschen ernähren konnte. Aus diesem Grunde waren viele gezwungen, ihren Lebens-unterhalt und ihre Existenzgrundlage außerhalb der Heimat zu suchen und in die Fremde zu ziehen. Die erste größere Auswanderung erfolgte nach Ungarn. Die Kaiserin Maria Theresia von Österreich, damals auch unsere Landes-mutter, besiedelte ihre östlichen Gebiete, wie Banat und Teile von Niederösterreich und Ungarn, mit Untertanen aus unserem Gebieten. Die erste größere Auswanderung erfolgte nach Ungarn von etwa 1730 bis fast um 1800. Die Orte in Ungarn und in Niederösterreich, wohin die meisten Weilener Auswanderer gingen, waren Weißenkirchen, Fünfkirchen, Apathin und Taber- wasen. Etwa 60 Personen sind nach Ungarn ausgewandert:
Matthias Riedlinger, geboren 1687, verheiratet 1715 mit Ursula Weinmann von Weilen. Beide sind mit ihren 8 Kindern nach Ungarn ausgewandert. Basilius Krachenfels, geboren 1709, verheiratet 1735 mit Maria Staiger aus Ratshausen. Beide sind mit ihren 4 Kindern um 1745 nach Ungarn ausgewandert. Christian Seifriz, geboren 1708, verheiratet 1737 mit Rosina Klenk von Deilingen. Dieser Familie sind 12 Kinder geboren worden, von denen eines nachweisbar wieder gestorben ist. Auch diese Familie ist nach Ungarn im Jahre 1760 ausgewandert. Adam Weinmann, geboren 1709, verheiratet 1737 mit Salome Kuolt von Bubsheim. Diesen beiden Eheleuten wurden in Weilen 2 Kinder geboren, mit denen sie nach Ungarn ausgewandert sind. Wilhelm Seifriz, geboren 1718, verheiratet 1749 mit Theresia Alber von Gosheim, welche hier in Weilen 1760 gestorben ist. Witwer Wilhelm Seifriz ging mit seine 5 Kindern nach Ungarn. Josef Weinmann, geboren 1747, verheiratet 1781 mit Kunigunde Leipold aus Schörzingen. Diese Familie ist mit ihren beiden hier geborenen Kindern ebenfalls nach Ungarn ausgewandert. Anton Koch von Nordstetten, verheiratet mit Elisabeth ….. aus Weilen, 1779 nach Taberwasen in Ungarn ausgewandert. Kaspar Krachenfels, geboren 1733, ledig, ist mit einem Trans- port nach Ungarn ausgewandert. Theresia Riedlinger, geboren 1707, verheiratet 1733 mit Heinrich Scheerer aus Dormettingen, nach der Hochzeit nach Ungarn. Anastasia Seifriz, geboren 1798 in Weilen, verheiratete sich 1733 mit dem Witwer Lorenz Landhold aus Gosheim und wanderte mit ihm nach Ungarn aus. Franziska Seifriz, geboren 1718, verheiratet mit Lorenz Alber aus Gosheim, ging mit ihm nach Apathin in Ungarn. Sofie Seifriz, geboren 1726, verheiratet 1755 mit Josef Schuler von Gosheim, zog nach der Hochzeit mit demselben nach Ungarn. (Die 4 zuletzt genannten Personen: Anastasia, Leo, Franziska und Sofie Seifriz waren leibliche Geschwister.) Andreas Seifriz, geboren 1753, ging nach Ungarn. Ursula Weinmann, ledig, geboren 1695, ging ebenfalls nach Ungarn. Johannes Weinmann, geboren 1722, ledig, ging nach Ungarn. Anna Weinmann, geboren 1735, ledig, ging nach Ungarn. Bernhard Witz, geboren 1800, ledig, ging nach Ungarn. Josef Witz, geboren 1803, ledig, ging nach Ungarn.
Die zweite Auswanderung führte nach Amerika, in der Hauptsache nach den vereinigten Staaten. Besonders stark war die Auswanderung in den schlech-ten Jahren von 1850 bis 1860, zum Teil schon etwas früher. Insgesamt wanderten etwa 85 – 90 Personen in die Vereinigten Staaten nach Nord-amerika aus. Um 1890 und später gingen auch viele, besonders Bauhandwerker, in die Schweiz und nach Frankreich zur Arbeit; sie kehrten dann im Herbst nach Beendigung der Bausaison in ihre Heimat zurück. Im Frühjahr ging die Reise wieder zu den dortigen Arbeitsstätten, und zwar zu Fuß. Die Städte der Schweiz, wo um 1890 Weilener, meist als Maurer und Weißputzer (Gipser) arbeiteten, waren Winterthur, Zürich und Neuchâtel. In Frankreich war es besonders der nördliche Teil. Auch in der Gegend um Genf und im Elsass fanden Weilener Arbeit; damals war letzteres ja deutsches Land. Anfang des 20. Jahrhunderts gingen die Bauhandwerker gern in die badischen Städte wie Freiburg im Breisgau, Villingen, dann auch nach Schwenningen und anderen Städten. Der Schreiber dieses Buches kann sich noch gut erinnern, daß 1911 an einem Maisonntag bei einem Besuch von Leopold Weinmann (damals Besitzer der Hirschhalde in Bad Dürrheim) 15 Weilener dabei waren, welche alle in Villingen und Schwenningen in Arbeit standen; 3 davon waren in Villingen und Schwenningen verheiratet. Besonders viele Weilener verheirateten sich nach Freiburg. In vielen Städten von Baden und Württemberg konnte man Bürger von Weilen finden, die zum Teil noch heute dort sind.
6.3 Zehn katholische Geistliche aus einem Dorf
Aus Weilen stammen die Eltern einiger Priester. Der Sohn des Ziegel-bacher Lehrers Josef Seifriz, hier 1791 geboren, und seiner Frau Theresia ge-borene Sauter ist der Domkapitular Johann Georg Seifriz. Er kam 1856 auf die Welt. 1881 empfing er die Priesterweihe. Er war Stadtpfarrer in Heiden-heim und später in St. Elisabeth in Stuttgart. 1913 wurde er Dompfarrer und Domkapitular in Rottenburg. Johann Georg Seifriz starb 1916. Seine Eltern hatten im Haus Nr. 21 gewohnt. Auch die Mutter eines anderen Domkapitulars stammte aus Weilen, Cordula Dannecker geborene Blepp. Sie hatte den Mimmenhausener Lehrer Dannecker geheiratet, der aus Ratshausen stammte. Ihr Sohn, Augustin Dannecker war Domkapitular von 1913 bis 1938. Er starb 1941 in ntermarch-tal. Dr. theol. Wilhelm Koch wurde 1874 in Ludwigsburg als Sohn des Beamten Dominikus Koch und seiner Frau Wilhelmine geborene Koch, beide von Weilen, geboren. Die Eltern wurden in Weilen in einem Familiengrab begraben. Wilhelm Koch empfing die Priesterweihe 1898 in Rottenburg. 1905 wurde er als außerordentlicher Professor der Dogmatik an die Universität Tübingen berufen. Im Jahre 1919 wurde er Stadtpfarrer in Binsdorf, später in Waiblingen, 1933 in Tettnang und 1938 Dekan in Tettnang. Dr. theol. Wilhelm Koch ist in Tettnang gestorben, wo er auch begraben wurde. Nun sind 7 Geistliche aufzuführen, die in unserem Ort geboren sind und aufwuchsen. Pfarrer Josef Krachenfels, geboren 1747 in Weilen als Sohn des Leonhard Krachenfels und seiner Frau Maria Anna geborene Seifriz, war
Prof. Dr. theol. Wilhelm Koch
zuerst Kaplan in seinem Heimatort bis zum Jahre 1815. Dann erhielt er die Pfarrstelle in Altoberndorf bei Oberndorf, er starb 1852 als Pensionär in Rottweil. Pfarrer Michael Koch, wurde 1766 als Sohn des Schreiners und Landwirts Simon Koch und seiner Frau Agatha geborene Albrecht, die von Wehingen stammte, geboren. Er war Pfarrer in Grüningen, wie im Familien-register steht. Sein Todestag ist nicht angegeben. Auch sein Bruder, Matthäus Koch, geboren 1771, wurde Geist- licher. Im Familienregister steht, daß Matthäus Koch als Kaplan in Greidorf 1809 gestorben ist. Der Vater dieser beiden Priester, Simon Koch, ist 1773 im Wald Honau von einer Tanne gefallen und war sofort tot, erst 37 Jahre alt. Seine Witwe Agatha geborene Albrecht heiratete 1773 wieder, und zwar Josef Haug von Dotternhausen. In dieser Ehe hat sie noch vier Kindern das Leben ge-schenkt, darunter Andreas Haug, geboren 1780 in Weilen. Das Familien-register meldet, daß er Weltpriester geworden ist. Näheres ist nicht verzeich-net. Die Mutter der 3 genannten Priester Michael Koch, Matthäus Koch und Andreas Haug muß eine sehr fromme Frau gewesen sein. Wieviel Opfer muß sie gebracht haben, um 3 Söhne studieren zu lassen! Ein Sohn des Bauern und Kirchenpflegers Chrysostomus Koch, der 1778 das Haus Nr. 35 gebaut hat, ist Pfarrer Ignaz Koch. Er wurde 1779 in Weilen geboren und ist 1842 gestorben. Sein Grab ist heute noch in der Kirche in Herrenzimmern bei Rottweil zu sehen. Als Sohn des Schneiders und Vogtes Matthäus Seifriz und seine Frau Agatha geborene Blepp kam 1779 Pfarrer Ludwig Seifriz auf die Welt. Nach dem Zeugnis von Verwandten war er längere Zeit Pfarrer in Berg bei Ravens-burg. Er starb 1828. Von dem Kaplan Joachim Koch ist in diesem Buch schon berichtet worden (Seiten 112 u. 123). Er ist hier 1713 als Sohn des Bauern und Kreuzwirts Joachim Koch und seiner Frau Magdalene geborene Bernhard geboren. Er war in seiner Heimatgemeinde Weilen Kaplan, starb hier 1752 im Alter von erst 39 Jahren und wurde in der Kirche beerdigt.
6.4 Bildhauer und Kunstmaler in und aus Weilen
Berühmt ist unser Ort durch die Kunstwerke eines Bildhauers dessen Namen man nicht mehr kennt. Er ist unter der Bezeichnung Meister von Weilen in die Kunstgeschichte eingegangen. Skulpturen von ihm stehen im hiesigen Gotteshaus (siehe Seite 126). Es ist wohl nicht anzunehmen, daß er hier geboren ist; seine künstlerischen Fertigkeiten scheint er sich im Breisgau erworben zu haben. Aber in Weilen scheint er um 1530 an seinen Figuren gearbeitet zu haben. Als Holzbildhauer machte sich auch Professor Johannes Koch aus Weilen einen Namen. Er kam am 8. Januar 1849 in Weilen als Sohn des Bauern Karl Koch und seiner Frau Maria geborene Stengele zur Welt. In München studierte er die Holzschnitzerkunst. In Furtwangen im Schwarzwald verhei-ratete er sich mit Amalie Rombach aus Vöhrenbach. Johannes Koch hat außer der Madonna (siehe Seite 128), die jetzt auf der Kirchenbühne ist, die Lourdes-Madonna in der Kapelle geschnitzt. In Furtwangen war Johannes Koch Professor und lange Jahre Vorstand der Badischen Schnitzereischule. Im Sommer 1907 wurde Professor Koch krank; er starb in Weilen an Schwermut am 28. September 1907. In einem langsamen, zähen Ringen mit Entbehrungen und Not ge-langte ein anderer Weilener Sohn zum gesteckten Ziel als Kunstmaler. Es handelt sich um August Blepp, der am 9. Januar 1885 geborene Sohn des Schultheißen Johann Georg Blepp und seiner Frau Elisabeth geborene Koch. Nach einer Handwerkslehre in Hechingen arbeitete er als Malergeselle in der Schweiz und in Stuttgart, wo er sich an der Kunstakademie bei Professor Hoelzel in Wandmalerei weiterbildete. Doch 1914 wurde er eingezogen; schwer litt August Blepp unter dem Soldatendienst. Nach seiner Heimkehr entwarf er mit ungeheurem Fleiß Zeichnungen, Studie und Ölbilder. 1921 malte er das Innere der Kirche von Ratshausen aus. Dann folgten Gemälde für die Gotteshäuser in Rottweil – Altstadt, Frittlingen, Lautlingen, Herrenzimmern und Kirchenhausen bei Donaueschin-gen. Hier können nicht alle Werke aufge-zählt werden, die August Blepp geschaffen hat. Aber nicht vergessen werden dürfen die beiden Altarflügel in unserer Kirche mit Passionsdarstellungen und Szenen aus der Nikolaus-legende. Diese Bilder von August Blepp umrahmen den Hochaltar des berühmten „Meisters von Weilen“. Die Gemeinde Weilen verlieh 1935 August Blepp das Ehrenbürgerrecht. Verheiratet war der Künstler mit Klara Anna Starke aus Stuttgart. Das Paar wohnte hier in Weilen im elter-lichen Haus. Die Ehe blieb Kinderlos. August Blepp wurde am 14. August 1949 im Alter von 64 Jahren aus seinem Schaffen vom Tod herausgerissen.
August Blepp Kunstmaler und Ehrenbürger des Ortes
Unten: Elterliches Haus von August Blepp
6.5 Die Übernamen von Weilen und Schörzingen
Es gibt wenig Ortschaften, die keine Übernamen haben. Wie sind die Einwohner von Weilen und die von Schörzingen zu ihren Spitznamen „Hummler“ und „Halbhirn“ gekommen? Oberlehrer Konrad Seifriz, dessen Mutter Maria Luise geborene Koch von Weilen stammte und der eine Chronik von Markelsheim bei Mergentheim und von Biberach/Riß geschrieben hat, gibt in seinem Buch „Jugenderinnerungen aus meiner Heimat Schörzingen“ folgende Aufzeichnung seines Urahns Hilarius Seifriz (1758-1828) in Schörzingen wieder: Es war Anno 1787 am Feste der Apostelfürsten Peter und Paul. Die Schörzinger Ledigen waren auf eine saftige Festpredigt gefasst. Hatten sie doch nach dem üblichen Pfingstritt, das ist die jährliche berittene Prozession durch den Winteresch, noch ihre „Menscher“ (Mädchen) zu sich aufs Ross genommen, um einen kleinen „Sputz“ auf den Hohenberg zu machen. Auf dem Hohenberger Hof war nämlich im Jahr vorher (1786) der Schörzinger Bauer Jakob Hauschel als Lehensträger aufgezogen, und dem sollte dieser kurze Besuch gelten. Aber auf dem Heimweg geriet – wie es so geht – die ganze Gesellschaft noch in die Deilinger Krone, von wo sie erst nach dem Betzeit-läuten heimkam. Und das musste doch von der Kanzel öffentlich gebrandmarkt werden. Auch sollte wieder einmal gehörig gegen den gröblichen Unfug ge-wettert werden, daß die „gottvergessene“ Jugend nun beinahe jeden Sonntag-Nachmittag die Christenlehre schwänze und auf den Wochenberg ziehe, um mit den Weilener Buben, die in nichts besser seien, jene uralten völkischen Händel auszutragen, an denen sich selbst alte Flegel, so groß wie Hopfenstangen, aus dem Hinterhalt beteiligten. Und die schlimmen Folgen seien Versäumnis der Nachmittagsgottesdienste, schmutzige und zerrissene Kleider und nicht selten blutige Köpfe. Bei Gott, diese Predigt war gut aufgesetzt, aber gehalten sollte sie nicht werden; dafür wollten die Schörzinger Buben schon sorgen. In der Frühe des Festtages Peter und Paul – der Mesner hatte schon das rote Kanzeltuch über die Brüstung geschlagen und war auf den Turm gestiegen, um die Kirchenuhr aufzuziehen – da war ein Bursche durchs Glockenhaus in die Kirche auf die Kanzel geschlichen, wo er unter das rote Tuch eine Anzahl spitziger Schuhnägel, mit den Spitzen nach oben legte. Der würdige Pfarrherr, Exjesuit Nikolaus Landherr, der die Gewohn-heit hatte, viel und kräftig mit den Händen zu sprechen, bestieg die Kanzel. Er begann mit einem Lob auf die beiden Heiligen des Tages, reckte dann
Als Humeln verkleidete Narren
beide Arme in die Höhe: „Ja die beiden Apostelfürsten Petrus und Paulus waren große Heilige…“ Indessen sausten die Arme hernieder. „Herrgott! Himmel! Heiland! Sakrament!“ Vor Schmerz verzog er seinen Mund und zog die Nägel aus den Fäusten. Die Predigt war nun schon zu Ende, und das folgende Hochamt verlief mit wenig Andacht. Am Nachmittag aber stiegen die Schörzinger Buben, die kleinen und die großen (sie hatten ja den Inhalt der Predigt nicht erfahren), wieder den Wochenberg hinan. Die Weilener hatten schon ihre Stellungen eingenommen. Mit viel Geschrei und auserlesenen Schimpfworten wurden die Händel einge-leitet. Dann folgten mutige Herausforderungen wie weiland David und der Riese Goliath. Nun sauste der erste Stein durch die Luft, dem bald ein ganzer Hagel hinüber und herüber folgte. Die großen Kerle mit Haselnußstecken lagen beiderseits noch ver-steckt hinter den Fronten in Bereitschaft. Aber ehe es zum Nahkampf kam, hatte der Anführer der Schörzinger einen Stein an den Kopf bekommen und musste zum Verbandsplatz gebracht werden. Während der entstandenen Stockung im Kampf trat aus den Reihen der Schörzinger ein kleiner Knirps, bei dem Hose und Weste noch ein Ganzes waren und bei dem der Hemdzipfel herausguckte, wo der Rücken aufhört, seinen anständigen Namen zu führen, vor die Front und stotterte aufgeregt: „Jo, ihr Weilemer Kerli, ihr hont isem Bachuori (Bach-Ulrich, geboren 1768, gestorben 1842) `s halb Hirn rausgworfa!“ Darüber erhob sich bei den Weilenern ein wahres Indianergeheul: Halbhirn! Halbhirn! Halbhirn!“ Bald aber ging die Schlacht weiter, und alsbald kam es zum Nah-kampf mit Haselnußstecken. Aber auch die Weilener mußten gleich darauf ihren Hauptmann blutend wegführen. Sie baten um Waffenstillstand, da der lange Cyriak Seifriz (geboren 1767, gestorben 1833) eins an den Kopf be-kommen hatte, daß ihm der Schädel brummte, wie wenn ein ganzes Dutzend Hummeln drin säßen. Und wie ein verabredeter Sprechchor erscholl es nun aus den Reihen der Schörzinger: „Hummler - Hummler – Hummler!“ Für heute war die Schlacht aus, aber seit dem 29. Juli 1787 haben sowohl die Schörzinger als auch die Weilener ihre örtlichen Spitznamen bis auf den heutigen Tag: „Halbhirn“ oder „Hummler“. Einer anderen Überlieferung nach sollen die Weilener „Ommeler“ oder „Ummeler“ heißen, weil sie ein sehr unruhiges Völkchen seien. Als „Hommeler“ (Hummeln werden auch die Bubsheimer verspottet. Die Weilener aber ertragen ihren Übernahmen mit Fassung.
Fasnacht wird in Weilen seit undenklichen Zeiten gefeiert. Der Flur-name Scheibenbühl bezeugt, daß hier schon vor Jahrhunderten feurige Schei-ben ins Tal geschlagen wurden. Viel Aufsehen erregte die Fasnacht von 1892. Schultheiß Lorenz Koch hatte auf Ersuchen des damaligen Orts-pfarrers, des Verwesers Dettinger, die Fasnachtsumzüge und das Fasnachts-treiben verboten, weil der große Hagelschlag vom 3. September 1891 an den Feldfrüchten und auch an den Gebäuden große Schäden angerichtet hatte. Die jungen Leute waren über das Verbot erbittert, und viele hielten sich nicht daran. Sie zogen maskiert durch das Dorf. Als Schultheiß Koch sich auf den Weg von seiner Wohnung im Außendorf Nr. 38 zum Rathaus befand, wurde er in der Nähe des Gasthauses zum Mohren von einer Anzahl maskierter Männer angehalten und belästigt. Sein Schwiegersohn, der Schmied Johannes Koch, der in der Nähe wohnte, kam im zu Hilfe und riss einigen Burschen die Masken herunter, so daß sie erkannt wurden. In der folgenden Nacht gab es große Aus-schreitungen, als Racheakt. Dem Schultheißen und seinem Schwieger- sohn wurden die Fenster eingeworfen; die Familien mussten sich vor den Steinen, die in die Wohnzimmer geworfen wurden, in Sicherheit bringen. Dem Schultheißen wurde auch der Bienenstand demoliert und ein Teil der Bienen-stöcke zusammengeschlagen. Der Ortspolizist, dem 2 Hilfspolizisten zugeteilt waren, konnte gegen die Rebellen nichts ausrichten. Die Folgen dieser Nacht-ruhestörungen und Hausfriedensbrüche waren für die ganze Gemeinde ein schwerer Schlag; es erwuchsen langjährige Feindschaften. Ein Teil der Urheber und ärgsten Randalierer entzog sich durch die Flucht in die Schweiz der Strafe. Das Landgericht in Rottweil hatte gegen mehrere Männer Strafen von einigen Monaten wegen Landfriedensbruch verhängt. In den folgenden Jahren wurde die Fasnacht ruhiger gefeiert. Anfang des 20. Jahrhunderts, als die erste Musik auftrat, fanden wieder größere Fasnachtsumzüge und Theatervorführungen statt. Der Schreiber dieser Zeilen kann sich noch an das Spiel der Beatushöhle vor dem Gasthaus zum Mohren im Freien erinnern sowie an das Stück „Die Räuber von Maria Culm“ und andere. Im Jahre 1902 fand auch ein Hammellauf vor dem Gasthaus zum Waldhorn statt. Mit der Auflösung der Musikkapelle ging das organisierte Fasnachtstreiben zurück; es zogen nur vereinzelte Trupps Maskierter durch den Ort. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahre 1947, wurde die Fas-nacht wieder neu aufgezogen und gefeiert. Es wurden ein Narrenvater
Weilener Fasnachtsumzug mit Narrenvater Alfred Seifriz und Elferrat
und Elferrat gewählt. Der erste Narrenvater war Albert Seifriz, und zwar 5 Jahre lang. Dann wurde Lorenz Koch, geboren 1888, Narrenvater. An seinem Haus hing der Narrenbriefkasten. Nach Lorenz Koch schwang Karl Weinmann etwa 3 Jahre lang das Narrenzepter. Narrenväter waren auch Eugen Seifriz und Alfred Seifriz, letzterer über 10 Jahre lang; 1963 wurde er zum Ehren-narrenvater ernannt. Seither ist Erwin Peter Narrenvater; er sorgt mit seinem Elferrat während der Fasnachtszeit für Ruhe und Ordnung. So hat die Weilener Fasnacht seit 1947 wieder eine Organisation. In den letzten Jahren fanden beachtenswerte Umzüge mit 10 und mehr originellen Wagen statt. Zu diesen Umzügen kamen immer sehr viel auswärtige Besucher aus der Nähe und Ferne, darunter vom Landratsamt Balingen und von der Presse. Seit einigen Jahren existieren auch mehrere Hummelkostüme, die den Übernamen der Weilener („Hummel“) symbolisieren. Der Musikexperte Gustav Lotterer in Tuttlingen komponierte einen Narrenmarsch für Weilen (siehe Seite 10/11). Die Zahl der Wagen und die Größe der Umzüge sind in den letzten Jahren etwas zurückgegangen. In der Hummelschar treiben zur Zeit 20 kostümierte Hummeln und Hummelein ihre Narreteien.
7.2 Der ehemalige Veteranen und Militärverein
Der älteste bekannte Verein in Weilen ist der Veteranenverein. Am 6. März 1887 wurde von wenigen aktiven und gedienten Soldaten eine Versammlung in das Gasthaus zum Mohren zwecks Gründung eines Vereins ehemaliger und beurlaubter Soldaten einberufen. Nach dem Protokoll und Kassenbuch sin 16 Mann erschienen. Im Verlaufe der Versammlung wurde beschlossen, einen Verein zu gründen, der den Namen „Militärverein Weilen“ erhielt. Die Statuten, die im Verlauf der Versammlung bekannt gemacht und beschlossen wurden, hatten 22 Paragraphen und waren ziemlich klar aufge-stellt. Sie waren der Mustersatzung des Württembergischen Kriegerbundes entnommen und wurden mit geringen Änderungen von den Anwesenden beschlossen. Die Mitgliederzahl hat sich im Verlaufe der Jahre immer mehr erhöht und betrug im Jahre 1891 bereits 27. Im Dezember 1890 haben sich die Mitglieder, die gut singen konnten, zu einem Männergesangsverein mit 4stimmigen Gesang zusammengeschlossen. Dieser Chor wurde von dem damaligen Schulleiter Gustav Sayle geleitet; er hatte die Einübung des Männerchores unentgeltlich übernommen; in Anerkennung seiner Tätigkeit wurde er 1891 von der Generalversammlung zum Ehrenmitglied ernannt. In den Militärverein, besonders in den Chor, wurden auch nicht gediente Männer als passive Mitglieder aufgenommen. 1892 wurde vom Verein beschlossen, eine Vereinsfahne zu kaufen und im Herbst die Fahnenweihe zu halten. Besonders wegen der Vorkomm-nisse an Fasnacht 1892 wurde sie aber verschoben. Schultheiß Lorenz Koch und der Gemeinderat hatten nämlich auf Anraten von Pfarrverweser Dettinger beschlossen, die Fasnachtsfeiern und besonders das wilde Treiben mit Narrenkleidern zu verbieten. Das Verbot wurde wegen des Hagelschlages erlassen, der am 3. September 1891 fast die gesamte Ernte vernichtet hatte. Bei diesem Unwetter wurden sogar die Dächer vom Hagel zerschlagen. Aber gerade dieses Verbot hatte einige junge Burschen, die von der Obrigkeit schon wegen Nachtruhestörungen und anderen Delikten bestraft worden waren, veranlasst, bereits am Vormittag des Fasnachtmontages Aus-schreitungen und Belästigungen zu begehen. Schultheiß Koch wurde auf der Straße angehalten und bedroht. Der Schmied Johannes Koch hatte auf Anordnung seines Schwiegervaters 2 der Narren aufgedeckt. In der Nacht wurden dem Schultheißen Koch die Fenster eingeworfen sowie der Bienen-stand zerstört. Ebenso wurden beim Schmied Hannes und auch im Pfarrhaus die Fenster eingeworfen. Noch andere schwere Ausschreitungen wurden im Ort verübt. In der folgenden Gerichtsverhandlung wurde die Aktion als
Die Fahne des ehemaligen Veteranen- und Militärvereins hat auch ihre Ge-schichte. Als sie 1892 geweiht werden sollte, mußte die Fahnenweihe wegen der berüchtigten Weilener Fasnacht verschoben werden. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde die Fahne vor den Franzosen gerettet, indem
sie hinter den Kirchenfahnen versteckt wurde.
schwerer Landfriedensbuch bezeichnet, und es wurden zum Teil schwere Strafen verhängt. Die Rädelsführer flüchteten in die Schweiz, und 13 weitere Beteiligte erhielten Strafen von einem Monat bis zu einem Jahr Gefängnis. Der Friede im Dorf war erheblich gestört, und es entstanden mehrjährige Feindschaften. Wegen der Vorkommnisse wurde die Fahnenweihe des Militärvereins um ein Jahr verschoben. Der Verein hatte eine Fahne bei der Fahnenfabrik Carl Neff in Biberach für den Betrag von 200 Mark bestellt. Die Fahne war aus gutem Stoff, und auch die Ausführung war gut, so daß sie nach 30 oder 40 Jahren noch wie neu aussah. Bei den Festen in der näheren und weiteren Umgebung war die Vereinsfahne des Militärvereins Weilen die schönste und besterhaltene Fahne. Auch heute ist diese Fahne noch erhalten; sie wurde vom letzten Vorstand, Bürgermeister Koch, auf der Kirchenbühne von 1944 bis 1950 bei den Kirchenfahnen aufgehoben. Die Besatzungsmächte haben sie öfters vergebens gesucht. Zur Fahnenweihe am Sonntag, den 30. Juli 1893, waren die Militärvereine von Deilingen, Schörzingen, Ratshausen und Schömberg erschienen, nebst einem Großteil der Musik von Schömberg. 1904 fand der Gautag der Militär- und Veteranenvereine in Weilen unter Teilnahme von 12 Vereinen statt. 1937 beging man das 50jährige Jubiläum des Vereines, zu dem sämtliche Kameradschaften des Kreises Balingen Abordnungen sandten. Die Kriegskameradschaften von Deilingen, Schörzingen und Rats-hausen waren mit ihren Fahnen vollzählig erschienen. Es waren zwischen 150 und 200 Kameraden anwesend und außerdem die Musikkapelle von Schör-zingen. Die 3 Gastwirtschaften konnten die vielen Festbesucher nicht aufnehmen. Der Militärverein, später in Kriegerkameradschaft umbenannt, hatte den Zweck, die Kameradschaft der alten Soldaten zu pflegen, kranken Kameraden Hilfe und Unterstützung zu gewähren und die Gefallenen zu ehren. Jedes Jahr wurde von der Kriegerkameradschaft ein oder zwei Leichengottes-dienste bestellt und bezahlt, und jeder Kamerad war am gemeinsamen Gottesdienst zur Teilnahme verpflichtet. Wenn ein Kamerad krank wurde oder sonst großen Schaden im Stall oder in der Haushaltung erlitt, wurde er vom Verein finanziell unterstützt. Vom Württembergischen Kriegerbund, der von ehemaligen Offizieren Zuschüsse erhielt, kamen jährlich oft über 100 Mark für Notfälle. Als gegen Ausgang des zweiten Weltkrieges die SA und die Kreis- leitung die Kriegskameradschaften in ihren Bereich einordneten, haben wir den Verein aufgelöst und den übrigen Kassenbestand dem Pfarramt übergeben, damit dafür heilige Messen für die Gefallenen gelesen werden.
7.3 Geschichte des einstigen Männergesangvereins
Bereits im Kapitel über den Militärverein berichtete ich, daß im Jahre 1890 der damalige Schullehrer Gustav Sayle einen Männerchor aufstellte. Dieser Männerchor wurde dem Militärverein angeschlos-sen. 1890 kauften 12 Männer Gesangbücher („Heim“ für Männerchor). Die Gesangproben wurden im Schulhaus abgehalten. Als Lehrer Sayle hierin Weilen 1893 verstarb, trat ein vorläufiger Stillstand ein. Nachfolger von Sayle war kurze Zeit Gustav Glatthar, Unterlehrer; er war kein musikbegabter Mann und hatte Mühe, den Kirchenchor zu leiten. Nachdem 1893 Schulleiter Andreas Hutt, ein guter Musiker, hier einzog, war während seiner Tätigkeit bis 1904 nicht nur der Kirchenchor auf der Höhe, sondern es existierte auch ein Gesangverein von über 20 Mann; im Winter, wenn die Bauarbeiter aus der Fremde kamen, oft bis zu 30 Mann. Nach dem Wegzug von Hautlehrer Hutt fehlte dem Gesangverein wieder ein Dirigent, da der Nachfolger kein Talent für Musik und Gesang hatte. Auch Hauptlehrer Balthasar Bieg, welcher von 1904 bis 1908 hier war, kümmerte sich nicht um den Gesang-verein,obwohl er ein guter Musiker war. Nachdem sich die Lehrer nicht mehr um den Gesangverein kümmerten, nahm der Schreiner Hermann Blepp, Sohn des Schultheißen Georg Blepp, die Sache in die Hand; es wurden hauptsächlich in den Wintermonaten von 1907 bis zum Ersten Weltkrieg fleißig geübt. Hermann Blepp begleitete mit der Geige, die er sehr gut beherrschte. Die Proben fanden zuerst im Gasthaus zum Kreuz und später auch im Gebäude Nr. 13 in der Angelgasse (Haus des altledigen Konrad Seifriz – Konrädle) statt. Der Erste Weltkrieg hat den Gesangverein auseinander-gerissen. Nach dem Ersten Weltkrieg, als die Männer heimgekehrt waren, wurden die Proben wieder aufgenommen, und zwar von Hermann Blepp im Hause seiner Eltern im unteren Stock. Dieses Haus in der Oberen Dorfgasse war das Geburts-haus des Kunstmalers August Blepp, der es dann nach der Verheiratung seines Bruders Hermann Blepp nach Nußdorf bei Überlingen übernahm. Nach der Verhei-ratung des Dirigenten Hermann Blepp übernahm Josef Koch, der Verfasser dieser Chronik, den Gesang-verein als Dirigent. Die Proben wurden von 1921 bis 1923 im Gasthaus zum Mohren abgehalten, und zwar immer am Samstagabend. Bartholo-mäus Weinmann wurde zum Vorstand gewählt, Viktor Blepp zum Schriftführer, und außerdem wurde ein Vereinsausschuß gebildet. Der Gesangverein erhielt den Namen „Liederkranz Weilen“. In den beiden Jahren 1921 und 1922 wurden die Farrenwiesen vom Gesangverein eingebracht; mit dem Erlös konnten Gesang-bücher gekauft werden. Die Einübung der Gesänge erfolgte ebenfalls mit der Geige. Der Verein trat mehrmals in der Öffentlichkeit auf, auch bei auswärtigen Veranstaltungen wie in Dotternhausen und Roßwangen. Die Zahl der aktiven Sänger betrug 32 und die Zahl der passiven Förderer des Liederkranzes 16 bis 18. Vom Herbst 1924 bis 1927 wurden die Proben im Hause des Dirigenten Josef Koch abgehalten und nach dessen Verheiratung in der Zimmererwerkstadt seines Bruders Beda Koch. Der Dirigent Koch hat nie eine Entschädigung oder Vergütung für seine langjährige Tätigkeit verlangt oder erhalten. Infolge Streitigkeiten innerhalb des Vereins traten einige Mitglieder aus und gründeten einen Mundhar-monikaclub, der aber nur kurze Zeit bestand. Das schlimmste aber war, daß sie weitere Mitglieder zum Austritt aus dem Liederkranz verleiteten, wodurch der Gesangverein später auseinanderfiel und bis heute nicht mehr existiert. Seit in den Jahren 1949 und 1950 eine Musikkapelle gegründet wurde, die heute (1968) einen beachtlichen Höhepunkt erreicht hat, ist es unmöglich, neben diesem Verein noch einen Gesangverein zu haben, da der Ort mit 400 Einwohnern viel zu klein ist, um 2 Vereine mit aktiven Sängern und Musikern lebensfähig zu halten.
Aufnahme des Musikvereins von Weilen unter den Rinnen im Jahre 1969
7.4 Der einzige Verein heute: unser Musikverein
Der früheste Nachweis über eine Dorfmusik in Weilen geht in die 90er Jahre des letzten Jahrhunderts zurück. Im Winter 1897/98 haben sich folgende Männer und Jungmänner zu einer Musikgesellschaft zusammengeschlossen: Jordan Weinmann, Wilhelm Weinmann, Jakob Burry, Markus Burry, Stefan Wein-mann, Theodor Weinmann, Gustav Krachenfels und Christian Weinmann. Diese Musikgesellschaft spielte bei Hochzeiten und anderen Festlichkeiten, besonders auch an der Fasnacht und bei sonstigen öffentlichen Anlässen des Militärvereins; die Musiker waren deshalb von der Beitragspflicht des Militärvereins befreit, doch mußten die gedienten ehemaligen Soldaten der Musikgesellschaft die Jahresbei-träge für den Württembergischen Kriegerbund entrichten, der ja an kranke und bedürftige ehemalige Soldaten erhebliche Unterstützungen zahlte. Infolge Verheiratung von Jakob Burry nach Peterzell bei Sankt Georgen, von Theodor Weinmann nach Rottweil, von Stefan Weinmann nach Zimmern bei Rottweil und Markus Burry nach Frittlingen schmolz die Zahl der Musikanten zusammen. Auch der Tambour Christian Weinmann hatte sich schon vorher nach Geisingen bei Donaueschingen verheiratet. Nachdem 1905 noch der Trompeter Jordan Wein-mann gestorben war, blieben von den 8 Musikern nur 2 Mann übrig, nämlich Wilhelm Weinmann und Gustav Krachenfels. Letzteren hörte man in späteren Jahren noch öfters auf seinem Bass in seiner Wohnung spielen. In den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg kamen immer mehr Musikanten von Schömberg, die zusammen mit der restlichen Musik in Weilen bei den Hoch-eiten zum Tanz aufspielten. Mit dem Ersten Weltkrieg ging dann auch dieser Rest von Musikverein im Gewühle der Zeit unter, und es bestand keine Musikkapelle mehr. Als der Gautag des Militärvereins hier gehalten wurde, wirkte die Musik-kapelle Schörzingen mit. Auch bei anderen Festlichkeiten und bei Hochzeiten wurde der Musikverein Schörzingen zur Gestaltung und zum musikalischen Einsatz nach Weilen gebeten. Der Musikverein Schörzingen war damals die beste Musik-kapelle in der ganzen Umgegend; er spielte bei den Wertungsspielen in der Kunststufe mit ersten Preisen mit. Auch viele Weilener Einwohner waren passive Mitglieder des Musikvereins Schörzingen. Ihr hervorragender Dirigent Bregenzer, welcher 1927 verstorben ist, konnte sich mit seiner Musikkapelle mit jeder Stadt-musik messen. Es war nach dem Ersten Weltkrieg von einigen Schörzinger Musikanten versucht worden, auch hier in Weilen wieder eine Musikkapelle auf die Beine zu bringen. Erst nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahre 1949, hat der heutige Kreuzwirt Augustin Koch, der außergewöhnlich Musikbegabt ist, ange-fangen, mit einigen jungen Leuten auf Blasinstrumenten zu üben. Es machten zuerst folgende junge Männer mit: Augustin Koch, Dirigent und Trompete, Josef Koch, Trompete, Arnold Weinmann, Flügelhorn, Karl Rinderknecht, B-Horn, Jakob Haag, B-Horn, Gustav Koch, S-Bass, und Ulrich Koch, Klarinette. Am Weihnachtsfest des Jahres 1949 hörte die Gemeinde Weilen erstmals den neuen Musikverein in der Öffent-lichkeit. Der Ankauf der Instrumente wurde durch mehrere Sammlungen ermög-licht. Die 1. Sammlung ergab den Betrag von108,90 DM und wurde zum Ankauf eines Flügelhorns verwendet. Die Weihnachtsfeier erbrachte einen Reingewinn von 166,50 DM. Zuvor wurden durch eine Holzstiftung noch 190 Mark zur Ver-fügung gestellt. Mit 5 Instrumenten und einem Privatinstrument spielte die Musikkapelle auch an der Fasnacht 1950, wobei ein weiterer Zuschuss von 128,50 DM zur Verfügung der Musik verblieb. Im Verlaufe des Jahres 1950 kamen durch Haussammlungen und Aufspielen zum Tanz bei Hochzeiten weitere finan-ziellen Mittel für die Musikkapelle zusammen. Ein ganz besonders wichtiger Markstein in der Geschichte des Musik-vereins war die Gründungsversammlung am 24. September 1950 im Gasthaus zum „Waldhorn“. Bei dieser Gründungsversammlung waren 24 Personen anwe-send. In den Wahlen wurde zu Ausschußmitgliedern gewählt: Albert Seifriz, Alfred Seifriz, Paul Weinmann, Ignaz Koch, Wagner, Matth. Eckenweber, Karl Ordowski und Johann Burry. Nach der Wahl der Ausschussmitglieder wählten diese um Dirigenten den bisher unermüdlichen Augustin Koch, zum 1. Vorstand Albert Seifriz, zum 2. Vorstand Alfred Seifriz, zum 2. Dirigenten bzw. Stellvertreter Johann Burry, zum Schriftführer und Kassier Arnold Weinmann sowie zu Bei-sitzern: Paul Weinmann, Ignaz Koch, Matth. Eckenweber und Karl Ordowski. Bei der Ausschusssitzung am 12 Februar 1951 im Rathaus wurde be-schlossen, einen neuen B-Bass zu kaufen, da der vorhandene S-Bass nicht mehr ausreichte. Am Sonntag den 3. Februar 1952, wurde in der Generalversammlung, an der 44 Personen und der Bezirksvorsitzende der Musikvereine des Schwarz-waldgaues, Wilhelm Rebhan von Wellendingen, teilnahmen, beschlossen, eine Gründungsfeier zu veranstalten, die dann auf den 17. bis 19. Mai 1952 fest-gelegt wurde. Der Festausschuß und die Musiker hatten in den folgenden Wochen alle Hände voll zu tun, um die Gestaltung des Gründungsfestes würdig und festlich begehen zu können. Ende 1951 betrug die Zahl der aktiven Musiker 16; die Zahl der passiven Mitglieder betrug 52. Die Musikanten wurden durch Satzung verpflichtet, für ihre Instrumente zu sorgen und jeden Schaden, der durch eigenes Verschulden entsteht, selber zu bezahlen. Auch hatten die Musi-kanten inzwischen Uniformen angeschafft, die beim Auftreten ein besseres und einheitliches Bild ergaben. Auf dem Festplatz auf der Hinteren Wiese wurde ein großes Festzelt der Brauerei Mayer zum Pflug in Rottweil-Altstadt von den Zimmerleuten der Firma Beda Koch und den Musikanten aufgestellt sowie einige Schuppen zum Verkauf von Wurst und Brot und eine Verkaufshalle zum Verkauf von Wein und Schnaps. Letztere war ebenfalls überdacht und auf 3 Seiten mit Wänden geschlossen. Sie fasste 150 bis 200 Personen und war während des Festes meistens voll. Zur Ergänzung waren außerhalb der Weinbude noch Bänke und Tische für weinselige Zecher aufgestellt. Der Vergnügungspark wurde an die Firma Renz aus Winterlingen/Straßberg verpachtet. Wer meinte das Fest werde zu groß aufgezogen, wurde angenehm enttäuscht; denn schon beim Festbankett am Samstagabend war alles besetzt. Es nahmen die Stadtkapelle Schömberg sowie der Musikverein Schörzingen teil, der zugleich Patenverein war und dessen Dirigent Gallus Riedlinger längere Zeit zum Einüben der Musikstücke in Weilen aushalf. Unter den zahlreichen Festgästen befand sich auch Landrat Roemer aus Balingen. AM Sonntag, dem 18. Mai, weckte die Festkapelle frühmorgens um 5 Uhr. Das Dorf war mit Tannen- und Buchengrün sowie mit vielen Fahnen festlich geschmückt. Im Festgottesdienst spielte die junge Musikkapelle während des Gottesdienstes einige Choräle, darunter auch das Sanctus von Franz Schubert. Nach dem Gottesdienst wurde der Toten auf dem Friedhof gedacht. Ab 12 Uhr kam dann Leben in unser sonst so stilles Dorf. Die Gastvereine trafen nach und nach ein. Die Aufstellung des Festzuges erforderte eine Strecke von der Mar-kungsggrenze Weilen-Schömberg, oben am Withau, bis zum Rathaus. Um 13.30 Uhr setzte sich der Festzug mit 20 Vereinen in Bewegung. Eine unübersehbare Menschenmenge säumte die Straßen. Ein wolkenloser Himmel mit strahlendem Sonnenschein verschönte das Fest. Nach Schätzungen von mehreren Personen soll die Zahl der Festbesucher annähernd 4 000 betragen haben. Der Festplatz und das Festzelt konnten die große Besucherzahl fast nicht fassen. Es ent-wickelte sich im Verlaufe des Nachmittags und Abends ein reges Leben mit Musik- und Gesangsdarbietungen verschiede-ner Vereine. Folgende Vereine waren erschienen: Musikverein Schörzingen, Stadtkapelle Schömberg, die Musikvereine von Frommern, Ratshausen,
Der Musikverein Weilen bei seinem Gründungsfest am 18. Mai 1952
Hausen a. T., Tieringen, Frittlingen, Wilflingen, Wellendingen, Deilingen und Roßwangen, die Gesangvereine von Roßwangen, Deilingen, Ratshausen, Zimmern u. d. B., Schömberg und Feckenhausen, der Handharmonikaverein Deilingen, der Radfahrerverein Schörzingen, der Sportverein Schörzingen und der Turnverein Schömberg. Als Festpräsident begrüßte Bürgermeister Koch die Vereine und sonstigen Herren. Am Montag war dann noch das Kinderfest. Es begann mit einem Festzug um 13.30 Uhr, an welchem sich unsere Einwohner beteiligten. Auch viele auswärtigen Teilnehmer hatten sich eingefunden. Hauptlehrer Dreher hatte mit den Kindern Reigen und Singsiele einstudiert, die im Verlaufe des Nachmittags auf dem Festplatz aufgeführt wurden. Am späten Nachmittag wurde die Feier durch einen Gewitterregen gestört. Zusammengefasst kann man sagen, daß das Gründungsfest am 17., 18. und 19. Mai 1952 ein Ereignis für Weilen war; voraussichtlich wird in den nächsten Jahren wohl kaum mehr ein so gelungenes Fest hier stattfinden. Das Gründungsfest der jungen Musik gab dem Musikverein großen Auftrieb, wie die Entwicklung der folgenden Jahre klar zeigte. Die Zahl der aktiven und passiven Mitglieder stieg in den folgenden Jahren immer mehr. Beim Wertungsspiel in Rottweil 1953 und beim ersten Preisspiel in Frommern 1952 (Anfängerstufe) erhielt der Musikverein Weilen je einen ersten Preis mit der Note „sehr gut“ und einen Pokal. 1954 beteiligte sich der Musikverein beim Kreis-musikfest in Deilingen, wobei der Verein in der Unterstufe mit 94 Punkten im zweiten Rang abschnitt. Nach den Vereinsprotokollen hat der Musikverein bis 1968 insgesamt 9 Preise erhalten, meistens außer den Urkunden noch einen Pokal mit Diplom. Den größten und wertvollsten 1. Rang in der Mittelstufe erspielte die Musikkapelle beim 15. Kreismusikfest des Kreises Rottweil 1968 in Schörzingen. 1958 wurde bei der Generalversammlung beschlossen, für die ganze Musikkapelle neue Uniformen zu beschaffen, wozu die Gemeinde einen Zuschuss gab. Die hellgrauen Uniformen wurden am Fronleichnamsfest 1958 zum ersten mal getragen. Am Ärmel ist das Wappen der Gemeinde Weilen aufgenäht. Die Zahl der Musikanten ist in den letzten Jahren stetig gestiegen. Im Jahre 1965 betrug sie 21 und die Zahl der Passiven 47. Beim Preisspiel in Schörzingen spielten 32 Musikanten mit, davon 15 Jugendliche. Dirigent ist immer noch Augustin Koch. Die Jungmusiker wurden von Fachkräften aus Frommern geschult. Bei der letzten Generalversammlung wurde Kaufmann Arnold Weinmann zum 1. Vorstand gewählt. Die Musikproben werden meist im Rathaus abgehalten, hie und da auch im Saal des Gasthauses zum Kreuz. Weilen kann auf seine Musikkapelle stolz sein.
7.5 Gesang des Kirchenchores zum Lobe des Herrn
Die Aufgabe des Kirchenchores ist, den Gottesdienst in der Kirche mit ein- und mehrstimmigen Gesängen zu verschönen. In früheren Jahren befanden sich in den meisten Dorfkirchen keine Emporen und keine Orgel. Der Kirchenchor bestand aus einigen Männern, die im Chorgestühl bei den Gottesdiensten sangen. In Weilen hielt sich dieser Brauch bis zum Jahre 1837, als die Kirchengemeinde eine Orgel von der Pfarrei Erlaheim kaufte und mit der Aufstellung der Orgel eine Empore errichtete. Schullehrer Amand Unger musste das Orgelspiel erlernen. Es wurde ein Kirchenchor mit Sängerinnen und Sängern gegründet, der in den fol-genden Jahren von den Lehrern geleitet wurde. Die höchste Blüte erreichte der Weilener Kirchenchor unter Hauptlehrer Josef Lang von 1920 bis 1938; die Zahl der Sängerinnen und Sänger betrug damals 32, während sie heute noch 21 zählt. Der Weilener Kirchenchor war da-mals einer der besten in der ganzen Umgebung, was bei dem Kirchenchortreffen im Jahre 1934 von den Prüfern bezeugt wurde. Von 1939 bis 1968 war der Schreiber dieser Chronik Dirigent des Kirchenchores und Organist, nachdem er hie und da schon als Hilfsorganist tätig gewesen war. Auch noch 1947 bei einem Kirchenchortreffen in der Stadtpfarrkirche zu Schömberg war die Kritik des Preisgerichts sehr gut.
Ausflug des Weilener Kirchenchores zur Nebelhöhle im Jahre 1935
7.6 Der Spar- und Darlehenskassenverein in Weilen
Die Beschaffung von Darlehen für die Bevölkerung war in früheren Zeiten sehr schwer, ja zum Teil fast unmöglich. Erst im 19. Jahrhundert wurde die Aufnahme von Darlehen etwas leichter, was besonders auch für die Land-bevölkerung von großem Nutzen war. Es waren nicht immer Bankinstitute, die Geld gegen hohe Zinsen an Privatpersonen abgaben, sondern es gab auch private Geldverleiher. Diese letzteren nützten oft die Not armer Gläubiger aus, indem sie ihnen immer wieder Geld zu Wucherzinsen und durch verschrei-ben von Grundstücken gaben. Wenn die armen Bäuerlein nicht bezahlen konnten, wurden Zwangsmaßnahmen eingeleitet und ihnen Haus und Hof versteigert. Diese Bauernfängerei ließ erst nach, als nach dem Vorbild und Beispiel von Raiffeisen die Darlehenskassen in Stadt und noch mehr auf dem Lande entstanden. Vom Verband „Landwirtschaftliche Kreditgenossenschaft“ in Württemberg war ein Statut bzw. ein Entwurf bezogen worden, welcher den Gemeinden als Grundlage zur Gründung eines Darlehenskassenvereins empfohlen wurde. 1898 wurde hier auf Initiative des Schultheißen Johann Georg Blepp und des Ortspfarrers Michael Bullinger eine Versammlung ins Gasthaus zum Mohren zwecks Gründung eines Darlehenskassenvereins einberufen. Der Statut wurde von 41 Anwesenden als bindend unterzeichnet. Es wurde be-schlossen, den Geschäftsanteil auf 50 Mark mit einer jährlichen Einzahlung von mindestens einer Mark festzusetzen. Das Eintrittsgeld betrug 2 Mark und später 2,50 Mark. Bei den anschließenden Wahlen zum Vorstand und Auf-sichtsrat wurden folgende Herren gewählt: als Vorsitzender Pfarrer Bullinger, als zweiter Vorstand Schultheiß Johann Georg Blepp, als Vorstandsmitglieder Kirchenpfleger Augustin Koch, Schuster und Gemeinderat Georg Dieringer sowie Kreuzwirt und Gemeinderat Josef Krachenfels. Zu Mitgliedern des Aufsichtsrates wurden gewählt: Schullehrer Andreas Hutt als Vorsitzender, als dessen Stellvertreter Gemeinderat Franz Xaver Krachenfels (Gregorifranz), Bauer Gustav Koch, Schnei-der und Gemeinderat Josef Weinmann, Waldhorn-wirt Josef Weinmann, Schreiner Sebastian Seifriz sowie Maurer Markus Burry. Zum Rechner wurde Bauer Rupert Blepp gewählt. Er versah diesen Posten bis 1938, also 40 Jahre lang. Von 1938 bis 1953 waren der Gipser und Landwirt Franz Burry und von 1953 bis 1964 der Kreuzwirt und Landwirt Augustin Koch Rechner.1964 wurde die Spar- und Darlehenskasse Weilen zusammen mit Ratshausen in den Verband der Genossenschaft Schömberg aufgenommen, da sich hier kein Rechner fand. Ein weiterer Grund lag darin, daß die hohen Verwaltungskosten mit den Beiträgen an die Buchungsstelle Rottweil und der niedrige Umsatz fast keinen Reingewinn einbrachten. In den Jahren 1957 bis 1959 erbaute die Spar- und Darlehenskasse einen Lagerschuppen hinter der Dreschhalle, in dem heute Kunstdünger, Futtermittel und anderes gelagert werden. Als Vorsitzender des Vorstandes wirkten von der Gründung 1898 bis zu seinem Wegzug 1901 Pfarrer Bullinger, von 1904 bis 1915 Pfarrer Stehle, von 1951 bis 1931 Kaufmann Wilhelm Weinmann und bis 1937 der spätere Schultheiß Johann Weinmann. Während der Amtstätigkeit des letzter-en wurde infolge der schlechten Zeiten (Wirtschaftskrise von 1930 bis 1934) die Darlehenskasse hart bedrängt von den Gläubigern. Viele Leute, besonders die Landwirte, konnten den Zinsen und sonstigen Forderungen der Kasse nicht nachkommen. Leute, die bei der Sparda ihre Gelder angelegt hatten, wollten sie zurückhaben. Bei der Revision durch den Prüfer Heuschmid wurde der Antrag gestellt, den Schuldnern ihre Felder wegzunehmen und sie den-jenigen zuzuteilen, die Gelder bei der Sparda angelegt hatten. Es kam infolge dieses Antrages zu heftigen und lautstarken Auseinandersetzungen. Revisor Heuschmid warf den Betroffenen vor, daß ihre Einstellung nicht dem Genos-senschaftsgesetz entspreche und daß es unter Umständen zu einem gericht-lichen Verfahren komme. Er hat dann veranlasst, daß die Sparda Weilen einen Kredit von der Zentralkasse erhielt, mit dem ungeduldige Gläubiger befriedigt werden konnten. Allmählich beruhigten sich die Gemüter, und es konnten von den Schuldnern wieder Zahlungen geleistet werden. Schultheiß Johann Wein-mann hat als Vorstand viel für die Sparda Weilen getan. Als sein Nachfolger wurde 1937 Josef Koch gewählt. Dieser Hat das Amt nur 10 Jahre, bis zum Jahr 1947, versehen. Er wurde 1942 zum Bürgermeister bestimmt und hat die Vorstandschaft bei der Sparda freiwillig wegen Überlastung zurückgegeben. Als nächster Vorstand wurde Johannes Stauß, Gipser und Landwirt, von der Generalversammlung gewählt. Der jetzige Vorstand ist Max Stauß, Gipser und Landwirt in Weilen. Als Rechner der Genoba Schömberg, zu der auch Weilen, Rats-hausen und seit einiger Zeit ach Zimmern u. d. B. zählen, ist seit Jahren Emil Riedlinger. Er kommt wöchentlich 2mal nach Weilen, und zwar am Montag-abend ab 20 Uhr und am Freitag von 11 bis 12 Uhr. Wer in der Zwischenzeit Geldgeschäfte abwickeln möchte, kann sie in Schömberg direkt am Schalter erledigen. Möge die Genossenschaft weiterhin zum Nutzen ihrer Mitglieder wirken können!
Nach der Erhebung der Jahre 1927 beträgt die Größe der Markung Weilen 308 ha 23 a und 76 qm oder 978 württembergische Morgen. Die Gesamt-zahl der Parzellen (Höchste Nummer) beträgt 1 873. Von diesen Parzellen sind aber ein Großteil inzwischen zusammengelegt worden. Von der Markungsfläche entfielen 1927 auf Äcker und Wechselfelder etwa 60 ha. Gärten und Länder zum Gemüseanbau etwa 3 ha, Wiesen mit einem Schnitt machten 2 bis 3 ha aus, mit 2 Schnitt rund 140 ha. Waldungen und Grund mit Holzbestand umfassten eine Fläche von 80 ha, Ödland etwa 5 ha. Die Angaben sind zum teil der Bodennutzungserhebung entnommen und haben sich inzwischen wesentlich verändert. So ist besonders das Ackerland zurück-gegangen, und der Wald ist flächenmäßig sehr gewachsen. Auch die Gebäude und Hofflächen haben erheblich zugenommen. 1927 bedeckten Gebäude und Hofflächen sowie Wege, Straßen und Gewässer etwa 16 ha der Markung. Von 1927 bis 1969 wurden 40 neue Häuser gebaut, ohne die Anbauten gezählt. Die Zahl der Gebäude betrug 1945 nach dem Zweiten Welt-krieg 84, darunter 5, die nicht zu Wohnzwecken dienen (Kirche, Kapelle, Dresch-halle, Rathaus und Backhaus). 1969 gab s in der Gemeinde 115 Gebäude. Die Markung von Weilen ist sehr Niederschlagsreich. Der Verfasser dieses Ortsbuchs hat während der letzten 25 Jahre Die Niederschläge der ein-zelnen Monate gemessen. Die Jahresmenge lag in dieser Zeit zwischen 724,2 und 1 271,4 Liter je Quadratmeter. Die folgende Tabelle gibt die Niederschlagsmengen in Liter je Quadratmeter an:
Jahr Jan. Feb. März April Mai Juni Juli Aug. Sept. Okt. Nov. Dez. ____________________________________________________________ 1943 97,7 37,3 32,1 56,1 54,1 99,4 85,9 36,9 110,7 70,6 73,8 39,6
Angel Spitzacker oder Anger Angelgraben Armweileresch Verschwundene Siedlung (siehe Kapitel 1.5) Esch = Zelg Außendorf Bächle (Bächli) Brunnenstube Quellfassung, die vor 1900 bestand Brand, Brandgraben Rodung durch Brand Brändli Kleine Brandrodung Breite (Uf der Broata) Ausgedehntes Feld Breitengraben (Broatagraba) Breitenried (Broataried) Ried = Sumpf Brückenwiesle Brühl (Briel) Feuchte Wiese Brühlzügen Gelände beim Brühl Bildenstöckle Hier stand einst ein Bildstock Böhm Bäume, heute nicht mehr Wald Bol (unrichtig Bohl) Bol = rundliche Erhebung Burgstall Abgegangene Burg = Heidenschlößle Degetswiesen Delbschen Demmelhalden Eck Egert (Uf da Iagert) Ruhendes Ackerland Eichen, Hinter Eichwäldle (Oachwäldli) Dort stehen Eichen Engstenhalden Felben ( Am Felba) Felbe = Weidenbaum Fohrenwäldle (Am Fiarawäldli) Dort stehen Forchen Fußhalde Am Fuß einer Halde Gallenwiesle Steilwiese unterhalb des Heidenschlößles (Im Gallawiesli) jetzt mit Wald bepflanzt, früher wohl Besitz des Klosters Sankt Gallen (siehe Kapitel1.6) Gassenreute Grabengassen Gasse beim Angelgraben Gumpenschlai ( falsch Grund- Gumpen = tiefe Wasserstelle Schlag, da mdt. Gumpeschlai) Schlai = Schlehe Hagenwies Farrenwiese Hagern Halden Haldenbrunnen Unterhalb der oben erwähnten Brunnenstube Häsleacker Hasenacker Heidenschlößle Mittelalterliche Burg (siehe Kapitel 1.6) Hermannshefte Früher Mannlehen (siehe Kapitel 1.5) Heuhäusle Himmelreich Hochgelegene Wiesen unterhalb des Wochenberges Hinterwiesen Hirtenbruck (Hirtabruck) Früher als Gänseweide benutzt Hofstätt (Hochstetts, Früher standen dort Häuser Hochstettsteich) (siehe Kapitel 1.5) Hohrück Rückenartige Erhebung Holz, Unterm Gelände unter den Wäldern Honau Hohe Au?, jetzt großer Wald Hürsten, Hürstenhag Hürst = Dickicht, Gesträuch Juchte, Juchtereutenen Kapellengraben Kapellenreutenen (Käppilireutene) Allmandstücke bei der Kapelle Katzensteigle Kienetsreute Kirchhof Friedhof Kochmartisacker Acker eines Martin Koch Krummenacker Krumme Äcker Lachen Bereits 785 als Laha (Grenze) erwähnt (siehe Kapitel 1.5) Langenacker Lange Äcker Lehmgrube Löchli Lohgraben (unrichtig Loh = lichtes Gehölz Laugraben) Lucktenacker (Lugdaäcker) Öffnung (Lücke) im Etterzaun Manngut Einst Mannlehen (früher Hermannshefte) Märzengarten, Märzenbrunnen Mausöhrlebühl Mittelbach (Mittlenbach) Morgen Niederwiesle, auch Niederwiesen Nonnenwiesen Wohl den Nonnen vom Rottenmünster gehörig Oberdorf Pfaffenhalden, Pfaffenhölzle Pfefferpfanne Pfarrgarten, Pfarrwald Renne, Rennensträßle, Römische und mittelalterliche Straße Rennenwasen (siehe Kapitel 1.3), die dem Ort Weilen den Zusatz „unter den Rinnen“ eingebracht hat. Reutebühl, Reutewäldle, Rohr, Rohrbühl, Rohrhalde Rohr = Schilfrohr, heute Gemeindewald Rohrkessen Schalampi (Uf da Schalampie) Ortsteil, nach dem elsässischen Brücken- kopf Chalampé mit Anklang an „Schlamper" benannt Scheibenbühl Hier wurden an Fasnacht glühende Scheiben ins Tal geschlagen. Schlaich Spitzacker Steig, Steigle (Stoagli) Steinboß (Am Stuabauß) Boß = Schlag. Früher wurden dort Steine gebrochen. Stellegaße (heute Friedhofstraße) Stockacker Stock = Waldstümpfe Sulz Tal Taubenrain (Tauberua) Steilhalde am Wochenberg Tiergarten Nasses Wiesengelände Tobel (unrichtig Dobel) Schlucht Wacht Ehemalige Wachstelle unterhalb des Wochenbergsträßchens Wasen, früher auch Stierwasen Weideplatz für Ochsen (Stiere) Wasen, Unterer Weiden, Weidenreute Weiher Weiler Bach Wittenbühl, Wittengrund Von Widem = Kirchgut? Wochenberg Wochenbergsträßli Wührle Früher eine Wuhr am Mittelbach
8.3 Wer kennt die Pflanzen, nennt die Namen
Die Besondere Lage von Weilen und die Beschaffenheit des Bodens der Markung bieten einer Flora Raum, die zu den interessantesten des Landes ge-hört. Hier kommen nicht nur die meisten Pflanzen der Schwä-bischen Alb und teilweise des Schwäbischen Mittellandes vor, sondern auch eingewanderte Pflanzen aus dem Hegau und den Schweizer Alpen. Um die Erforschung der Westalbflora hat sich der Weilener Pfarrer Sautermeister (siehe Seite 113) sehr verdient gemacht. Er hat für den botanischen Teil der Spaichinger Oberamts-beschreibung die wesentlichen Untersuchungen geliefert. Im folgenden werden die Namen der von ihm aufgeführten Pflanzen von Weilen wiedergegeben. Von seltenen Kräutern und Gräsern finden sich der Lerchensporn (Corydalis cava), die Nelkenart Dianthus Seguierii, die Nachtnelke (Elisanthe noctiflora), die Wickenart Vicia sylvatica, die Nachtkerze (Oenothera biennis), die kleinblütige Aster (Aster pariflorus), Senecio sylvaticus und Senecio Fuchsii, Hieracium umbellatum, Veronica scutellata, Gagea lutea, die große Hainsimse (Luzula sylvatica),Carex brizoides sowie der Ackerfuchsschwanz (Alopecurus agrestis). Die Zusammenstellung der Sporenpflanzen nennt für Weilen: Aspidium spinulosum, Anthoceros laevis L. auf Waldwegen, Riccia glauca L. auf Äckern, Blasia pusilla L. in Wäldern, Lejeunia minutissima Dum. im Withau an Tannen, Trichocolea tomentella N. ab E. mit Früchten, Shagnum cymbifolium und acuti-folium Ehrh., Orthotrichum Lyellii Hook et Tayl sehr verbreitet an Wald- und Feld- bäumen, besonders Tannen, selten mit Früchten, Ephemerum serratum Hampe auf Äckern, Bartramia Halleriana Hedw. Polytrichum piliferum Schreb., nicht selten, sowie Antitrichia curtipendula Brid. an Nadelholz, häufig mit Früchten. Unter den Pilzen auf Weilener Markung sind besonders erwähnenswert: Russula delica,1875 sehr verbreitet, Nyctalis parasitica (?) in Rasen auf Russula delica und foetens, Merulius lacrymans in der Pfarrkirche 1874/75 nicht bloß am Holzwerk, sondern auch an den Mauern sehr verbreitet sowie Craterellus clavatus mit gelben Sporen. Pfarrer Sautermeister fand seltenere Flechtenarten auf der hiesigen Markung: Cladonia squamosa, Peltigera pusila, Imbricaria tiliacea, häufig mit Frucht, Menegazzia terebrata mit Frucht, Gyalecta cupularis, Biatorina pineti, Sphyridium byssoides, Baeomyces roseus mit Frucht, Leptogium lacerum, häufig mit Frucht sowie Abrothallus Smithii, besonders auf Usnea barbata häufig.
Großvater Amand Stauß und Enkel beim Pflügen mit dem Hakenpflug
Gemeindepfleger Johannes Weinmann mit Familie beim Heuen (1937)
8.4 Landwirtschaft, Viehzucht und Waldbesitz
Die Landwirtschaft braucht zu ihrer Existenz Grund und Boden. Mit nur 308 ha, 23 a und 76 qm, also nicht ganz 309 ha hat Weilen die viertkleinste Markung des Kreises Balingen. Die Markung ist im Westen, Süden und Osten von bewaldeten Höhenzügen eingefasst. Nur im Norden ist die Markung offen, und zwar gegen Ratshausen, wo aber der Plettenberg ebenfalls einen Abschluss auf Markung Ratshausen darstellt. Unsere Markung gehört dem mittleren und unteren Braunjura an. Die schweren Lehmböden sind als Ackerland schwer zu bebauen, bringen aber in normalen Jahrgängen gute Ernten ein. Die Markung selber ist nicht eben, sondern fast zur Hälfte hügelig, was den Ackerbau noch mehr er-schwert. In früheren Jahren wurde viel mehr Ackerfeld bebaut als heute, weil die Einwohner die Ackererträge zum Leben brauchten und kein anderer Verdienst vorhanden war. Die Ackerbaufläche der Markung betrug im Jahre 1850 mehr als die Hälfte der Gesamtmarkung, während sie heute kaum noch ein Viertel der Fläche einnimmt. Die Zahl der Schlepper allerdings ist von 25 im Jahre 1958 auf 44 im Jahre 1966 angewachsen. Ein Kuhgespann sieht man seit 1964 nicht mehr auf der Straße. Alles wird mit den Schleppern und sonstigen landwirtschaftlichen Maschinen bewirtschaftet. In nassen Jahrgängen, wie zum Beispiel 1965, ist es öfters vorgekommen, daß Schlepper auf nassen Feldern eingesunken sind und mit Hilfe anderer Maschinen herausgezogen werden mußten die Feldgrundstücke wurden dabei zum Teil erheblich beschädigt. Beim Ackerfeld kann nicht alles mit Maschinen bearbeitet werden; hier ist ohne Handarbeit nicht ganz auszukommen, besonders bei Kartoffeln. Dagegen sind Traktoren und Maschinen auf dem Wiesfeld von großen Nutzen. An den Berghängen werden die Motormäher einge-setzt, weil an vielen Stellen die Schlepper wegen der Gefahr des Umstürzens nicht verwendet werden können. Die Wiesen liegen meist an den Berghängen und auf nassem Gelände wie Manngut, Breite, Degetswiesen, Brand, Tal und Wolfsbühl. Die trockenen Wiesen geben gutes und reichliches Futter. In den letzten Jahren wurden auch viele Grundstücke, besonders Wiesen an bergigem Gelände mit Tannen, Fichten, Lärchen und Buchen aufgeforstet. Auch die Gemeindeverwaltung hat etwa 12 bis 15 ha an den Berghängen, besonders auf Allmandstücken aufgeforstet, nachdem sie von den Nutzungsbürgern zurückgegeben waren. Im Jahre 1945 waren noch 72 Allmanden von Nutzungsbürgern bewirtschaftet worden; bis Januar 1966 haben 22 Bürger ihre Allmanden an die Gemeinde zurückgegeben. Da es nicht
Holzhauerei im Gemeindewald (von recht nach links): Waldschütz Franz Burry, Josef Weinmann, Richard Burry, Augustin Seifriz und Anton Dieringer. Im Hintergrund Flüchtlinge aus dem Rheinland.
Eine Bedeutung für Weilen hat das Sägewerk Beda Koch (1942)
mehr möglich war, die einzelnen Stücke anderweitig zu verpachten, hat der Gemeinderat beschlossen, die Allmandnutzung bis zum Herbst 1966 aufzuheben und größere Stücke zusammenzulegen und zu verpachten. Die bisherige Allmand bestand aus 6 einzelnen Grundstücken, die zusammen je etwa 54 a Fläche hatten. Es dürfte von Interesse sein, wenn die Allmanden für die Bürger aus- gegeben wurden. Im Jahre 1793 wurde zuerst der Untere Wasen mit einzelnen Stücken an Bürger als Allmand mit je einem Grundstück ausgegeben. In den Jahren vor 1800 wurde die gesamte Allmandfläche sowie der Wald auf Eck, wo damals noch Grünland war, als Weideland an Schäfer verpachtet. Der Obere Wasen sowie der Brand wurden als Viehweide benützt, der Obere Wasen als Stierwasen, wo die Ochsen ihre Weiden hatten. Von der Gemeinde wurden 2 bis 3 Hirten angestellt. Wer sein Vieh dem Hirten übergab, hatte eine Gebühr an die Gemeinde zu entrichten; sie richtete sich nach der Zahl der weidenden Tiere. Auch für die Gänse und Enten war ein Hirte angestellt; er hütete sie unter dem Scheibenbühl im Hirtenbruck und beim Mittelbach, wo heute noch ein Grundstück „Gansloch“ heißt. Der ganze Rennenwasen wurde als Schafweide benützt und an fremde Schäfer verpachtet. Der Pacht brachte der Gemeinde die größten Ein-nahmen im Gemeindehaushalt. Meist waren 2 Schafherden auf der Markung, welche 200 bis 250 Gulden einbrachten; es waren einige Mal sogar fast 300 Gulden. Diese Einnahme war im Vergleich zum gesamten Jahresetat (zum Beispiel 1817 = 1 500 Gulden) bedeutend. Zur Schäferpacht kam noch der Verpacht des Pferches, der jährlich 70 bis 80 Gulden einbrachte. Das ganze Gemeindeholz ertrug nur wenig, so im Jahre 1817 eine Einnahme von 76 Gulden und 19 Kreuzer; das Gehalt des Schullehrers betrug im gleichen Jahre 100 Gulden; es musste von der Gemeinde aufgebracht werden. Mit der Zunahme der Bevölkerung ergab sich die Notwendigkeit, mehr Land für die Bauern und besonders für die Kleinlandwirte abzugeben. Daher wurde von dem Gemeindebesitz im Verlaufe der Jahre 1817 bis 1833 die ganze Allmand, die heute noch besteht, aufgeteilt und an die Bürger ausgegeben. Die Allmandstücke auf dem Rennenwasen, bisher jungfräulicher Boden, wurden alle zu Ackerland umgebrochen und waren als Neubruch sehr fruchtbar und begehrt. Im Jahre 1928 wurde der ganze Rennen-wasen entwässert und drainiert. Es wäre aber besser gewesen, statt dessen die Juchtereutenen und den Wasen zu drainieren, denn die obere Renne und der Obere Stockacker waren trocken, im Gegensatz zu Juchte und dem Wasen; diese Grundstücke zählen zu den nässesten Feldern der Markung.
Im Jahre 1615 gab es im Dorf Weilen 38 Pferde. Infolge der Motorisierung während der letzten zwei Jahrzehnte verschwanden sie aus dem Dorfbild. Das letzte Pferd gehörte der Familie Schumacher (unten).
Vor dem Ersten Weltkrieg hatte die Gemeinde 120 Morgen Waldbesitz. In den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg und bis heute ist vieles dazugekauft und auch aufgeforstet worden, so daß 1966 der gesamte Waldbesitz etwa 150 bis 160 Morgen betrug. 1947 machte das gesamte Gemeindeeigentum an Grund-stücken einschließlich der Allmandflächen nach dem Grundbuch 98 ha,75 a und 75 qm aus. Heute, im März 1966, beträgt es wesentlich weniger, weil auf dem Unteren und Oberen Wasen 14 Bauplätze verkauft und im Breitenried ein Areal mit etwa 60 a zur Erstellung eines neuen Schulhauses von der Gemeinde gekauft wurden. Die Viehzucht ist noch immer bedeutend. Nur die Pferde haben abge-nommen. Nach den Musterungsregistern im Jahre 1615 hatten 12 aufgeführte selbständige Bauern 38 Pferde. 2 Bauern (Brosi Weinmann und Hans Riedlinger) besaßen je 5 Pferde, 5 andere Bauern je 4 Pferde. Im Jahre 1803 wurden in Weilen noch 11 Pferde gehalten, dazu 26 Zugochsen. Die Kühe und das andere Vieh sind nicht angegeben. 1834 gab es nur 3 Pferde, 1850 nur noch 2 und nach dem Ersten Weltkrieg 5. Seit 1967 gibt es in Weilen kein einziges Pferd mehr. Der Rindviehbestand war 1837 folgendermaßen: 42 Ochsen, 125 Kühe, 78 Kälber und Rinder sowie eine Ziege. Er wuchs um die Mitte des letzten Jahrhunderts auf 8 Zugochsen , 130 Kühe, 132 Rinder, 2 Schafe und 32 Ziegen an. Die Zählung von 1860 hatte gegenüber von 1850 wenig Änderungen; die Zahl der Ziegen blieb gleich. Die Bestände an Vieh und Schweinen zeigen unmerkliche Schwankungen in den letzten 50 Jahren. An Schweinen wurden 1834 gezählt 63 Stück, 1850 – 65 und 7 Zucht-sauen. 1966 betrug der Bestand an Zuchtschweinen nur noch 4 Stück, so daß die Gemeinde gezwungen war, die eigene Eberhaltung aufzugeben und sich an eine Nachbargemeinde anzuschließen. Vor dem Zweiten Weltkrieg wurden hier 42 Mutterschweine gehalten. Einige Jahre nach dem ersten Weltkrieg waren es sogar 80 Stück. Weil das Futter für die vielen Schweine nicht alles selber aufge-bracht werden konnte, mußten über die Darlehenskasse Futtermittel wie Mais, Leinschrot, Gerste, Hafer und von einigen Landwirten sogar Rüben bezogen werden. Die Landwirtschaft wurde noch zu Anfang des 20. Jahrhunderts mit zum Teil primitiven und veralteten Geräten betrieben. Als Pflüge wurden Wendepflüge und die heute noch in einigen Exemplaren benützten Hohenheimer Pflüge verwen-det. Die Wendepflüge gingen schwer; es mußten meist 3 bis 4 Stück Vieh zum Ackern vorgespannt werden. Die Hohenheimer gingen etwas leichter, aber auch dort mußten 3 oder 4 Kühe und Kalbinnen eingespannt werden. Es war schon eine harte Arbeit, die Kühe und Kalbinnen zum Zug anzugewöhnen, und die Trei-ber und Treiberinnen schwitzten oft mehr als die eingespannten Zugtiere. Die Eggen waren gegenüber den heutigen Eiseneggen wahre Marterwerkzeuge. Sie bestanden aus Eschen- oder Eichenholz und hatten Holzzähne, auch aus Eschen- oder Eichenholz, die stumpf waren und nur bei krümeligen Böden eine gute Arbeit ergaben. Für Kuh- und Ochsengespanne wurde meist das Doppeljoch verwen-det, hie und da auch das Halbjoch oder Stirnband. Das Doppeljoch war ein aus Hartholz bestehendes, mit Eisen beschlagenes, 1,30 bis1,40 m langes Geschirr, das für 2 Zugtiere benützt wurde. Den beiden Zugtieren wurden mit langen Lederriemen die Hörner an das Doppeljoch gebunden, und auch die Deichsel wurde am Doppeljoch befestigt. Die eingespannten Zugtiere zogen dann den Wagen an der Deichsel.; es brauchten keine Stricke zum ziehen verwendet werden. Die Tiere konnten sich aber im Sommer nicht mit dem Kopf gegen Fliegen und Bremsen wehren. Besser war schon das Halbjoch, das gleichfalls mit Lederriemen an die Stirne befestigt wurde. Hier mußten Stricke verwendet werden und eine Waage, bei einem Tier nur eine Halbwaage. Wenn 4 Zugtiere mit 2 Jochen eingespannt wurden, so wurde vom vorderen Doppeljoch mittels eines deichselartigen Gerätes, des sogenannten Zieterhakens an dem hinteren Joch angebunden. Einige Bauern benutzten das Doppeljoch noch bis zum Ausgang des Ersten Weltkrieges. Als Einspanngeschirr kam um 1920 das Kummet und das Kehlholz in Gebrauch, die bei den meisten Leuten noch bekannt sind. Seit 1964 ist kein Viehgespann mehr auf der Straße zu sehen. Alle Zugarbeiten werden von Traktoren geleistet. Die Industrie hat bessere Werkzeuge für die Landwirtschaft geschafen. Die größte Umwälzung brachte die Elektrizität mit sich, die 1913 in Weilen eingeführt wurde. Wenn auch Anfangs einige Landwirte und Einwohner dagegen waren, so sind im Verlauf der folgenden Jahrzehnte immer mehr Haushaltungen dazu übergegangen, auch in ihre Häuser elektrischen Kraft- und Lichtstrom installieren u lassen; heute gibt es kein Haus mehr, das nicht ans Stromnetz angeschlossen ist. Im Jahre 1925 wurde hier die Dreschhalle erbaut. Am 19. Juli 1926 hatte ein Gewittersturm die Dreschhalle samt der 70 Zentner schweren Maschine umgerissen und zerstört. Die Dreschmaschine litt aber nur wenig, weil unter dem Vordach der Halle ein vollbeladener Heuwagen stand, auf den sie fiel. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde dann noch zusätzlich eine Schrotmühle gekauft. Im Jahre 1952 wurde eine neue Dreschmaschine mit Bindern angeschafft. Heute ist der Dreschbetrieb wieder im Abflauen, da viele Leute die Ernte durch Mäh-drescher abernten lassen. Welche Mühe muss es früher gewesen sein, alles Getreide mit den Dreschflegeln zu dreschen! Später kamen die eisernen Walzen auf, die von 4 Personen in den Scheunen hin- und hergezogen werden mussten. Einige Bauern haben Dinkel und Gerste mit Hilfe des Viehs gedroschen, und zwar durch Vor- und Zurücktreten. Die Entwicklung steht nicht still, und bis in 100 Jahren sind von den heutigen Maschinen und Methoden auch in der Landwirt-schaft wieder viele überholt und wieder andere Bewirtschaftungsmethoden im Einsatz.
Altes Fachwerk- haus in Weilen
8.5 Wasserleitungsbau mit vielen Hindernissen
Früher holten die Einwohner ihr Wasser in Brunnen. In Weilen gab es 17 Brunnen, darunter nur einen laufenden, den sogenannten „Röhrenbrunnen“ beim Pfarrhaus; sein eiserner Brunnentrog steht heute noch. Ein weitere Brunnen war der Plotzbrunnen an der Einmündung der Bohlgasse in die Hauptstraße, der auch durch Zuleitung aus dem Haldenbrunnen sein Wasser erhielt. Diese beiden Brunnen waren die einzigen, die durch Zuleitungen gespeist wurden. Der Röhren-brunnen erhielt sein Wasser aus dem Gelände unter dem Scheibenbühl. Bei bei-den Zuleitungen wurden forchene Deicheln von 3 m Länge, die mit Eisenringen miteinan-der verbunden waren, verwendet. Der Deichelbohrer, mit dem man die Deicheln von einer Öffnung mit 5 cm Durchmesser bohrte, befindet sich heute noch auf der nördlichen Bühne des Rathauses. In den späteren Jahren wurden die Holzdeicheln durch Zementröhren mit 5 cm Lichtweite ersetzt. Ein dritter Brunnen stand beim Backhaus; sein Wasser bezog er aus dem Grundwasser. Die 3 genannten Brunnen gehörten der Gemeinde. Die anderen 14 Brunnen waren alle Privateigentum und füllten sich mit Grundwasser. Das Wasser wurde mit Hilfe einer langen Stange, woran ein Holzeimer befestigt war, heraufgezogen. Am Plotzbrunnen und Röhrenbrunnen waren Brunnentröge, wo man das Vieh tränkte. Die meisten Tiere, besonders die Kühe, ältere Rinder und Ochsen, liefen allein zum Brunnen und, nachdem sie ihren Durst gestillt hatten, wieder allein in ihren Stall zurück. In normalen Jahren reichte das Wasser knapp aus. Aber im Sommer und Herbst war das Wasser rar, und in trockenen Jahren wie 1893 und 1898 wurde die Lage katastrophal. Die Brunnen hatten kein Wasser mehr, daher musste das Wasser aus der Schlichem geholt werden und auch dort noch in Wasserlöchern, weil der Bach selber nicht mehr oder nur ganz spärlich lief. Die meisten Leute werden sich noch an das Jahr 1947 erinnern können, das sehr trocken war. Wir hatten damals eine Wasserleitung, aber die Quellen lieferten nur noch 11,5 Liter in der Minute, und zudem war noch an einer Stelle ein Rohrbruch, wo Wasser versickerte. Diese Stelle wurde lange nicht gefunden, und da nur noch etwas über 5 Liter Wasser in der Minute in den Wasserbehälter (Wasserreservoir) einfloss, reichte das Wasser für Mensch und Tier nicht mehr aus. Die Wasser-leitung musste abgestellt, das Wasser eingeteilt und am Röhrenbrunnen ausge-geben werden. Je Kopf bekam man 10 Liter täglich. Schon damals musste das Wasser für die Tiere mit Fässern aus der Schlichem geholt werden. Auch im Jahre
Das alte Gebäude vor dem Dorfbrunnen (Röhrenbrunnen genannt) diente seit 1867 als Gastwirtschaft zum Kreuz. Die Aufnahme stammt aus der Zeit um 1900. Der landwirtschaftliche Teil wurde 1961 abgebrochen, so daß die Gastwirtschaft erweitert werden konnte.
1898 herrschte Wasserknappheit und da die Stadt Schömberg schon einige Zeit vorher eine Wasserleitung gebaut hatte, holten viele Weilener in Schömberg an der dortigen Wasserleitung ihr Wasser. Einige Einwohner von Schömberg haben aber gegen diese Wasserabgabe protestiert mit der Begründung; daß das Wasser bei ihnen selber ausgehen werde. In dieser Not hat dann der Gemeinderat von Weilen beschlossen, eine eigene Wasserleitung zu bauen. Da auf der Markung Weilen selbst keine Quelle zu einer Wasserleitung vorhanden war, musste auf einer anderen Markung nach einer ergiebigen Quelle gesucht werden. Auf der südlichen Seite des Oberhohen-bergs unterhalb des Ochsenbühls war im Gewand Weiler eine gute Quelle, die Weilerquelle, die reichlich Wasser lieferte. Da das ganze Gebiet einschließlich der Weilerquelle Eigentum der Freifrau von Ow in Wachendorf, der Besitzerin des ganzen Hohenberger Gutes, war, trat die Gemeindeverwaltung mit Ihr in Ver-handlungen wegen des Verkaufs der Quelle. Freifrau von Ow verlangte einen Preis von 10 000 Mark. Trotz längerer Verhandlungen ging die Besitzerin von ihrer Forderung dieses hohen Betrages nicht zurück. Es wäre aber gut gewesen, wenn die Gemeinde Weilen damals die Quelle gekauft hätte, weil die Quelle 1 km näher gewesen wäre als von der heutigen Risiequelle und weil das Wasser von der Weilerquelle immer bergab gelaufen wäre auf dem Waldweg auf Eck bis zum geplanten Hochbehälter in den Nonnenwiesen und von diesem Hochbehälter in das Dorf. Heute benutzen die Gemeinden Deilingen und Schörzingen die Weiler-quelle. Nun musste man nach einer anderen Möglichkeit suchen. Auf der ande-ren Seite des Oberhohenbergs, unterhalb des Steilhangs zwischen Oberhohen-berg und Lemberg, sprudelten 2 Quellen hervor, die sogenannten Risiequellen. Sie liegen im Staatswald auf Markung Gosheim und sind Eigentum des Landes Württemberg. Die Gemeinde erhielt nach Verhandlungen diese beiden Quellen für ihre Wasserversorgung, allerdings nur in Pacht. 1898 wurde sie vom Staatsrent-amt in Rottweil gegen eine Pacht von jährlich 20 Mark zugesagt. Die Wasserlei-tung wurde nun endgültig beschlossen, und mit der Planung wurde Oberbaurat Ehmann in Stuttgart beauftragt; er erhielt auch die Bauleitung. Der Kostenvor-anschlag für die ganze Wasserleitung betrug 33 000 Mark. Nun trat ein Hindernis für den Wasserleitungsbau ein, mit dem niemand gerechnet hatte. Freifrau von Ow in Wachendorf gestattete die Zufuhr und Rohrleitungen über ihr Hohenberger Gut nicht, auch nicht gegen jegliche Schadensvergütung durch die Gemeinde Weilen. Die Verhandlungen und Bittgesuche zogen sich über 1 ½ Jahre hin. Sogar Oberamtmann Lämmle aus Spaichingen legte sich ins Mittel und machte zusammen mit Schultheiß Blepp von Weilen einen Bittgang nach Wachendorf. Er war ohne Erfolg. Als die Herrschaft von Ow im Sommer 1899 für einige Zeit auf dem Hohenberger Gut in Sommerferien waren, gingen Pfarrer Bullinger und Schultheiß Blepp erneut zur Freifrau von Ow, aber wiederum ohne Erfolg. Die Gemeinde Weilen wandte sich nun an die Regierung von Württemberg in Stutt- gart um Hilfe, und die Angelegenheit wurde von Oberbaurat Ehmann dem Landtag vorgetragen. Der Landtag entschied zugunsten der Gemeinde Weilen; die Freifrau von Ow müsse die Grabarbeiten und Leitungsverlegungen gestatten und die Gemeinde Weilen allen anfallenden Schaden ersetzen. Nach menschlichem Er-messen sollte nun angenommen werde, daß die Hohenberger Herrschaft endlich die Erlaubnis zu den Grabarbeiten gegeben hätte. Leider war dies nicht der Fall. Die Freifrau von Ow wandte sich an die I. Kammer. Diese bestand aber meist aus Adeligen, Grafen, Rittern und Freiherrn, und diese hatten das letzte Wort der Entscheidung; sie standen über dem Landtag. Die I. Kammer entschied nun zu Gunsten der Freifrau von Ow. Wegen dieses ablehnenden Bescheids musste nun neu geplant werden. Die Wasserleitung musste über die Markung Schörzingen geführt werden, und zwar 1 200 m an Abhängen entlang. Durch diese Verlegung an den Abhängen entstanden mehrere ungünstige Umstände. Die Quellen liegen unter-halb der Steilhänge des Hochbergs zwischen Oberhohenberg und Lemberg in einer Höhe von 891, also fast 900 m. Die Leitung verläuft nun zuerst einige hundert Meter mit mäßigem Gefälle bergab, nach etwa 400 m geht sie mit sehr starkem Gefälle abwärts bis auf eine Höhe von knapp 700 m im Ehwinkel. Von hier aus fließt das Wasser mit einer Steigung über den Sattel des Wochenberges mit einer Höhe von 825 m und dann in den Hochbehälter, der 75 cbm Wasser fasst. Im Ehwinkel und an anderen Gebieten auf der Markung Schörzingen sind durch Rutschungen im Verlauf der Jahre schon sehr große Kosten entstanden. Im Jahre 1936 rutschte die Leitung auf einer Strecke von 200 m ab, die Röhren wurden einfach abgerissen. Im Jahre 1938 wurde eine größere Strecke umgeleitet; diese Kosten beliefen sich auf fast 9 000 Mark. Auch im Gelände der beiden Quellen sind Rutschungen aufgetreten, besonders im Jahre 1938. Die Folge war, daß etwas Wasser unterhalb der Quellen ausfloss, da es wegen des starken Gefälles nicht mehr gefasst werden konnte. Es fließt nach Wilflingen hinunter. Am 7. Oktober 1900 war die Wasserleitung nun endlich soweit fertig, daß man Wasser aus den Hähnen laufen lassen konnten. Es herrschte eine große Freude im Dorf. Die Gesamtkosten beliefen sich auf 36 000 Mark. Weil der Bedarf an Wasser immer mehr steigt und auch die Bevölkerung um 1/3 zugenommen hat, reichte das Wasser in trockenen Jahren nicht mehr aus. Darum hat die Gemeindeverwaltung beschlossen, dem Gemeindeverband Wasserversorgungsgruppe Hohenberg beizutreten. Die Gemeinde Weilen hat nun Anspruch auf zusätzliches Wasser von 1 Liter/sec. Diese Menge reicht voraussichtlich für längere Jahre aus.
8.6 Die Installation des elektrischen Lichtes
Die Gemeinden in der Gegend von Aistaig und der Balinger Gegend – vom Großen und Kleinen Heuberg – hatte schon vor dem Ersten Weltkrieg, besonders aber im Verlauf des Jahres 1912, mehr mals Versammlungen abgehalten zwecks Gründung eines Gemeindeverbandes für den Bezug von elektrischem Strom. Die Gemeinden des Oberamts Spaichingen waren 1912 auf eine Versammlung nach Wehingen einberufen worden. In Weilen hielten am 24. November 1912 Gemeinderat und Bürgerausschuß eine gemeinschaftliche Sitzung im Rathaus ab. Schultheiß Blepp referierte über die Sachlage. Es sollte nun eine Kommission gewählt werden, welche die Gemeinde Weilen als stimmberechtigte Abordnung bei der Versammlung in Wehingen vertreten sollte. Nach eingehender Beratung wurde dann beschlossen, daß sowohl der Gemeinderat als auch der Bürger-ausschuß geschlossen an dieser Versammlung teilnehmen werden. In der Gemein-deratssitzung vom 21. Juni 1913 wurde dann folgendes beschlossen: „Nachdem nun-mehr der Kreis der an das Elektrizitätswerk in Aistaig anschließenden Ge-meinden bestimmt ist, hat sich, wie schon auf den Vertreterversammlungen in Balingen und Wehingen besprochen, und wie von der Königl. Kreisregierung neu-erdings aus Anlass der nachgesuchten Regierungsgenehmigung zu eine Schuld-aufnahme angefangen wurde, das Bedürfnis herausgestellt, sämtliche an dem Elektrizitätswerk Aistaig beteiligten Gemeinden in einem besonderen Gemeinde-verband zusammenzufassen und dessen Rechtsverhältnisse in einem besonderen Verbandsstatut klar zu stellen. Der Verbandsausschuß der Wasserversorgungs-gruppe des Kleinen Heubergs, welcher bisher auf Grund des Satzungsnachtrages dieses Gemeindeverbandes die Angelegenheiten des Elektrizitätswerkes zu be-sorgen hatte, hat nun für den neuen Gemein-deverband Überlandwerk Aistaig eine Verbandssatzung aufgestellt, welche die vorläufige Billigung der Königl. Kreisregierung erfahren hat. Die Gemeindekollegien beschließen: 1) Namens der Gemeinde Weilen den Beitritt zu dem neu errichteten Gemeinderverband Über-landwerk Aistaig zu erklären. 2) Die vorgeschlagenen Verbandssatzungen anzu-erkennen und derselben zuzustimmen. 3) Gemäß § 5 Abs. 1 der Satzung sofort die Wahl des Gemeindevertreters und seines Stellvertreters vorzunehmen. 4) In geheimer Wahl und Stimmabgabe des Gemeinderats und des Bürgerausschusses erhielten Stimmen: Schultheiß Blepp 8 Stimmen und Johann Weinmann sowie Rupert Blepp je 4 Stimmen. 5) Die Verbandsversammlung zu ermächtigen, im Genehmigungsver-fahren etwa erforderliche redaktivale Änderungen und Ergän-zungen in den Satzungen zu beschließen.“ Im Herbst und Winter 1913 wurde dann Weilen mit elektrischem Strom versorgt. Die Installation wurde hauptsächlich von der Firma Wilhelm Kraut in Balingen, durch ihren Monteur Rosenfelder und eine Hilfskraft ausgeführt. Aber vor Beginn de Ersten Weltkrieges hatten kaum die Hälfte der Gebäude elektrische Lampen und nur 9 benötigten elektrische Kraft für Motoren. Wie zögernd und langsam die Einführung von elektrischem Licht und elektrischer Kraft in Weilen war, geht aus einem Gemeindeprotokoll vom 21 März 1914 hervor. Hier heißt es: „Verwaltungsaktuar Röhrle brachte zur Sprache, daß Weilen die einzige Gemeinde sei, welche das elektrische Licht noch nicht im Rathaus und Schulhaus eingebaut hätte und die Gemeinde sei doch Mitglied des Verbandes.“ Im Anschluss daran wurde dann beschlossen, sowohl im Rathaus als auch im Schulhaus elektrisches Licht zu installieren. Bei der Beschlussfassung stimmten nur 7 Männer für den Einbau und 5 waren dagegen. Im Frühjahr 1915 war die Lehrerwohnung noch ohne elektrisches Licht. Der Lehrer stellte daher den Antrag, daß elektrischer Anschluss hergestellt werde, da infolge des Ersten Weltkrieges die Beschaffung von Petroleum sehr schwierig war. Der Einbau wurde dann beschlossen. Die Kirche wurde erst 1922 mit elektrischem Licht versehen. Die Installationskosten wurden durch freiwillige Spenden und Sammlungen aufgebracht. Elektrischer Kraftstrom wurde 1953 und die elektrische Kirchenheizung im Jahre 1959 einge-baut.
8.7 Die Unterhaltung des Straßen- und Wegenetzes
Im Verhältnis zu seiner Markung hat Weilen eine lange Straßenfläche, welche sich 5 km hinzieht. Vor dem Bau der neuen Straße nach Deilingen war das Straßennetz noch größer und die Straßenverhältnisse noch schlechter. Das Rennensträßle und die Wochenbergstraße mussten von der Gemeinde unterhalten werden. Die Gemeinde hatte auch 3 Straßenwärter angestellt, in den Jahren 1845 – 1853 Johann Burry (zu-ständig für den Ortsetter bis an die Markungs-grenze nach Schörzingen), Anton Weinmann, Krämer (für das Wochenbergsträßle und das Rennen-sträßle) sowie Fidel Dannecker (für die Straße nach Ratshau-sen). Vom Deilinger Steinbruch am Ortenberg mussten jedes Jahr Unmengen Steine auf diese Straßen angeführt, geklopft und an die schlechten Stellen aus-gelegt werden, und dies alles auf Kosten der Gemeinde Weilen. So wurden laut Gemeinderechnung von 1846 folgende Menge Steine auf die einzelnen Straßen geführt: 76 Roßlasten je 700 Pfund auf das Wochenbergsträßle, 234 Roßlasten auf die anderen Straßen. Der Fuhrlohn für diese 310 Roßlasten Steine von Deilingen auf die einzelnen Straßen betrug allerdings nur 59 Gulden und 42 Kreuzer. Außer diesen Steinen wurden noch 59 Wagen Kies aus der Schlichem von Ratshausen angeführt; dafür hatte Weilen an die Nachbargemeinde 3 Gulden zu bezahlen. Die Wegknechte, wie die Straßenwärter damals genannt wurden, mussten die Steine selber schlagen und die Gräben an den Straßen stets offen und in Ordnung halten sowie sie überwachen. An Gehältern wurden im Jahre 1846 bezahlt: für das Rennensträßle 18 Gulden, für den Ortsetter und die Wochen-bergstraße 37 Gulden, für die Straße nach Ratshausen 12 Gulden. Das Schneebahnen wurde jeweils im Herbst für den ganzen Winter im Akkord vergeben, und zwar für jede Bahnöffnung. Es wurden zum Beispiel im Winter 1845/46 für einmaliges Bahnschlittenfahren 3 Gulden bezahlt; der gleiche Preis wurde auch 1846/47 bezahlt. In diesem Winter wurde der Bahnschlitten 7mal geführt. Der Weg führte zuerst nach Ratshausen über das Rennensträßle nach Deilingen, über Eck zum Wochenbergsträßle, hinab bis zum Withaueck an der Markungsgrenze Schörzingen und dann zurück nach Weilen. Von den Kosten der Straßenwärter, der Instandsetzung der Straßen und des Schneebahnens zahlte später die Amtskörperschaft Spaichingen wieder einen Teil an die Gemeinde zurück. Wer früher nach Deilingen mit dem Fuhrwerk fahren wollte, mußte ent-weder über Rennenwasen-Rennensträßle oder aber über das Wochenbergsträßle fahren. Das Rennensträßle ist uralt (siehe Seite 22), und laut Oberamtsbeschrei-bung soll früher auf ihm die Landkutsche gefahren sein. Es führte auch noch die alte Straße über Juchte und Eck nach Deilingen. Diese wurde aber nicht mehr instand gesetzt; daher war sie nur im Sommer bei trockenem Wetter befahrbar. Deshalb war der Bau einer neuen Deilinger Straße notwendig. In Verhandlungen seitens der Amtskörperschaft Spaichingen mit dem Staat und den am Straßenbau interessierten Gemeinden wurde 1872 beschlossen, eine neue Straße von Weilen nach Deilingen zu bauen. Die Strecke wurde in 3 Lose aufgeteilt und im Akkord vergeben. Das erste Los ging vom Withau bis zum Angelbühl einschließlich Angel-brücke. Die alte Straße ging ja auf dem Angel am Haus Nr. 67 (Max Stauß) vorbei, so wie dessen Zufahrt heute noch verläuft. Bei schweren Lasten von Schömberg her mußte man immer 4 Stück Vieh oder Pferde an den Wagen spannen, damit man den Buckel heraufkam. Die Ausschüttung eines Dammes und Verbreiterung der Angelbrücke waren beim Los Nr. 1 inbegriffen. Den Auftrag für das Los Nr. 1 hatte Kronenwirt Reiner von Deilingen mit einem Mann von Delkhofen zusammen um 1 300 Gulden. Vom jetzigen Einschnitt im Withau wurde auch das Erdreich zum Aufschütten des Straßendamms zwischen Gebäude 13 (Schwarz) und Gebäude 67 und 14 entnommen. Die alte Straße oben am Withau, die von Schörzingen und Schömberg kam, verlief nämlich gerade von Schörzingen über den Buckel herab. Vor dem Straßenbau zwischen Schömberg und Weilen, der jetzt erst erfolgte, konnte man die alte Straßenführung noch gut erkennen. Die zweite Baustrecke von der Angelbrücke durch den Ort Weilen bis in die Obere Juchte sowie den dritten Bauabschnitt bis nach Deilingen hatte eine Baufirma aus Tuttlingen - es waren 5 Brüder – übernommen. Die Gesamtkosten der neuen Deilinger Straße betrugen 15 000 Gulden. An diesen Kosten bezahlte der Staat 8 000 Gulden, die Amtskörperschaft Spaichingen 5 000 Gulden; den Rest von 3 000 Gulden hatten die 3 Gemeinden Wehingen, Deilingen und Weilen mit je 1 000 Gulden zu tragen. An der Straße, die im Frühjahr 1873 begonnen worden war, waren zeitweise über 60 Arbeiter beschäftigt sowie mehrere ferdegespanne. Als im Herbst 1873 schlechtes Wetter eintrat, kam es zu Rutschungen an verschiedenen Dämmen, wodurch sich die Kosten nochmals um 1 000 Gulden erhöhten. Auch die Unternehmer erlitten durch das schlechte Wetter finanzielle Verluste. Die Anlage der neuen Straße von Weilen nach Deilingen wurde schon damals als nicht ideal bezeichnet. Heute bei dem starken Autoverkehr ist sie mit ihren vielen Kurven und Steigungen sehr gefährlich; heute würde sie jedenfalls anders gebaut. Die Schömberger Straße wurde 1820 angelegt. Im Jahre 1935 wurde die ganze Straße von Schömberg bis Wehingen mit einer Schotterdecke versehen und gewalzt. In den Jahren 1937 bis 1939 erfolgte dann die Befestigung und Vollendung der Straße durch eine Teerschicht. Als am 21 April 1945 etwa 80 französische Panzer und sonstige Fahrzeuge und Lastwagen die Straße benutz-ten, wurden besonders die Kurven derart beschädigt und aufgerissen, daß die Straße eher einem Acker glich. Die ganzen Ortsstraßen von Weilen einschließlich des Neubaugebietes auf dem oberen Wasen sind in den letzten 10 Jahren kanalisiert und entwässert worden. Die Feld- und Waldwege auf der Markung Weilen waren noch vor dem Zweiten Weltkrieg (1938) in einem sehr schlechten, ja in nassen Jahrgängen in katastrophalem Zustand. Oft konnte man sie überhaupt nicht mehr befahren, zum Beispiel im Jahre 1922, als man die ganzen Kartoffeln vom Esch Rennen-wasen und Weiden bis zur traße bei der Kapelle tragen mußte. In ähnlichem Zustand waren auch die anderen Wege, weil sie keinen Steinbelag hatten. Die Wege im Wald Rohr waren so schlecht, daß das Vieh nicht einmal den leeren Wagen ziehen konnte, da es bis zum Bauch im Morast versank und die Wagen-räder bis zur Achse eindrangen. Dieses ist keine Übertreibung. Auf der Markung Weilen gab es keine Steine, und die Beifuhr der Steine von Deilingen wäre zu teuer gekommen, denn es mußte ja alles mit Pferde- und Ochsengespannen abgeholt werden. Erst einige Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg beschloss die Gemeindeverwaltung, soweit die finanzielle Lage dies erlaubte, die schlechtesten Feldwege mit einer Steinvorlage zu befestigen und mit Schotter zu decken. Mit dem Aufkommen der motorisierten Fahrzeuge auch in der Landwirtschaft wurden die Straßen und Wege noch mehr als bisher strapaziert. Zuerst wurde der Wolf-bühlweg gerichtet, und zwar durch die Firma Graf aus Dietingen. Diese fuhr mit Lastwagen Steine aus ihrem Steinbruch heran. Später wurde der Weg bis zum Mittelbach und ein Stück gegen den Zuweidenweg instandgesetzt. Ein Jahr später kamen dann der Hochstettsweg und der Brandweg daran. Anfangs 1950 wurde dann der gesamte Rennenwasen bis ins Rohr zur oberen Brücke ausgebaut (mit Hilfe des grünen Planes); dieser Weg ist sehr gut befahrbar und ist in den Jahren1967/68 vollendet worden. Wenn das Holz an befestigten Wegen läge und jederzeit abgefahren werden könnte, wäre der Erlöswesentlich höher. Im Honauwald wurde 1964 ein befestigter Waldweg ausgebaut; dieser Weg gestattet eine Rundfahrt; er wurde vom Forstamt Wehingen angelegt, auch aus Mitteln des grünen Planes. Die Gemeinde Weilen mußte nur etwa 1/10 der Gesamtsumme bezahlen, der Staat und die Privatwaldbesitzer die Restsumme. Ich möchte hier noch erwähnen, daß die Privat-waldbesitzer sehr billig weg-kamen. Das Verhältnis der Umlage gestaltete sich für sie günstiger als für die Gemeinde, die nach der Größe ihrer Waldfläche zur Zahlung eines Beitrages herangezogen wurde. Es darf ohne jede Übertreibung gesagt werden, daß Weilen die bestausgebauten Feld- und Waldwege hat, und zwar nicht nur in der näheren Umgebung. Nur der Rest des Rohrweges müsste noch fertig gestellt werden.
Luftaufnahme der Gemeinde Weilen unter den Rinnen im Jahre 1968
8.8 Vom Bauerndorf zur Arbeiterwohngemeinde
Die Ackerbaufläche ist in den letzten 100 Jahren um die Hälfte zurück-gegangen. Während einst fast alle Bewohner in der Landwirtschaft beschäftigt waren, sucht heute bereits die Hälfte der Bevölkerung ihren Verdienst im Hand-werk und in der Industrie. Die meisten Arbeiter betreiben noch abends und samstags eine kleine Landwirtschaft von 1 bis 4 ha. So ist Weilen von einer landwirtschaftlichen Gemeinde zu einer Arbeiterwohngemeinde herangewachsen. Es gibt hier schon einige Industriebetriebe. Beschäftigt werden in der Nähfiliale Martin Amann 20, Sägewerk und Zimmerei Beda Koch 12, Dachdecker-geschäft Matth. Eckenweber 5, Gipsergeschäft Eugen Seifriz 8, Mechanische Werkstätte A. Widmer 2, Handschuhnäherei Inge Weinmann 3, bei verschiedenen Firmen 5 weibliche Personen. Von den 12 Einpendlern, also Arbeitern aus fremden Orten, sind 7 im Sägewerk Beda Koch und 5 bei Gipsermeister Eugen Seifriz beschäftigt. An Auspendlern, die jeden Tag auswärts zur Arbeit gehen, gibt es 70. Ihre Arbeitsorte sind in der Hauptsache: Balingen, Rottweil, Dotternhausen, Deilingen, Wehingen, Gosheim, Wellendingen, Endingen und Schömberg. Bei den Auspendlern sind nur die Einwohner gezählt, die dauernd hier wohnhaft sind. Es wohnen einige Arbeiter aus dem Preussischen und einige Ausländer wie Griechen, Türken und Jugoslawen hier, die gleichfalls auswärts arbeiten. Die Zahl dieser Arbeiter beträgt etwa 15, sie ändert sich aber dauernd, weil die Fremdarbeiter nach einiger Zeit an die Orte ihrer Arbeitsstätten wegziehen. Die Einwohnerzahl ist seit dem Jahre 1947 stark im steigen. Heute, im März 1966, ist sie mit 380 wieder nah an die 400 gestiegen. Diese Entwicklung ist besonders darauf zurückzuführen, daß den auswärts arbeitenden Handwerkern die Möglichkeit gegeben ist, mit ihren eigenen Personenwagen nach Balingen, Rottweil, und an andere Orte, wo sie ihre Arbeit haben, leicht hinfahren zu können. Auch fährt der Bahnbus von Rottweil nach Balingen täglich nach jeder Richtung 10mal hin und her. Weilen hat eine eigene Haltestelle an der Straße von Schörzingen nach Schömberg.
Nachtrag:
Absturz von zwei F 4 – Flugzeugen in Weilen u.d.R.
Augenzeugenbericht von Bürgermeister Weinmann:
20. September 1977 – 6.50 Uhr: Aus Richtung Südwest höre ich das Geräusch von näher kommenden Düsenflugzeugen. Am Albtrauf ist dichter Nebel, Sicht-weite ca. 150 m. Das Fluggeräusch verstärkt sich und plötzlich erfolgen Deto-nationen. Der vor mir liegende Nebel färbt sich grellrot. Ich werfe mich auf die Erde. Aus Richtung Südwest nach Nordost schießt ein Feuerball ca. 150 m neben mir dicht am Kirchturm vorbei auf unser Dorf zu. In diesem Flammenmeer erkenne ich deutlich die Umrisse eines Düsenflugzeugs. Während dieser bangen Sekunden drängt sich mir der Gedanke auf, ob die Maschine noch über unsere Gemeinde hinwegkommt, oder ob sie einen Teil des Dorfes mit seinen Einwohnern vernich-ten wird. Mehrere Explosionen mit erdbebenähnlichen Erschütterungen beenden den ohrenbetäubenden Lärm. Nahezu gleichzeitig vernehme ich über mir das Klatschen eines Fall-schirms und das Vorbeisausen von schweren Metallkörpern (Schleudersitze). Unmittelbar vor mir (ca. 2 m) fällt ein Mann zu Boden. Der Fallschirm verfängt sich in einem Baum. Zwei weitere Fallschirme gehen in westlicher Richtung nieder, einer davon mit hoher Geschwindigkeit. Zunächst bemühe ich mich um den vor mir liegenden Piloten, der am Kinn verletzt ist. Als Bürgermeister der Gemeinde ist es jedoch meine vordring-liche Aufgabe, Feuerwehr, Polizei und Rettungstrupps zu alarmieren. Noch immer gehen brennende Flugzeugteile zu Boden. Die Ortsfeuerwehr ist zu diesem Zeitpunkt von Schülern mittels Sirene alarmiert und bereits im Einsatz. Gegen 7.15 treffen die von mir alarmierten Rettungsmannschaften, sowie die Stützpunktfeuerwehr der Nachbarstadt Schömberg an der Absturzstelle ein. Ich begebe mich an die Unfallstelle und stelle fest, daß nicht eines sondern zwei Düsenflugzeuge abgestürzt sind. Die Feuerwehr hatte den im Gebäude Nr. 39 in der Hauptstrasse ent-standenen Brand bereits unter Kontrolle. Die Gemeinde hatte das nahezu unfassbare Glück, daß bei diesem Unfall kein Einwohner verletzt wurde. Drei der vier im letzten Moment abgesprungenen Piloten leben, jedoch ihr Kamerad, Capt. J. Mike Wertz, ist beim Absturz tödlich verunglückt. Die ganze Einwohnerschaft bedauert zutiefst den Tod von Herrn Capt. John Mike Wertz.
SCHRIFTTUMSVERZEICHNIS
Albert Aich: Albbilder – Heimatbuch des Heubergs. Verlag Rotschild, Rottweil. Seite 62.